Ausländische Kindergeldempfänger: Verstärkter Kampf gegen Kindergeld-Missbrauch gefordert
In der Debatte um das Kindergeld für Ausländer hat der CDU-Politiker Armin Schuster gefordert, bei Untätigkeit der EU nationale Maßnahmen zu prüfen. Andere rufen zu mehr Sachlichkeit auf.
Der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster hat angesichts der Rekordzahl an ausländischen Kindergeldempfängern und Hinweisen auf Betrugsfälle Konsequenzen gefordert. Schuster sagte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin: „Wenn bestimmte Menschen gezielt nach Deutschland kommen, um sich hier Kindergeldbezüge für ihre im EU-Ausland lebenden Kinder zu erschleichen, keiner sozialversicherungspflichtigen Arbeit nachgehen, keinen wirklichen Wohnsitz haben oder mit gefälschten Papieren falsche Tatsachen vorspiegeln, muss man von organisiertem Missbrauch des Freizügigkeitsrechts sprechen.“
Schuster sagte weiter: „In solchen Fällen wäre auch zu prüfen, ob die Voraussetzungen für das im Freizügigkeitsgesetz zugestandene Aufenthaltsrecht der Eltern überhaupt noch vorliegen oder ihr Aufenthalt in Deutschland nicht beendet werden sollte.“
Politisch müsse es darum gehen, die Kindergeldleistungen den Bedingungen im Heimatland anzupassen. Schuster: „Sollte es auch unter der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft nicht gelingen, eine Mehrheit für diese von Deutschland schon länger geforderte Reform zu erreichen, sind nationale Maßnahmen zu prüfen.“
SPD-Chef aus NRW sieht Verantwortung bei osteuropäische Regierungen
Der Vorsitzende der SPD in Nordrhein-Westfalen, Sebastian Hartmann, sieht indes eine Verantwortung bei osteuropäischen Regierungen. "Die menschenrechtsfeindliche Politik der Rechtsnationalisten in osteuropäischen EU-Staaten darf nicht dazu führen, dass starke Sozialstaaten und hohe Sozialstandards ausgenutzt werden", sagte Hartmann der "Rheinischen Post".
Die europäische Solidarität müsse selbstverständlich auch für Duisburg, Gelsenkirchen oder Dortmund gelten. "Die Kommunen dürfen nicht auf hohen Kosten sitzen bleiben, die aufgrund von fehlenden europäischen Regelungen zustande kommen", sagte der Chef der NRW-SPD.
Integrationsbeauftragte ruft zu mehr Sachlichkeit auf
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), hat in der Debatte über Kindergeldleistungen für Ausländer mehr Sachlichkeit gefordert. „Die meisten ausländischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die in Deutschland leben, arbeiten und zahlen in die Sozialkassen ein“, sagte Widmann-Mauz ebenfalls der „Rheinischen Post“.
Dennoch müsse Sozialmissbrauch bekämpft werden, sagte sie mit Blick auf Berichte über eine mögliche gezielte Einwanderung zur Abschöpfung von Leistungen. Die Politikerin verwies darauf, dass die Bundesregierung sich auf EU-Ebene dafür einsetze, das Kindergeld für im Ausland lebende Kinder an den Standard des jeweiligen Wohnortes anzupassen.
Deutscher Städtetag: "Das System, das ist missbrauchsanfällig"
Auch der Deutsche Städtetag hat eine differenzierte Debatte über Fehlanreize des deutschen Kindergeld-Systems und dessen Reform gefordert. "Das System, das ist missbrauchsanfällig", sagte am Freitag der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Helmut Dedy, dem Deutschlandfunk. Es gehe ausdrücklich nicht darum, Menschen aus dem EU-Ausland, die in Deutschland arbeiteten, hier das Kindergeld zu verwehren. Es gehe vielmehr um Fälle, in denen Menschen allein wegen des Kindergelds nach Deutschland kämen. "Es geht bei der Reform darum, dass wir die Frage stellen, ob das Kindergeldsystem in Europa nicht falsche Anreize setzt."
Dedy beteuerte mit Blick auf teils organisierte, gezielte Zuwanderung aus Südeuropa in einige deutsche Städte aus Südeuropa zur Erlangung von Sozialleistungen: "Wir haben keinen Generalverdacht gegen Menschen aus Rumänien oder Bulgarien." Wenn Menschen aber allein nach Deutschland kämen, um hier Kindergeld für ihre weiter in der Heimat lebenden Kinder zu erhalten, sei das ein Problem. In der geforderten Debatte über Reformen müsse es auch darum gehen, dass das Kindergeld eigentlich den Bedarf der Kinder abdecken solle. Der aber sei beispielsweise in Bulgarien ein anderer als in Deutschland. Hier gelte es zu diskutieren, ob das nicht Fehlanreize setze.
Paritätischer Gesamtverband: Regelung für Kindergeldzahlungen „korrekt und fair“
Der Paritätische Gesamtverband hat die Regelungen für Kindergeldzahlungen an im Ausland wohnende Kinder verteidigt und zugleich Kritik an Politikern geäußert. Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider nannte die geltende Praxis völlig korrekt und fair.
„Im Regelfall geht es um die Kinder von Eltern, die hier in Deutschland erwerbstätig sind - und zwar nicht nur scheinbar“, sagte Schneider der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Sie zahlen ihre Steuern nach deutschem Recht und deutschen Steuersätzen. Damit haben sie auch ein Anrecht auf entsprechende bundesdeutsche Kinderfreibeträge beziehungsweise das Kindergeld.“
Es seien darüber hinaus Menschen, die in Deutschland entweder als Fachkräfte gebraucht würden oder die häufig in sehr schlechten Arbeitsverhältnissen „ausgebeutet“ würden. „Es sind jedoch auf keinen Fall Menschen, die ihre Kinder ohne Not und gerne zu Haus zurücklassen“, betonte Schneider.
„Davon zu unterscheiden ist die vom Duisburger Oberbürgermeister angesprochene Problematik von Schleppern, die osteuropäische Menschen scheinbeschäftigen und in Schrottimmobilien unterbringen, um sie letztlich in schlimmster Weise auszubeuten“, erklärte er. „Das sind mafiöse Strukturen, die aufgebrochen werden müssen. Wenn unserer Politik dazu nichts besseres einfallen sollte als die Kürzung des Kindergeldes, ist das mehr als armselig.“
Im Juni hat in Deutschland die Zahl an Kindern, die im EU-Ausland leben und vom deutschen Staat Kindergeld erhalten, mit 268.336 einen neuen Rekord erreicht. Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) hatte von kriminellen Strukturen gesprochen und ein Handeln der Bundesregierung gefordert. SPD-Chefin Andrea Nahles sagte, man müsse sich dringend kümmern um Betrügereien rund um das Thema Familien- und Sozialleistungen. Die Bundesregierung bemühe sich mit den europäischen Partnern um Lösungen. (dpa, Reuters, AFP)
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