Der Atlantik als starke Wirtschaftsbrücke: Verflechtung mit USA weit größer als mit China
Warum Europa und Amerika weiterhin die bedeutendste ökonomische Partnerschaft der Erde bilden. Eine Analyse.
Europa und die USA bleiben die mit Abstand wichtigsten Wirtschaftspartner füreinander – trotz Chinas Aufstieg, trotz der Irritation durch die Präsidentschaft von Donald Trump und trotz der Dämpfer durch die Corona-Rezession. Deutschland bildet mit einem Anteil von mehr als einem Viertel am transatlantischen Austausch das Rückgrat dieser ökonomischen Zugewinngemeinschaft. Das belegt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft, das die Atlantik-Brücke mit der Autorin
Galina Kolev und dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Norbert Röttgen (CDU), am Montag in Berlin vorstellte.
Demnach basiert die verbreitete Vorstellung, dass die ökonomische Zukunft in der Kooperation mit China liege, auf einem Missverständnis der treibenden Kräfte. Beim Austausch von Waren liegt China mit 213 Milliarden Euro (2020) an der Spitze des deutschen Außenhandels, dies aber auch wegen eines Handelsdefizits zu deutschen Lasten.
Importen aus China im Wert von 117 Milliarden Euro stehen deutsche Exporte von 96 Milliarden Euro gegenüber. Bei den deutschen Ausfuhren belegen die USA den ersten Platz mit 104 Milliarden (2020), bei den Importen Platz drei mit 68 Milliarden.
Dienstleistungen und Knowhow als Treiber der neuen Trends
Die Treiber der „neuen Art der Globalisierung“ sind aber andere Kräfte als der Warenhandel, voran Dienstleistungen und Knowhow. Bei diesem Austausch liegen die EU und die USA in ihrer Bedeutung füreinander um Dimensionen vor China. Die EU exportiert fast vier Mal so viele Dienstleistungen in die USA wie nach China. Die Dienstleistungsimporte der EU aus den USA sind sogar fast sieben Mal so hoch wie die aus China.
Eine besondere Rolle spielen darüber hinaus Tochterfirmen europäischer Unternehmen in den USA und von US-Konzernen in der EU: sogenannte Foreign Affiliates. Der Umsatz der europäischen Niederlassungen in den USA war 2018 fast vier Mal höher als in China. Tochterfirmen amerikanischer Unternehmen in der EU verbuchten im selben Jahr fast dreizehn Mal mehr Umsätze als in China.
Diese und andere Zahlen bestätigen die herausragenden Voraussetzungen für eine enge transatlantische Zusammenarbeit, betont die Atlantik-Brücke. Es sei jedoch entscheidend, dass die nächste Bundesregierung der Wirtschaftspartnerschaft mit den USA Priorität einräume und das gute Verhältnis zu US-Präsident Joe Biden nutze, um die ökonomischen Beziehungen weiter zu verbessern.
Investitionen prägen die Zukunft, weniger das Handelsvolumen
Die Studie stützt sich auf die Vorarbeit des amerikanischen Europaexperten Dan Hamilton und des Ökonomen Joseph Qinlan, die Jahr für Jahr einen Bericht über die Trends der „Transatlantic Economy“ herausgeben. Investitionen und Dienstleistungen treiben demnach den Wirtschaftsaustausch dynamischer voran als der Handel mit Waren.
Wichtige Indikatoren sind Investitionen in Forschung und Entwicklung außerhalb des eigenen Landes und der Datenaustausch. In allen diesen Aspekten liegen die Verflechtungen zwischen der EU und den USA weit vor den jeweiligen Kooperationen mit China.
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Die USA sind die größte Quelle von Foreign Direct Investment (FDI) in der EU, sie erreichten 2019 die Summe von 2003 Milliarden Euro. Der Wert für China in der EU im selben Jahr: 69 Milliarden Euro. Umgekehrt betrug die Summe der Investitionen europäischer Firmen in den USA 2161 Milliarden Euro, elf Mal mehr als in China. Parallel wächst die Frustration deutscher Unternehmer über China.
Das Herz der digitalen Welt schlägt in Amerika und Europa
Der Datentransfer über den Atlantik ist um 55 Prozent größer als der zwischen den USA und Asien. 75 Prozent des weltweiten digitalen Content wird in der EU und den USA produziert. Die Forschungsausgaben amerikanischer Firmen liegen in fast allen EU-Ländern um ein Vielfaches über denen chinesischer Firmen. Die einzige Ausnahme ist Schweden, nachdem China Volvo übernommen hat.
3,4 Millionen EU-Bürger verdienen ihr Einkommen bei Tochterfirmen von US- Konzernen in Europa, darunter 686.000 Deutsche. Umgekehrt arbeiten 3,7 Millionen US-Bürger bei Firmen im Besitz europäischer Unternehmen, 880.000 davon bei Tochterfirmen deutscher Betriebe.
Empfehlungen an die Politik
Die Corona-Rezession hat den Warenaustausch zwischen der EU und den USA gedämpft, von annähernd 600 Milliarden Euro 2019 auf 550 Milliarden Euro 2020. Laut Transatlantic Business Barometer, einer Erhebung der US-Handelskammer AmCham in Deutschland, rechnen 75 Prozent der Firmen im laufenden Jahr mit einem deutlichen Zuwachs. 60 Prozent wollen ihre Aktivitäten in Deutschland ausbauen. Dies gilt besonders für die Bereiche Energie und Gesundheit.
Die ökonomischen Bande haben sich als stark genug erwiesen, um die Trump-Präsidentschaft zu überstehen. Sie könnten noch besser werden, so empfiehlt die Studie, wenn EU und USA eine Reform der Welthandelsorganisation WTO vorantreiben, Zölle und nicht-tarifäre Barrieren abbauen, Industrienormen harmonisieren und Zukunftstechnologien vom Gesundheitssektor über Klimaschutz bis IT-Sicherheit gemeinsam entwickeln.