Bilderberg-Konferenz in Dresden: Verschwiegenheit schafft Vertrauen - und Angst vor der Weltregierung
Wie jedes Jahr treffen sich Mächtige der Welt, um streng abgeschirmt bei der Bilderberg-Konferenz zu beraten. Das ist vielen nicht geheuer.
So abgeschieden wie so oft in den vergangenen sechs Jahrzehnten kommen die Bilderberger diesmal nicht zusammen. Das 64. Treffen der Mächtigen aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medien findet seit Donnerstag in Dresden statt. Im Taschenbergpalais, einem Luxushotel mitten in der barocken Altstadt. Bis Sonntag werden die 130 Teilnehmer über das Weltgeschehen und die Stärkung der transatlantischen Beziehungen beraten, darunter Konzernlenker, Polit-Strategen und mit Ursula von der Leyen, Wolfgang Schäuble und Thomas de Maizière (alle CDU) auch gleich drei Bundesminister. Die Gästeliste liest sich wie das „Who is Who“ der Weltwirtschaft. Doch wie immer wird auch in Dresden am Ende nichts nach draußen dringen.
„Je weniger über bestimmte Ereignisse kommuniziert wird oder Informationen darüber vorliegen, desto mehr neigen die Menschen dazu anzunehmen, dass es da um irgendetwas Geheimes geht, was sie nicht wissen sollen“, sagt Eva Kimminich. Die 59-Jährige Professorin lehrt Kulturwissenschaften an der Universität Potsdam und beschäftigt sich mit dem Entstehen von Verschwörungstheorien, die derzeit Konjunktur haben. „Und bei dieser hier geht es ja darum, dass ein paar Mächtige über die weitere Zukunft entscheiden.“
So haben denn auch von der „Roten Fahne/Antifaschistische Aktion“ bis zur rechtsextremen NPD zahlreiche Parteien, Gruppen und Einzelpersonen knapp zwei Dutzend Protestkundgebungen gegen die Dresdner Konferenz angekündigt. Auffallend: Das Engagement rechter Gruppen. Auch die AfD und Pegida rufen zu Aktionen auf.
Die Stadt hat ein Versammlungsverbot verhängt
„Den Bilderbergern wird unterstellt, dass sie die Weltherrschaft antreten wollen. Und das geht natürlich gegen ein völkisch-nationales Bild, das gerade die rechten Gruppierungen vertreten, die ja auch der US-Regierung vorwerfen, die Weltregierung übernehmen zu wollen“, sagt Kimminich. Die Polizei bereitet sich auf einen Großeinsatz vor. Die Stadt hat ein Versammlungsverbot rund um den Tagungsort verhängt. Für Drohnen und andere Flugobjekte wurde eine Sperrzone eingerichtet.
Schon seit ihrem ersten Treffen 1954 im Bilderberg-Hotel des damaligen Gemahls der niederländischen Königin Prinz Bernhard wird die Konferenz nach der sogenannten „Chatham House Rule“ abgehalten. Sie gestattet Teilnehmern zwar, die erhaltenen Informationen zu verwenden. Aber weder Identität noch Zugehörigkeit der Redner oder anderer Teilnehmer dürfen preisgegeben werden. Veröffentlicht wird außer einer Teilnehmer- und einer Themenliste nichts. Das schafft Raum für Spekulationen.
„Es ist eine informelle Gruppe, die über verschiedene Themen spricht und die Diskussion hinter verschlossenen Türen führt, um die Gespräche zu erleichtern“, sagt Henri de Castries, Chef des Axa-Versicherungskonzerns und Vorsitzender des Lenkungsausschusses der Bilderberger. Dass es sich bei den Konferenzteilnehmern um eine Machtelite handelt, sei nicht relevant. „Es ist kein Parlament, keine operative Organisation.“ Schließlich würden auch keine Entscheidungen getroffen. „Warum sollten diese Menschen nicht das gleiche Recht auf Privatsphäre haben wie jeder normale Bürger?“
Jürgen Trittin war schon mal dabei
Einer, der schon mal dabei war und aus seiner Partei dafür auch Schelte bezog, ist Jürgen Trittin. 2012 war er Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag. „Von der Diskussionskultur ist das eigentlich mit jeder Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung oder der Konrad-Adenauer-Stiftung oder der Münchner Sicherheitskonferenz zu vergleichen“, erzählt er. Und in der Verschwiegenheitsklausel kann der Alt-Grüne durchaus auch Positives erkennen. „Denn es macht Sinn, gelegentlich mal in einem solchen Rahmen zu reden.“ Auch bei anderen internationalen Konferenzen gebe es solche Gespräche. „Es wird dort genauso viel oder eher weniger Weltpolitik gemacht als bei der Münchner Sicherheitskonferenz oder beim Weltwirtschaftsgipfel in Davos und mit Sicherheit weniger Weltpolitik gemacht als beim G20-Treffen der Staats- und Regierungschefs“. Trittin sieht bei der Mythenbildung auch einen Zusammenhang mit der Entstehung der Konferenz. „Bilderberg hat seine Tradition schon aus der Zeit des Kalten Krieges.“ Die Konferenz-Lenker hätten auch viel selbst dazu beigetragen, „weil sie lange Zeit doch noch viel abgeschlossener als heute miteinander getagt haben“.
Mehr Transparenz würde seiner Ansicht nach dabei helfen, das „Märchen“ von der Weltregierung zu beenden. „Es ist ein Märchen, denn wenn es die Weltregierung wäre, dann wäre die Welt eine Monarchie, denn es ist immer der König - früher war es die Königin - der Niederlande dabei. Und dann würde es heißen „Willem Alexander rules the world“. Das ist ungefähr so zutreffend wie die berüchtigten Chemtrails, die angeblich im Auftrag der Bilderberg-Konferenz über Europa versprüht werden.“ Verschwörungstheoretiker vermuten in den Kondensstreifen der Flugzeuge am Himmel eine gezielte Strategie zur Beeinflussung der Bevölkerung mit Hilfe von Chemikalien. (dpa)