Neuer Chef Thomas Haldenwang: Verfassungsschutz verstärkt Kampf gegen Rechtsextremismus
Der neue Geheimdienstchef Haldenwang will die Zahl der Agenten, die sich der Gefahr von rechts widmen, um 50 Prozent erhöhen. Kritisch sieht er die AfD.
Der neue Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, hat einen verstärkten Kampf gegen den Rechtsextremismus angekündigt. Die Zahl der Agenten seiner Behörde, die sich der Gefahr von rechts widmen sollten, werde im kommenden Jahr um 50 Prozent aufgestockt, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. Die Mitarbeiterzahl der relevanten Abteilung wollte Haldenwang nicht nennen: „Zu den Zahlen äußere ich mich nicht, sie sind geheim“, sagte er. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung umfasst der Bereich aktuell 200 Mitarbeiter.
In den vergangenen Monaten war der Verfassungsschutz unter seinem inzwischen in den einstweiligen Ruhestand versetzten ehemaligen Präsidenten Hans-Georg Maaßen vielfach dafür kritisiert worden, er nehme die Gefahr von rechts nicht ernst genug.
Haldenwang wies dies zurück. In den vergangenen Jahren seien aufgrund der Bedrohungslage viele Kapazitäten in den Bereich islamischer Terrorismus geflossen. „In der öffentlichen Wahrnehmung ist unsere Arbeit im Bereich Rechtsextremismus vielleicht zu kurz gekommen, sie hat aber stattgefunden“, sagte Haldenwang. „Jetzt haben wir mehr Ressourcen bekommen, sodass es noch besser möglich ist, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen.“ Sein Ziel sei es, die Rechtsextremismus-Abteilung auf eine ähnliche Größe zu bringen wie die, in der es um islamistischen Terror geht. Die Aufstockung soll nach Angaben des Bundesinnenministeriums vom Freitag aus bestehenden Mitteln bestritten werden.
Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte am Freitag in München, er könne Haldenwangs Ankündigung „nur begrüßen“. Das mache auch deutlich, dass die politische Aussage stimme, dass man gegen Rechtsradikalismus mit aller Entschiedenheit vorgehe. „Darum passt das in meine gesamtpolitische Philosophie“, erklärte Seehofer.
SPD, FDP und Grüne begrüßten die Ankündigung ebenfalls. Für die Liberalen forderte deren Innenexperte Konstantin Kuhle in der „Märkischen Oderzeitung“: „Die Landesämter für Verfassungsschutz sollten diesem Signal schnellstmöglich folgen und ebenfalls weitere Stellen in den jeweiligen Rechtsextremismus-Abteilungen schaffen.“ Die Linke, die den Verfassungsschutz ablehnt, kritisierte dagegen die Entscheidung: „Dass der Inlandsgeheimdienst nun mehr Personal bekommen soll, klingt für mich wie eine Drohung“, sagte ihre innenpolitische Fraktionssprecherin Ulla Jelpke der Zeitung.
Haldenwang erklärte: „Es gibt seit einiger Zeit eine neue Dynamik im Rechtsextremismus.“ Darauf müsse man reagieren. Die Ereignisse in Chemnitz, wo sich Ende August und Anfang September „normale Demonstranten“ neben Rechtsextremisten eingereiht hätten, zeigten beispielhaft, wie anschlussfähig ausländerfeindliche Hetze inzwischen sei – „nicht nur im Osten“. Haldenwang beschrieb eine „Mobilisierung nach klarem Muster“, die sich in Chemnitz „wie unter einem Brennglas“ gezeigt habe. Oft beginne es mit einem „Trigger-Ereignis“. In Chemnitz war dies die Tötung eines Deutschen.
„Wir zählen insgesamt 24 000 Rechtsextremisten - Tendenz steigend“, sagte Haldenwang. „Mehr als die Hälfte von ihnen sind gewaltorientiert.“
Im Hinblick auf Äußerungen aus der AfD zum Thema Flüchtlinge und Migranten sagte Haldenwang: „Wenn eine Partei im Deutschen Bundestag diese Debatte immer wieder lautstark befeuert, dann kann auch dies dazu beitragen, dass der Rechtsextremismus neue Anhänger findet.“ Im Januar werde das Bundesamt über den Umgang mit der AfD entscheiden. Schon allein die Debatte um eine drohende Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz habe die Partei motiviert, sich von „extremistischen Teilgruppierungen“ zu trennen, sagte Haldenwang.
Haldenwang war im November zum neuen Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes ernannt worden. (dpa, AFP)