NSU-Prozess: Verteidiger fordern Freispruch für NSU-Mitangeklagten Carsten S.
Der mutmaßliche Terrorhelfer Carsten S. hat die Anschläge des NSU nach Darstellung seiner Verteidiger nicht unterstützt. Angeklagt ist er wegen Beihilfe zum Mord.
Er ist der einzige Angeklagte im NSU-Prozess, der ein umfassendes Geständnis abgelegt hat. Vermutlich wird Carsten S. (38), wenn überhaupt, keine lange Haft antreten müssen. Seine Verteidiger wollen, dass er gar nicht bestraft wird. Obwohl er im Frühjahr 2000 den Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos die Pistole Ceska 83 brachte, mit der die beiden Neonazis neun Migranten türkischer und griechischer Herkunft erschossen.
Da S. „zum Tatzeitpunkt im Rechtssinne nicht bedingt vorsätzlich gehandelt hat bezüglich der später von Böhnhardt und Mundlos begangenen Taten“ könne ihm heute kein strafrechtlicher Vorwurf mehr gemacht werden, sagte Verteidiger Jacob Hösl am Mittwoch zum Abschluss seines Plädoyers im Oberlandesgericht München. Er und sein Kollege Johannes Pausch beantragten, Carsten S. freizusprechen.
Der Angeklagte hatte 2013 gleich zu Beginn des Prozesses zugegeben, an der Beschaffung der Mordwaffe beteiligt gewesen zu sein. Carsten S. belastete zudem den mitangeklagten Ex-NPD-Funktionär Ralf Wohlleben. Dieser soll die Lieferung der Ceska 83 eingefädelt und das Geld für den Kauf gegeben haben.
Carsten S. hatte die Waffe im Frühjahr 2000 Böhnhardt und Mundlos in Chemnitz übergeben. Hier versteckten sich die aus Jena abgetauchten Männer mit ihrer Komplizin Beate Zschäpe. Der Angeklagte berichtete im Prozess auch von einem Sprengstoffanschlag des NSU in Nürnberg, der bis dahin nicht der Terrorzelle zugeordnet wurde.
Die Bundesanwaltschaft wirft S. und Wohlleben Beihilfe zu neunfachem Mord vor. Für S. hatten die Ankläger in ihrem Plädoyer drei Jahre Haft gefordert, für Wohlleben, der die Tat bestreitet und den NSU mutmaßlich jahrelang unterstützt hat, zwölf Jahre. Die Verteidiger von S. meinen, ihr Mandant habe damals nicht ahnen können, was Böhnhardt und Mundlos planten – obwohl S. den beiden auch einen Schalldämpfer und Munition mitgebracht hatte. Carsten S. verließ allerdings schon 2000 die rechte Szene, um seine Homosexualität leben zu können.
Der Berliner Opferanwalt Mehmet Daimagüler, er vertritt Angehörige von zwei in Nürnberg erschossenen Türken, kritisierte die Forderung der Verteidiger, S. freizusprechen. „Er hat genau gewusst, was er dem NSU geliefert hat“, sagte der Anwalt. Ein Freispruch wäre mit der Schuld von S. nicht vereinbar.