EU-Recht: Bundesregierung will Kindergeld für EU-Ausländer weiterhin kürzen
EU-Ausländer, die in Deutschland arbeiten, erhalten Kindergeld, auch wenn der Nachwuchs in der Heimat lebt. SPD und Union wollten das schon 2017 ändern - bisher ohne Erfolg.
Die große Koalition hält an dem Plan fest, das Kindergeld für EU-Ausländer kürzen, deren Kinder nicht in Deutschland wohnen. "Das bleibt für beide Regierungspartner auf der Tagesordnung", sagte ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums. Vor rund einem Jahr hatte die Vorgängerregierung Eckpunkte beschlossen mit dem Ziel, die Höhe der Familienleistung an die Lebenshaltungskosten des Wohnsitzstaates zu koppeln. Die EU-Kommission hatte entsprechende Änderungen jedoch damals abgelehnt - auch wegen des hohen Verwaltungsaufwands.
Im Dezember 2017 zahlten die Familienkassen Kindergeld an 211.734 ausländische Kinder in EU-Mitgliedstaaten. Das geht aus Statistiken der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervor. Die meisten Kinder lebten in Polen (103.000), Kroatien (17.400), Rumänien (17.000) und Tschechien (16.400). Die Familienkasse überwies aber auch Geld an Kinder mit Wohnsitz Frankreich (15.800). Im Jahr 2017 flossen insgesamt 318 Millionen Euro Kindergeld für nicht-deutsche Kinder auf ausländische Konten, nicht nur in der EU, sondern auch in Ländern wie der Türkei. Gemessen an den Gesamtausgaben ist die Summe allerdings gering: Im Jahr 2017 gaben die Familienkassen 35,9 Milliarden Euro fürs Kindergeld aus, weniger als ein Prozent des Geldes ging also ins Ausland.
Zahl der Kindergeldempfänger ist gestiegen
In den letzten Jahren ist die Zahl der Kindergeldberechtigten im EU-Ausland allerdings deutlich gestiegen. Noch vor sechs Jahren, im Dezember 2011, hatten 63.981 Kinder von EU-Ausländern, die in ihrem Heimatland lebten, Anspruch auf Kindergeld. Die Zahlen haben sich in dem Zeitraum also mehr als verdreifacht. Innerhalb der EU gehört Deutschland zu den Ländern, die ein vergleichsweise hohes Kindergeld zahlen. Fürs erste und zweite Kind gibt es 194 Euro im Monat, ab dem dritten Kind 200 Euro, ab dem vierten Kind sind es 225 Euro.
Gleichzeitig nahm die Beschäftigung aus dem EU-Ausland zu
Gleichzeitig nahm in den letzten Jahren aber auch die Zahl der Beschäftigten aus den EU-Beitrittsländern zu. Seit dem Mai 2011 gilt für Polen, Ungarn, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Estland, Lettland und Litauen die uneingeschränkte Arbeitnehmerfreizügigkeit. Das heißt, dass Bürger aus diesen Ländern in Deutschland einen Job annehmen können. Für Rumänien und Bulgarien trat die Freizügigkeit im Januar 2014 in Kraft, für Kroatien im Juli 2015. Laut Statistik der Bundesagentur für Arbeit waren im Dezember 428.000 Polen in Deutschland beschäftigt, mehr als doppelt so viel wie Anfang 2012. Deutlich spürbar ist auch der Anstieg der Beschäftigung aus Rumänien und Bulgarien, hier haben sich die Zahlen vervierfacht. Im Dezember arbeiteten etwa 325.000 Rumänen und 131.000 Bulgaren in Deutschland.
Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2012 haben EU-Ausländer für die Dauer ihres Aufenthalts Anspruch auf Kindergeld, auch wenn der Nachwuchs in der Heimat lebt. Die Bundesregierung will nun auf EU-Ebene erneut dafür werben, das europäische Koordinierungsrecht zu ändern, so dass eine Indexierung des Kindergelds möglich wäre - also eine Anpassung an die jeweiligen Lebenshaltungskosten. "Die Bundesregierung erwartet von der Europäischen Kommission, dass sie so bald wie möglich einen Vorschlag zur Änderung des europäischen Koordinierungsrechts vorlegt", sagte ein Sprecher des Finanzministeriums.
EU-Kommissarin Marianne Thyssen hatte jedoch im letzten Frühjahr in einem Schreiben an die Bundesregierung deutlich gemacht, dass sie von einer solchen Idee wenig hält. Die Ausgaben für Familienleistungen, die möglicherweise indexiert werden könnten, beliefen sich auf weniger als ein Prozent der jährlichen Gesamtausgaben an Familienleistungen in 28 Mitgliedstaaten, kritisierte sie. Unter dem Strich würde sich deshalb keine wesentliche Kosteneinsparung ergeben, dafür aber ein wesentlich höherer Verwaltungsaufwand.