CSU-Vorschlag zum Deutsch-Sprechen: „Versteht’s, Abflug, haha!“
Die CSU sollte sich an die eigenen Inländer richten: damit die üben, wie sie mit anderen Menschen sprechen können. Ein Kommentar
Weil es übermorgen so weit ist, soll heute eine kleine Weihnachtsgeschichte erzählt werden. Sie handelt nicht von Engeln, nicht von Ochs und Esel, nicht einmal von den Hirten auf dem Felde, sondern von einer Herbergssuche – wie sich das zu Weihnachten nun einmal gehört. Und es ist eine wahre Geschichte.
Sie spielt im tiefen Inneren von Deutschland, in Nordbayern, knapp an der Grenze zu Baden-Württemberg, einer Gegend also, in der die Einheimischen meist unter sich sind. An diesem Tag war das nicht so. Da saßen in einer sehr regionalen Bahn drei Männer fremdländischen Aussehens, ein Bayer sowie der Erzähler dieser Geschichte. Alle schienen ein wenig ermattet zu sein außer dem Bayern, welcher anscheinend einen starken Drang fühlte, sich zu unterhalten. „Wo kummt’s ihr denn her?“, wandte er sich interessiert an die fremdländisch Aussehenden. Diese, der deutschen Sprache offenbar kaum kundig und erst recht nicht des bayerischen Idioms, sahen den Frager ratlos an und, wie es schien, sogar ein wenig ängstlich. „Wo ihr herkummt’s“, begann er erneut, „i moan, aus was für an Land, versteht’s, Land!“ In der Tat huschte jetzt eine Spur des Verstehens über die Gesichter, und einer antwortete: „Syria.“ Diese Auskunft machte nun den Bayern seinerseits ratlos, weshalb er insistierte: „Land! Land!“ Aber die Antwort blieb immer dieselbe: „Syria.“ Jetzt fühlte sich der Erzähler der Geschichte aufgerufen, das Gespräch voranzubringen. „Die kommen aus Syrien.“
"Aber ihr seid’s doch gar koane Neger“
Im Kopf des Bayern begann sich nun etwas zu bewegen, und er fragte sogleich wissend: „Ja, seid’s ihr jetzt bei uns wegen die Kämpfe?“ Auch diese Frage überforderte die Sprachkenntnisse der Syrer, worauf der Erzähler erneut in die Unterhaltung einbezogen wurde: „Syrien? Is des in der EU?“ Nein, antwortete der, Syrien liege am Mittelmeer, aber auf der asiatisch-afrikanischen Seite. Den Bayern schien diese Mitteilung zu erstaunen, denn sofort wandte er sich wieder an die Syrer, offensichtlich von einem geografischen Misstrauen geplagt: „Afrika, aha! Aber ihr seid’s doch gar koane Neger.“
Das Gespräch, das kein Gespräch werden wollte, drehte sich weiter, und langsam wurde klar, dass es sich bei den dreien um syrische Kriegsflüchtlinge handelte, die in einem Asylheim in der Nähe wohnten und erst seit zwei Wochen in Deutschland waren.
"Sagt’s amal, was gibt’s denn da für euch z’essen?"
Der Bayer interessierte sich nun noch intensiver für die Neuankömmlinge, und der Erzähler versichert, dass er bei dieser Schilderung nichts, gar nichts hinzuerfunden hat. „Aha“, sagte der Frager jetzt, „Asylheim, sagt’s amal, was gibt’s denn da für euch z’essen? Huhn, oder?“ Und begeistert ob einer plötzlichen Fremdspracheneingebung brach es aus ihm heraus: „Chicken, haha!“ Die Syrer nickten. Chicken! „Sagts amal“, wollte der Bayer weiter wissen, „esst’s ihr mit’m B’steck oder mit die Finger?“
Erneute Ratlosigkeit auf syrischer Seite, erneutes Stocken des Gesprächs, was der Bayer wieder in Gang zu bringen suchte mit Reflexionen über die gegenwärtige deutsche Wirtschaftslage, die er offenkundig zufriedenstellend fand. „Geht uns ja guat, grad“, sagte er, „da könnt’s ihr gern kumma zu uns.“ Doch weil alles Grenzen haben muss, beeilte er sich hinzuzufügen: „Aber wenn’s uns wieder schlechter geht, dann Abflug! Versteht’s, Abflug, haha!“
Da der Erzähler an der nächsten Station des regionalen Expresses aussteigen musste, kann er hier nicht wiedergeben, zu welchen Höhen sich das weitere Gespräch aufschwang. Aber man darf sicher sein, dass es ein gutes Ende nahm, schon weil die syrischen Teilnehmer nicht verstanden, was ihnen ihr Gegenüber mitzuteilen hatte. So konnten sie sich weiter in der Hoffnung wiegen, dass Deutschland ein freundliches Land sein möge, das seine Gäste bei ihrer Herbergssuche herzlich aufnimmt. Und die regierende CSU könnte sich die Frage stellen, ob es statt der Aufforderung an Ausländer, sie mögen untereinander deutsch sprechen, nicht besser wäre, dieses Ansinnen an die eigenen Inländer zu richten. Dass die vielleicht untereinander übten, wie sie mit anderen Menschen sprechen könnten.
Ein schönes Weihnachtsfest!
Wolfgang Prosinger