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Zwei Millionen Spritzen am Tag: USA glänzen mit erfolgreichem Impfprogramm

US-Präsident Biden will bis Ende Mai allen ein Impfangebot gemacht haben. Amerika legt ein Tempo vor, um das es viele Europäer beneiden. Was sind die Gründe?


Das letzte Mal, als das Messezentrum in Washington DC für eine zentrale Rolle im Kampf gegen die Corona-Pandemie ausgewählt wurde, ist schon fast ein Jahr her. Ende April 2020 ging es darum, dass die Krankenhäuser angesichts der dramatisch steigenden Infektionszahlen an ihre Grenzen gelangten.

In vielen Städten wurden daher vorsorglich Feldlazarette errichtet. In der amerikanischen Hauptstadt fiel die Wahl auf das Walter E. Washington Convention Center im Herzen der Innenstadt, bis zu 1200 Covid-19-Patienten sollten dort notfalls versorgt werden. Der Notfall trat nicht ein, auch nicht in der zweiten Welle im vergangenen Herbst.

Nun erhält das Kongresszentrum wieder eine zentrale Rolle: Seit Montag dient es den Bürgern der Stadt als eines der Massenimpfzentren, die derzeit überall in den USA eröffnet werden. Mal sind es wie in Baltimore im Nachbarstaat Maryland oder in der Metropole Atlanta (Georgia) riesige Sportarenen, mal Kongresszentren wie in Washington.

Tausende von Spritzen sollen an solchen zentralen Plätzen nun Tag für Tag – und meist auch am Wochenende – in die Oberarme impfwilliger Amerikaner gepikst werden. So soll möglichst bald die ersehnte Herdenimmunität erreicht werden, mit der wieder ein bisschen Normalität in das tägliche Leben einkehren kann.

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Das könnte in den USA tatsächlich schneller passieren, als viele erwartet haben. Amerika, das lange als Katastrophenland mit den meisten Covid-Toten herausragte (mehr als 524.000 Menschen sind hierzulande bereits an den Folgen einer Infektion gestorben – ein Fünftel der weltweit offiziell registrierten Todesfälle), legt beim Impfen nun ein Tempo vor, um das es viele Europäer beneiden.

Seit das Impfprogramm am 14. Dezember 2020 gestartet ist, sind bereits mehr als 85 Millionen Impfdosen verabreicht worden, womit 16,7 Prozent der Bevölkerung erreicht wurden. Inzwischen werden über zwei Millionen Spritzen am Tag ausgegeben, Tendenz steigend. Auch wenn es auch hier vor Ort häufig noch zu wenig Impfstoff gibt und wie in anderen Ländern die Technik beim Anmelden gerne mal zusammenbricht.

Corona-Impfung in einem Krankenhaus in Hartford, Connecticut
Corona-Impfung in einem Krankenhaus in Hartford, Connecticut
© AFP/Joseph Prezioso

Die Impfkampagne läuft so gut, dass US-Präsident Joe Biden bereits versprochen hat, bis Ende Mai genügend Impfstoff vorrätig zu haben, um jeden Erwachsenen in Amerika impfen zu können. Mit dem neuen Hilfspaket, das Milliarden Dollar für die Ausweitung der Impfkampagne vorsieht, wird sich die Lage noch verbessern.

Dass es so schnell geht, liegt zum Beispiel daran, dass die Amerikaner nun drei Impfstoffe verwenden können: Pfizer, Moderna und Johnson & Johnson. Bei letzterem, der gerade erst zugelassen wurde, reicht eine Impfung aus, die anderen beiden müssen zweimal gegeben werden. Bisher können sich die Menschen in den USA vor allem in Kliniken, Gemeindezentren, bei großen Supermarktketten und in manchen Drogerien mit angeschlossener Apotheke impfen lassen.

Zunehmend kreativ wird aber nun nach Möglichkeiten gesucht, unkompliziert so viele wie möglich impfen zu können, gerade auf dem Land geht es dabei immer öfter auch „drive-through“ – in den USA holt man sich ja nicht nur Essen und Kaffee, sondern gerne auch mal Bargeld ab, ohne aus dem Auto aussteigen zu müssen.

85 Millionen Menschen sind schon geimpft

Eine vorherige Anmeldung per Telefon, online oder auch persönlich, ist in der Regel erforderlich. Das wird auch bei den neuen großen Zentren so bleiben, betonen die Verantwortlichen. Aber genau kontrolliert wird dabei häufig nicht, ob jemand auch wirklich einen Anspruch hat – etwa wegen Vorerkrankungen, hohen Alters oder weil sein Beruf „essential“ ist, also als notwendig für das Funktionieren der Gesellschaft angesehen wird.

Als „essential“ gelten zuvorderst Gesundheitsmitarbeiter, aber auch Supermarktverkäufer, Kitabetreuer, Elektriker und Busfahrer, in einer abgestuften Form dann auch Journalisten. Oft reicht es, wenn der Anspruch angegeben wird – ganz nach der Devise: Jeder Geimpfte ist eine gute Nachricht für die Gesellschaft als Ganzes.

Die Massenimpfzentren in Washington und anderen Städten sollen dabei helfen, benachteiligte Bevölkerungsgruppen besser zu erreichen, die von der Pandemie besonders betroffen sind. In Atlanta, wo die afroamerikanische Gemeinschaft sehr unter Corona leidet, sollen nun bald schon über einen Zeitraum von acht Wochen täglich 6000 Dosen verimpft werden – selbstverständlich auch an Wochenenden.

Die US-Regierung unterstützt den Bundesstaat und andere unter anderem mit ihrer Katastrophenbehörde Fema. Dass die USA beim Impfen vergleichsweise so gut dastehen, liegt aber nicht nur am jetzigen Präsidenten Joe Biden. Auch dessen Vorgänger Donald Trump, der die Gefahren der Pandemie öffentlich häufig herunterspielte, hatte sich früh und aggressiv mit seiner „Operation Warp Speed“ darum gekümmert, dass sein Land möglichst schnell an Impfstoffe gelangen konnte.

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Biden hat das dann noch verstärkt und schon vor seiner Vereidigung erklärt, dass es erst einmal kein wichtigeres Thema für seine Regierung geben werde. Wenn das Kongresszentrum in Washington an diesem Montag nun seine Türen für Impfberechtigte öffnet, werden diese hier den neu zugelassenen Wirkstoff von Johnson & Johnson verabreicht bekommen.

Auch in den USA kommt es vor, dass ein Impfstoff dem anderen vorgezogen wird. Aber die neue Regierung tut viel dafür, um Vertrauen zu werben.

So stößt man in den sozialen Netzwerken zum Beispiel immer wieder auf Dr. Anthony Fauci, jenen Top-Virologen, den Trump ausgegrenzt hatte und der nun unter Biden wieder vorwiegend das tun darf, was er in den vergangenen Jahrzehnten meistens getan hat: über die Gefahren und den Umgang mit einer Epidemie sachlich und klar verständlich aufklären. Und ihm zufolge schützt auch der Wirkstoff von Johnson & Johnson „zu 100 Prozent“ vor einem tödlichen Verlauf einer Infektion.
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes war Anthony Faucis Doktortitel in Anführungen mit "Dr." abgekürzt, was sich an der teilweise gängigen Schreibweise in den USA orientierte. Im Deutschen ist es missverständlich. Entsprechend haben wir es angepasst.

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