Helmut Kohl über Parteifreunde: "Verräter", "keine Ahnung", "Kleinkind"
Helmut Kohl im O-Ton. Die Abschriften von aufgezeichneten Gesprächen mit dem ehemaligen Bundeskanzler erlauben dem politischen Voyeur einen Einblick in die Psyche eines Politikers nach dem Ende seiner Karriere. Müssen wir unser Bild von ihm korrigieren?
Es sind hässliche Worte, ausgesprochen in bösartiger Absicht, mit denen Helmut Kohl mit seinen früheren Parteifreunden und Gegnern abrechnet. Angela Merkel, so hat der heute 84-jährige Altkanzler, laut "Spiegel", seinem Biografen Heribert Schwan erzählt, „konnte nicht mit Messer und Gabel essen“. Norbert Blüm sei ein „Verräter“ und Christian Wulff „ein ganz großer Verräter, eine Null“. Oder über den damaligen Chef der Bundestagsabgeordneten der Union, Friedrich Merz: „Die Merkel hat keine Ahnung, und der Fraktionsvorsitzende ist ein politisches Kleinkind.“
Schon zu seiner aktiven politischen Zeit war Helmut Kohl stolz auf sein Elefantengedächtnis, das streng zwischen Freunden und Feinden unterschied, stolz auf die Kampfesbereitschaft und Aggressivität, mit der er jede noch so kleine Herausforderung annahm und sofort bekämpfte. Wer sich etwas gefallen lässt, davon war er überzeugt, der gilt als schwach.
Von „so genannten Querdenkern“ hielt Kohl gar nichts
Dass er dabei manchmal mehr von Instinkt als Vernunft geleitet wurde, zeigte sich 1991 bei einem Wahlkampfauftritt in Halle, wo ihn ein Student mit Eiern bewarf. Wie ein gereiztes Nashorn raste Kohl mit ausgestreckten Armen auf die Angreifer zu, nur ein Absperrgitter und die verzweifelten Kanzlerleibwächter konnten einen Straßenkampf zwischen dem deutschen Regierungschef und dem jungen Demonstranten verhindern - eine gruselige Szene.
Es war auch nie ein Geheimnis, wie rhetorisch rüde der langjährige CDU-Chef hinter verschlossenen Türen über Richard von Weizsäcker, Rita Süßmuth oder Heiner Geißler herzog – von „so genannten Querdenkern“ (Kohl) hielt er gar nichts, schon gar nicht, wenn er seine eigene Macht durch sie bedroht sah. Insofern erlauben die Abschriften von 600 Stunden auf Tonbändern aufgezeichneten Gesprächen dem politischen Voyeur einen Einblick in die Psyche eines Politikers nach dem Ende seiner Karriere. Große politische Überraschungen aber offenbaren sie nicht.
Nach Spendenskandal und Verlust des CDU-Ehrenvorsitzes fühlte Kohl sich in die Ecke gedrängt
Entstanden waren die Gespräche in den Jahren 2001/2002 in einer Phase, in der sich Kohl nach Spendenskandal und Verlust des CDU-Ehrenvorsitzes in die Ecke gedrängt fühlte und um seine Achtung, sein Renommee und sein Bild in der Geschichte fürchtete. Durch die Weigerung, die Namen der Spender zu nennen, hatte der Politiker sich selbst in diese Lage gebracht, doch lieber klagte er verbittert über den angeblichen Verrat seiner Parteifreunde.
Es ist richtig: Die Art, hässlich über andere zu reden und andere zu schmähen, gehört zu Kohls Persönlichkeit. Offen bleibt, ob er diese Urteile durch seinen Biografen Schwan auch wirklich ans Licht der Öffentlichkeit bringen wollte. Manches spricht auch für die These, dass die zweite Frau des gesundheitlich schwer angeschlagenen Politikers sich um sein Bild in der Geschichte sorgt und deshalb nun ein Verbot des Schwan-Buchs betreibt. Sinnvoll ist es nicht, aus einem politischen Kleinskandal nun auch noch einen Rechtsstreit zu machen, der die Sache immer und immer wieder ins öffentliche Bewusstsein hebt. Denn allein wegen der hässlichen Worte auf den Tonbändern muss Kohls Bild in der Geschichte bestimmt nicht umgeschrieben werden.
Hans Monath