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Lengsfeld-Wahlplakate 2009 - damals hatte die CDU-Politikerin zum letzten Mal für den Bundestag kandidiert
© Philipp Guelland/ddp

Anschläge in Brüssel: Vera Lengsfeld, Merkel und die Schuld am Terror

Merkel habe "alles dafür getan, dass der Terror in Europa Fuß fassen kann", erklärte die Ex-CDU-Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld auf Facebook. "Aus Versehen", wie sie später behauptete.

Die Schlussfolgerungen von Lengsfeld sind in Ordnung. Warum ist sie aber feige und bekennt sich nicht dazu? Als DDR-Bürgerrechtlerin hat sie sicher schon ganz andere Repressionen erlebt, als einen Shitstorm über Twitter.

schreibt NutzerIn sWinkler

Die ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld hat Kanzlerin Angela Merkel auf Facebook die Schuld an den Anschlägen am Dienstag in Brüssel gegeben. Auf ihrer Facebook-Seite schrieb sie am Vormittag unter anderem, Merkel habe "alles dafür getan, dass der Terror in Europa Fuß fassen kann" und fügte sarkastisch an: "Lasst uns Angela Merkel feiern, sie hat es geschafft!" Später löschte sie ihren Post in dem sozialen Netzwerk und distanzierte sich von der Aussage.

Die seltsame Erklärung der ehemaligen Politikerin lautet: Sie habe lediglich einen Artikel der österreichischen "Kronen-Zeitung" zum Terror in Brüssel teilen wollen, "aus Versehen" aber auch die Kommentierung einer anderen Facebook-Nutzerin mit verbreitet. Wenn diese Darstellung so stimmen sollte, müsste sie deren Text mit Copy and Paste übernommen haben. Sonst nämlich wäre der Urheber angezeigt worden.

Die Ereignisse in Brüssel habe sie "in keiner Weise" bewerten wollen, sagte Lengsfeld dem Tagesspiegel weiter. Sie mache sich den von ihr zunächst verbreiteten Kommentar mit den Vorwürfen gegen Merkel auch nicht zu eigen. Aufmerksam auf das von ihr behauptete Versehen wurde die Ex-Bundestagsabgeordnete eigenen Angaben zufolge durch Presseanfragen: "Natürlich habe ich das gelöscht. Hätten Sie das nicht gemacht?" Wer die Sätze über Merkel formuliert haben soll, sagte Lengsfeld nicht. "Ich habe 5000 Facebook-Freunde. Ich kenne nicht jeden von ihnen. Ich erinnere mich, dass es eine Frau war."

Am späteren Nachmittag war das Facebook-Profil von Lengsfeld zeitweilig überhaupt nicht mehr erreichbar.

Der Fall erinnert an die AfD-Europaabgeordnete und Berliner Landesvorsitzende Beatrix von Storch, die in der Debatte um die europäische Grenzsicherung auf Facebook erklärt hatte, an den Grenzen sollten auch Frauen mit Waffengewalt am Grenzübertritt gehindert werden. Später rechtfertigte sich von Storch mit dem Hinweis, sie sei lediglich auf der Computer-Maus ausgerutscht.

CDU: Äußerung ist pietätlos und völlig daneben

Die fremdenfeindliche Pegida-Bewegung hatte die Wortmeldung von Lengsfeld begrüßt. Sie teilte den Facebook-Post der ehemaligen Bundestagsabgeordneten mit dem Kommentar: "Vera Lengsfeld bringt es auf den Punkt!" Die Partei von Lengsfeld - sie ist dort inzwischen nur noch einfaches Mitglied - ist hingegen alles andere als erfreut. "Diese Äußerung ist pietätlos und völlig daneben", hieß es auf Tagesspiegel-Anfrage aus der CDU-Bundesgeschäftsstelle.

