Gerichtsurteil: Verfassungsschutz darf AfD nicht als "Prüffall" bezeichnen
Der Verfassungsschutz hatte die AfD im Januar zum Prüffall deklariert. Eine Bezeichnung, die nicht erlaubt ist, hat das Verwaltungsgericht Köln entschieden.
Die AfD hat sich im Rechtsstreit mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) durchgesetzt – zumindest in erster Instanz. Das Verwaltungsgericht Köln hat am Dienstag dem Eilantrag der Partei stattgegeben, dem BfV zu untersagen, die AfD weiterhin als „Prüffall“ für eine Beobachtung zu bezeichnen. Der Bezeichnung als Prüffall komme in der Öffentlichkeit eine "negative Wirkung" zu, erklärte das Gericht. Dieser Eingriff in die Rechte der AfD sei mangels Rechtsgrundlage "rechtswidrig und auch unverhältnismäßig". Da die Behörde eine Unterlassungserklärung abgelehnt habe und sein Vorgehen für rechtmäßig halte, bestehe auch Wiederholungsgefahr.
Dem Antrag sei daher bereits im Eilverfahren stattzugeben gewesen, weil in diesem Jahr noch Europawahlen und Landtagswahlen anstünden. Gegen den Beschluss des Verwaltungsgericht kann Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster eingelegt werden. Die Rechtspopulisten hatten den Antrag Anfang Februar eingereicht, weil sie sich diskreditiert fühlen.
Weiteres Vorgehen des BfV noch unklar
Der Präsident des BfV, Thomas Haldenwang, hatte Mitte Januar in Berlin verkündet, die Gesamtpartei AfD werde „als Prüffall bearbeitet“. Das Bundesamt will sich nun den Beschluss der 13. Kammer des Verwaltungsgerichts erstmal genau anschauen. Ob sich die Behörde an die nächste Instanz wendet, das Oberverwaltungsgericht Münster, ist offen. Der rechtspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Roman Reusch, kündigte gegenüber dem Tagesspiegel an, notfalls werde die Partei bis zum Bundesverfassungsgericht mit dem Verfassungsschutz streiten.
Die Hoffnung der Rechtspopulisten auf eine Niederlage des Bundesamtes war zuletzt angesichts eines Gutachtens der Wissenschaftlichen Dienste (WD) des Bundestages gestiegen. In dem Papier, das die AfD-Fraktion in Auftrag gegeben hatte, bewerten die WD die öffentliche Bezeichnung der AfD als Prüffall durch das Bundesamt als Eingriff in die Chancengleichheit der Parteien. Die AfD selbst setzte allerdings auf ihrer Website einen Link zur Internetplattform netzpolitik.org, die das Gutachten des BfV komplett veröffentlicht hatte.
Haldenwang hatte im Januar mitgeteilt, es lägen „erste tatsächliche Anhaltspunkte für eine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgerichtete Politik der AfD vor“. Der BfV-Präsident verwies auf Aussagen von Parteifunktionären und weiteren Mitgliedern, „die mit der Garantie der Menschenwürde unvereinbar sind“. Dies betreffe „sowohl völkisch-nationalistische wie auch muslimfeindliche und andere fremden- und minderheitenfeindliche Aussagen“.
Als ein Beispiel von vielen wird im Gutachten des Bundesamtes AfD-Chef Alexander Gauland mit der diffamierenden Behauptung zitiert, bei Migranten handele es sich „fast ausnahmslos um ungebildete, zu großen Teilen stammesgesellschaftlich erzogene und bis zur Arbeitsunlust fromme Personen“. Für eine Beobachtung der AfD unter Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel, zum Beispiel V-Leute, reichten dem Bundesamt die Indizien allerdings nicht. Bei zwei Vereinigungen in der AfD hingegen schon.
Das Bundesamt erklärte die Nachwuchsorganisation „Junge Alternative (JA)“ und die Gruppierung „Der Flügel“ zum Verdachtsfall. Über beide Vereinigungen sagte Haldenwang wortgleich, es lägen „hinreichend gewichtige Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich um eine extremistische Bestrebung handelt“. Im zentralen politischen Programm der JA, dem „Deutschlandplan“, und in Äußerungen von Funktionären fänden sich „Positionen, die die Menschenwürdegarantie eindeutig verletzen“. Haldenwang hielt der JA auch vor, sie richte sich gegen das Demokratieprinzip. Außerdem würden in der „JA-Programmatik“ rechtsstaatliche Grundprinzipien wie das Gewaltmonopol des Staates missachtet.
Bei dem vom Thüringer AfD-Chef Björn Höcke geführten „Flügel“ sieht das Bundesamt ähnliche Symptome wie bei der JA. Und Haldenwang betonte, „die Relativierung des historischen Nationalsozialismus zieht sich zudem wie ein roter Faden durch die Aussagen der ,Flügel’-Vertreter“. (mit AFP)