Bund-Länder-Runde zu Flüchtlingskosten: Vergebliche Verhandlungsmüh
Die Länderchefs hätten gerne längerfristige und weitergehende Vereinbarungen getroffen - aber Bundeskanzler Olaf Scholz blockte ab.
Seit die Ampel-Koalition regiert, ist es ratsam, bei den Beschlusspapieren der regelmäßigen Bund-Länder-Gipfelrunden ganz nach hinten zu blättern. Dort stehen mittlerweile immer wieder so genannte Protokollerklärungen einzelner Länder oder ganzer Ländergruppen, die doch nicht ganz zufrieden sind mit den Beschlüssen. Zu Zeiten von Angela Merkel gab es das so gut wie gar nicht. Die frühere Kanzlerin neigte zum Ausverhandeln, auch wenn’s lange dauerte. Olaf Scholz begnügt sich damit, auch mal etwas offen zu lassen.
In der Runde am Donnerstag, die nach einem stundenlangen Hin und Her gegen 23 Uhr endete, finden sich auch wieder fünf Protokollerklärungen. Zur Kernfrage dieses Treffens des Kanzlers mit der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) allerdings gab es nur eine – aus Hessen, wo der altgediente Regierungschef Volker Bouffier (CDU) offenbar nicht bereit war, die Ansagen der Ampel-Koalition zur Flüchtlingsfinanzierung ohne Fußnote mit Erinnerungscharakter durchgehen zu lassen.
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Die Länder hatten den aktuellen Streit um die Regelungen für die Geflüchteten aus der Ukraine nutzen wollen, um zu einer Vereinbarung zur generellen Teilung von „flüchtlingsbezogenen Kosten“ mit dem Bund auch in den nächsten Jahren zu kommen. Aber das misslang. Scholz blockte, die Mehrzahl der Länderchefs fand sich drein. Nur Bouffier mahnte, dass sich die „während der Flüchtlingskrise 2015 zwischen Bund und Ländern konstruktiv ausgehandelten Regelungen“ bewährt hätten und verlängert werden sollten. Sie waren 2021 ausgelaufen.
Genaueres kommt später
Scholz sagte jetzt nur zu, in diesem Jahr noch etwas Gemeinsames zu beschließen, das dann rückwirkend zum 1. Januar 2022 gelten solle. Für alle anderen Flüchtlinge als die aus der Ukraine gibt es damit vorerst keine Zahlungen des Bundes an die Länder für Versorgung, Unterbringung, Integration. Und keine Vereinbarung für die Zukunft.
Das gefiel am Freitag auch den Kommunen nicht. „Leider konnte keine dauerhafte und nachhaltige Verabredung mit dem Bund über die Finanzierung getroffen werden, die über 2022 hinausreicht“, sagte Städtetagspräsident Markus Lewe. „Und es wurde die Entscheidung vertagt, wie sich der Bund an den Kosten der Integration beteiligt. Das verursacht Planungsunsicherheit in den Kommunen.“
Auch Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) drang nicht richtig durch mit ihrem Anliegen, den Ländern, in denen derzeit besonders viele Kriegsflüchtlinge ankommen, eine zusätzliche konkrete Bundesleistung herbeizuverhandeln. Scholz gestand nur zu, „zügig eine besondere Kompensation“ zu finden.
Finanzierung über Grundsicherung
Dass die Geflüchteten aus der Ukraine nun über die Grundsicherung finanziert werden, hatte der Bund schon vorab zugesagt – eine deutliche Erleichterung, denn deren Kosten trägt der Bund. Vom 1. Juni an wird das der Fall sein, eine sofortige Übernahme – wie von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) vor einer Woche angekündigt - lässt sich wegen der nötigen Gesetzgebung nicht machen. Daher bekommen Länder (und anteilig dann die Kommunen) zwei Pauschalzahlungen in Höhe von jeweils 500 Millionen Euro vom Bund für die Kosten der Unterkunft und die Lebenshaltungskosten, die bis dahin aufgelaufen sind.
Zusätzlich gibt der Bund eine Milliarde Euro für Kinderbetreuung, Beschulung, Gesundheitsversorgung und Pflegekosten (denn ein Teil der Geflüchteten stammt aus Heimen). Macht zusammen zugesagte zwei Milliarden Euro und die Aussicht auf mehr demnächst oder irgendwann. Besser als nichts, hat sich dann offenkundig die Mehrheit in der MPK gedacht und auf Protokollerklärungen verzichtet. Schließlich ist Krieg – eine Formel, die offenbar mehrfach in der Runde genutzt wurde, um längere Debatten zu unterbinden.
Andere Probleme
Zumal es noch andere kriegsbedingte Probleme gibt als die Finanzierung der Geflüchteten. Verteilung der Ankommenden, Sicherheit der Stromversorgung, bezahlbare Energie, Ernährungssicherheit, die Folgen der Wirtschaftssanktionen standen ebenfalls auf der Agenda. Dazu gab es vier Protokollerklärungen. Bayern verlangte eine bessere Registrierung aller Flüchtlinge, Sachsen erhob Einspruch gegen weitere Embargomaßnahmen bei Erdgas, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen forderten „wirksame Anreize“ (also mehr Bundesmittel) beim Ausbau erneuerbarer Energien und eine Siebener-Koalition gab zu bedenken, dass Hindernisse bei der nun wieder nötigen Ausweitung von Ackerbauflächen beseitigt werden müssten.