Lengsfeld, die als Beruf Publizistin angibt, äußert sich seit Monaten immer wieder positiv über Pegida - und kritisch zur Flüchtlingspolitik von Merkel. "Die CDU, der ich beigetreten bin 1996, die gibt's nicht mehr, und zwar restlos nicht mehr", sagte sie vor einem Jahr bei einer Veranstaltung der "Preußischen Allgemeine Zeitung", offizielles Organ der Landsmannschaft Ostpreußen.

Eine ehemalige Merkel-Gefährtin, von deren politischen Wirken einzig ein eher peinliches Plakat in Erinnerung bleibt, schreibt etwas auf Facebook und löscht es dann wieder. Müssen wir das wirklich wissen?

schreibt NutzerIn woerlitzer
Der inzwischen gelöschte Facebook-Post von Vera Lengsfeld
Der inzwischen gelöschte Facebook-Post von Vera Lengsfeld
© Screenhot: Matthias Meisner

"Wenn zig tausend Menschen auf die Straße gehen, dann gibt es offensichtlich Probleme", erklärte sie ebenfalls vor etwa einem Jahr im Gespräch mit der "Thüringischen Landeszeitung". Die Politik habe die Aufgabe, sich um diese Probleme zu kümmern. "Die Probleme werden nicht aus der Welt geschafft, indem man die Leute alle abqualifiziert als Idioten, Nazis...", sagte sie damals.

Mancher Beobachter der Demos störte sich daran, dass bei Pegida "Wir sind das Volk" gerufen wird. Lengsfeld sagte, dieser Ruf sei als Reaktion auf die Behauptung zu verstehen, die Demonstranten seien durchweg Rechtsradikale. Für sie ist klar: "Die Menschen, die jüngst in Dresden auf der Straße waren, sind genauso ein Durchschnitt der Bevölkerung wie damals in Leipzig, als dieser Ruf geboren wurde. Von daher sehe ich keinen Missbrauch. Sie können das genauso rufen, wie andere das gerufen haben", sagte Lengsfeld mit Blick auf das Jahr 1989.

Wenn ihr neuerdings AfD-Nähe nachgesagt wird, nennt sie das "eine aus der Luft gegriffene Behauptung", an der nichts Wahres sei. Sie habe einzig gesagt, man solle "die AfD genauso behandeln wie jede andere Partei, die sich neu gegründet hat, wie etwa die Piraten. Man ist doch mit der SED-Linken auch vernünftig umgegangen." Bei der CDU und für die Konrad-Adenauer-Stiftung sei sie oft im Einsatz und als Referentin gefragt. Dabei solle es bleiben. "Ich strebe kein politischen Mandat an - und zwar auf keine Ebene."

Lengsfeld saß von 1990 bis 2005 im Bundestag, zunächst für die Grünen, ab 1996 für die Unionsfraktion. 2009 probierte sie es im Berliner Wahlkreis Kreuzberg/Friedrichshain/Prenzlauer Berg-Ost erneut mit einer Bewerbung um ein Direktmandat, bekam aber nur 11,6 Prozent der Erststimmen. Es war das schlechteste Ergebnis aller Direktkandidaten bundesweit.

Lengsfelds 44 Jahre alter Sohn Philipp sitzt seit Oktober 2013 für die Berliner CDU im Bundestag. Wie auch seine Mutter war er früher Mitglied der Grünen. Die politische Äußerungen von Vera Lengsfeld will er nicht kommentieren, wie er bereits im Februar deutlich machte. Damals schrieb er auf Twitter: "Familie ist Familie, aber als MdB Lengsfeld muss und werde ich nicht jetzige Arbeit der Publizistin Lengsfeld bewerten oder interpretieren."

Am Dienstag schrieb Philipp Lengsfeld auf Twitter, es gebe keinerlei Grund und keine Rechtfertigung, die Kanzlerin oder die Bundesregierung mit Terror in Brüssel zu assoziieren. Der Vorgang sei für ihn "auch nicht so leicht". Er habe seiner Mutter "schon seit längerem sehr eindringlich geraten, ihr Facebook-Profil zu löschen".

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