Ein Jahr nach Chavez’ Tod: Venezuela kommt nicht zur Ruhe
Ein Jahr nach dem Tod von Hugo Chavez ist die Lage in Venezuela weiter dramatisch. Nachfolger Nicolás Maduro schafft die wirtschaftliche und politische Wende nicht, die Demonstrationen gehen weiter. Dafür hat der Präsident aber offenbar skurrile Träume.
Vor genau einem Jahr starb Hugo Chavez, ehemaliger Präsident Venezuelas und Idol des südamerikanischen Sozialismus’. Nach fast 15 Jahren Amtszeit hinterließ er ein tief gespaltenes Land an einen überforderten Nachfolger.
Kritiker warfen ihm einen fragwürdigen Personenkult vor und beschrieben ihn als Autokraten, der die Wirtschaft ruinierte. Doch vor allem die ärmeren Bevölkerungsschichten verehren den Ex-Oberstleutnant über seinen Tod hinaus, weil der den Ölreichtum des Landes für Sozialprogramme nutzte. Zudem stemmte sich der "Comandante" nach dem Amtsantritt 1999 gegen eine korrupte Elite-Regierung, die die Armen noch ärmer machte und deren Rechte missachtete. Auf diese Weise stieg Chavez neben Kubas Revolutionsführer Fidel Castro zur Leitfigur der lateinamerikanischen Linken. Getragen von seiner Popularität gewann er Wahl um Wahl.
1999 trat Chávez mit 44 Jahren als jüngster Präsident Venezuelas das Amt erstmals an. Nach Einführung einer neuen Verfassung gewann er auch 2000 mit klarer Mehrheit die Präsidentschaftswahl. 2002 überstand er einen Putsch. 2006 gewann er die nächste Wahl und am 7. Oktober 2012 triumphierte er mit über 55 Prozent so klar, dass die Opposition den Sieg rückhaltlos anerkannte.
"Wir werden siegen"
Immer wieder konnte Chávez zu Recht "Venceremos" (Wir werden siegen) rufen - und das zum Ärger seines "Lieblingsfeindes", den USA, die der wortgewaltige Venezolaner kategorisch als "Yankee-Imperium" titulierte. Freundschaften pflegte er hingegen in seiner Regierungszeit zu zweifelhaften Kollegen wie Mahmud Ahmadinedschad (Iran), Syriens Baschar al Assad, Libyens Revolutionsführer Muammar al Gaddafi und Alexander Lukaschenko (Weißrussland). Die Castros auf Kuba waren bis zur allerletzten Stunde engste Weggefährten.
Chavez musste sich weder der Opposition noch Putschisten beugen, sondern letztlich nur der Krankheit. Von seinem Wunsch nach einem einheitlichen sozialistischen Venezuela aber ist das Land am ersten Todestag weiter entfernt als zu dessen Lebzeiten.
Chavez - als Vogel erschienen?
Nicolás Maduro, politischer Ziehsohn und Nachfolger des "Comandante", tritt derweil in erster Linie durch skurrile Geschichten und Fauxpas in Erscheinung. Weltweite Beachtung fand besonders seine Behauptung, der ehemalige Staatschef sei ihm als Vogel erschienen. Voller Hingabe - untermalt von Vogelgezwitscher und dem Flattern von Flügeln - berichtete er von den außergewöhnlichen Begegnungen. Seine politische Führung lässt hingegen jenen Elan vermissen. Das Land wartet vergeblich auf dringend benötigte Reformprozesse und versinkt immer weiter im Chaos.
Die Proteste der anfangs überwiegend studentischen Demonstranten begannen Anfang Februar. Sie richten sich gegen die grassierende Kriminalität, korrupte Behörden, eingeschränkte Pressefreiheit und die Wirtschaftsmisere in dem ölreichen Land. Maduro reagierte mit Härte, 18 Menschen wurden bisher bei Straßenschlachten getötet und mehr als 260 weitere verletzt. Hunderte wurden festgenommen.
Auch am Dienstag marschierten wieder Tausende durch die Hauptstadt Caracas. In einem Stadtviertel gab es Straßenschlachten zwischen rund 300 jugendlichen Demonstranten und den Sicherheitskräften, die Tränengas und Wasserwerfer einsetzten. Am heutigen Todestag versammelte sich die Opposition zu Kundgebungen gegen den Präsidenten in mehreren Städten Venezuelas.
Nur ernsthafte politische Umbrüche werden das krisengeschüttelte Land wieder beruhigen können. Ob Maduros Vögelchen dabei helfen, darf mehr als bezweifelt werden. (mit AFP/dpa)
Tycho Schildbach
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