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Beim Kampf gegen die Brände wirkte Morrison über Monate zu zögerlich. Betroffene gemeinde besuchte der Premier erst spät.
© James ROSS/AFP

Scott Morrison in der Kritik: Verbranntes Terrain für Australiens Regierungschef

In Australien wüten fast 200 Feuer, viele sind außer Kontrolle. Nach missglücktem Katastrophenmanagement wächst die Kritik an Premier Scott Morrison.

Während sein Land brannte, reiste Australiens Premierminister Scott Morrison zum Urlaub nach Hawaii. Erst nach einem öffentlichen Aufschrei kehrte er zurück. Später spielte er die Krise mit Worten runter, wie „solche Katastrophen“ habe es „schon immer“ in Australien gegeben. Über Neujahr empfing er Cricketspieler in Sydney, während die Feuerwehr vor Ort ihr Leben riskierte. Morrison entschuldigte sich – doch in Australien wächst der Unmut über den Regierungschef.

Als Morrison mit Tagen Verspätung schließlich die ersten betroffenen Gemeinden besuchte, hatten Buschfeueropfer und Feuerwehrleute nur noch wenig freundliche Worte für ihn: Der Premier wurde als „Idiot“ beschimpft. Ein Feuerwehrmann mochte ihm nicht die Hand geben. Einer Schwangeren war auch nicht danach: „Ich will nicht wirklich Ihre Hand schütteln.“ Morrison machte es gegen ihren Willen trotzdem. Solche Bilder wird ein Regierungschef schlecht wieder los.

Beim Kampf gegen die Brände wirkte Morrison über Monate zu zögerlich. Zu dem missglückten Besuch im Feuergebiet sagte sogar ein Politiker aus seiner eigenen Partei, dass er den Empfang bekam, den er „wahrscheinlich verdient“ habe.

Am Sonntag brannten weiterhin rund 200 Feuer, viele davon waren außer Kontrolle. Die Zahl der Todesfälle seit Beginn der Brandsaison stieg auf 24. Mehr als 1500 Häuser und Gebäude wurden seit September beschädigt. Im gesamten Land wurde inzwischen eine Fläche von der Größe Irlands zerstört. Allerdings sanken am Sonntag die Temperaturen leicht, blieben aber vielerorts weiter über 40 Grad.

Die Zahl der Todesfälle seit Beginn der Brandsaison stieg auf 24. Mehr als 1500 Häuser und Gebäude wurden seit September beschädigt.
Die Zahl der Todesfälle seit Beginn der Brandsaison stieg auf 24. Mehr als 1500 Häuser und Gebäude wurden seit September beschädigt.
© Tracey Nearmy/REUTERS

„Der größte Notfall, den wir jemals hatten“

„Ich kann ehrlich sagen, dass ich noch nie eine solche Feueraktivität gesehen habe“, sagte Dean Gray, der 18 Jahre als Berufsfeuerwehrmann gearbeitet hat. „Dies ist der größte, der absolut größte Notfall, den wir jemals hatten“, bestätigte auch John White, Bürgermeister von East Gippsland, einer Region im Südosten des Landes, die besonders schlimm betroffen ist. Während südlich von Sydney nach wie vor Tausende aufgerufen sind, sich in Sicherheit bringen zu lassen, holte im Bundesstaat Victoria die Marine eingeschlossene Menschen aus den Feuerregionen heraus. 25 Orte in der Region sind nach wie vor wegen der Feuer oder weil Brücken zerstört wurden, nicht erreichbar. Hier warf das Militär Satellitentelefone, Lebensmittel und Verhaltensanweisungen aus der Luft ab. Tausende Atemmasken sollen in den kommenden Tagen an Rettungskräfte, Polizei und all die Menschen verteilt werden, die in den betroffenen Regionen bleiben wollen.

Australien ist Kohle-Land

Neben der Armee wurden inzwischen 3000 Reservisten eingezogen, die helfen sollen, die Lage unter Kontrolle zu bringen, wie Premier Morrison verkündete – allerdings ohne die Feuerwehrchefs zu informieren. Morrison zufolge soll eine neue nationale Agentur bei den Folgen der Katastrophe helfen. Vier neue Flugzeuge sollen zudem im Kampf gegen die Feuer eingesetzt werden. Für viele Feuerwehrleute sei das jedoch „zu wenig, zu spät“, sagt der ehemalige Feuerwehrmann Gray. Ihn ärgert besonders, dass ehemalige Feuerwehrchefs den Premierminister bereits im April treffen wollten, um ihre Besorgnis über die anstehende Buschfeuersaison zum Ausdruck zu bringen. Morrison hatte ein Treffen damals jedoch abgelehnt.

Seit Monaten gucken die Australier, wie sich ihre Regierung in dieser gewaltigen Naturkatastrophe schlägt. Die Feuer sind viel schlimmer als sonst, was viele mit dem Klimawandel in Zusammenhang bringen. Australien ist ein Kohle-Land. Morrison (51), ein konservativer Evangelikaler, der sich 2019 bei der Wahl überraschend durchgesetzt hat, gilt als Freund dieser milliardenschweren Industrie. Für das Land ist die Kohle der wichtigste Export-Faktor. Bei der Klimakonferenz im Dezember in Madrid galt Australien bei den Verhandlern und Umweltschützern als Bremser. Morrison gerät nun wegen der Brände in der Klimawandel-Debatte in Erklärungsnot. „Ich verstehe die Angst, ich verstehe die Frustration, aber das ist eine Naturkatastrophe, die am besten auf ruhige, systematische Art behandelt wird“, sagt der Premier. Er nehme die Erderwärmung ernst. Seinen Kurs will er aber nicht auf Kosten der Wirtschaft ändern.

„Eine der schlimmsten Lagen, die das Land je erlebt hat“

Viele Australier sind sauer – so wie Steve Halcroft aus der Hauptstadt Canberra, wo die Luftverschmutzung durch die Feuer so schlimm ist, dass die Schutzmasken knapp wurden. Halcroft musste während seines Urlaubs die Evakuierungen an der Südostküste mitmachen. Er saß 17 Stunden fest, mit Hunderten von Autos, ohne Essen und Trinken. „Ich bin sehr wütend auf diesen Premierminister, weil er nichts dagegen gemacht hat. Später habe ich in den Fernsehnachrichten gehört, dass er mit einem Cricket-Event in Sydney beschäftigt war.“ Er ärgert sich, dass Morrison nicht früher das Militär eingesetzt hat.

Was den Zorn auf Morrison ausgelöst hat? Die Politikwissenschaftlerin Blair Williams von der Australischen Nationaluniversität in Canberra sagt: seine Abwesenheit und sein Nicht-Handeln. „Alles in allem zeigt es dem durchschnittlichen Australier, dass er nicht für sie da ist, in einer der schlimmsten Lagen, die das Land je erlebt hat.“ (mit dpa)

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