Krisentreffen der Außenminister: US-Regierung will Russland nächste Woche schriftliche „Ideen“ vorlegen
Können die USA den Konflikt mit Russland entschärfen? Beide sind bereit zu weiterem diplomatischen Austausch. Nur ein Punkt ist für die USA unverhandelbar.
Getrennte Pressekonferenzen, aber wenigstens in einer Hinsicht eine ähnliche Botschaft – das ist das Ergebnis des Krisentreffens von US-Außenminister Antony Blinken mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow in Genf. Denn Washington und Moskau sind bereit zu einem weiteren diplomatischen Austausch über die europäische Sicherheitsarchitektur, wie die beiden Chefdiplomaten nach den Gesprächen im Hotel President Wilson am Freitag unabhängig voneinander erklärten.
Blinken bekräftigte aber auch in starken Worten die Drohung der USA und ihrer Verbündeten mit harten Gegenmaßnahmen für den Fall eines russischen Angriffs auf die Ukraine. An der Grenze des Landes sind 100.000 russischen Soldaten aufmarschiert. Lawrow beteuerte am Freitag erneut, seine Regierung hege keinerlei Angriffsabsichten. „Wir haben unsere Partner aus der EU und der Nato stets dazu aufgerufen, sich zu beruhigen“, spottete er: „Das ist leider nicht erfolgt.“
[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
Seine Regierung sei auch zu einem erneuten Gespräch zwischen US-Präsident Joe Biden und seinem Kollegen Wladimir Putin bereit, falls beide Seiten zu dem Schluss kämen, dass dies „der beste Weg ist, die Dinge zu lösen", versicherte Lawrow. Biden und Putin hatten Ende Dezember in einem Telefonat über die Ukraine-Krise gesprochen. Im Juni 2021 hatten sich die beiden Staatschefs persönlich in Genf getroffen.
Einen Fortschritt in der Sache gibt es laut dem US-Außenminister nicht, es seien Meinungen ausgetauscht, aber keine Verhandlungen geführt worden. „Wir haben heute keine großen Durchbrüche erwartet", sagte Blinken nach dem Treffen, das er „offen und wesentlich“ nannte: „Aber ich glaube, wir sind jetzt auf einem klaren Weg, was das Verständnis der gegenseitigen Bedenken und Positionen angeht."
Die Konfrontation im Hinblick auf die Zukunft der Ukraine zwischen Russland auf der einen, den USA und ihren Partnern auf der anderen Seite schwelt weiter und droht noch immer militärisch zu eskalieren. Zumal Moskau die Spannung noch steigert, wenn es eigene Soldaten zu einer gemeinsamen Militärübung nach Belarus entsendet und diese Woche mehrere Marinemanöver ankündigte, bei denen mehr als 10.000 Soldaten im Mittelmeer, Atlantik und in der Nordsee üben sollen.
Schweden und Finnland bestehen auch auf Recht zu Nato-Beitritt
Die russische Regierung erwartet nun schnell eine amerikanische Antwort auf ihre Forderungen, wie der betont unaufgeregte, fast stoisch wirkende Lawrow vor den Journalisten erklärte. Moskau verlangt umfassende „Sicherheitsgarantien“, unter anderem einen schriftlichen Verzicht der Nato auf eine Osterweiterung, auch die Ukraine soll dem Bündnis nicht beitreten dürfen. Zudem soll das westliche Bündnis alle ausländischen Soldaten aus allen Ländern abziehen, die bis 1997 nicht Teil des Verteidigungsbündnisses waren.
Aktuell beliebt bei Tagesspiegel Plus:
- Von einem Kater in den nächsten Suff: „Ich bin Paula, 25, Alkoholikerin“
- Interview mit einer Berliner Scheidungsanwältin: „Zweite Ehen sind oft die besseren“
- Atypisch und unselbstständig: „Wir haben momentan die unglücklichste Generation an Kindern seit dem Zweiten Weltkrieg“
- Keine Panik bei Infektion: Neun Tipps vom Arzt, um Corona besser zu überstehen
Viel Spielraum dürfte Washington bei der Formulierung seiner Antwort nicht haben. Bestimmte Grundsätze bleiben für die USA nicht verhandelbar. Dazu gehöre etwa die „Politik der offenen Tür“ der Nato. Denn gemeinsam mit den Partnern der Nato, der G7-Staaten und der EU hat die US-Regierung unmissverständlich erklärt, dass ein Aufnahmestopp für die Nato gegen das Selbstbestimmungsrecht der Nationen verstößt. Selbst die Nicht-Nato-Mitglieder Finnland und Schweden pochen auf diese Selbstbestimmung, seit Russland auch ihnen das Recht auf einen Nato-Beitritt abspricht.
Washington werde Moskau nächste Woche schriftliche „Ideen“ zur Beilegung der Krise vorlegen, kündigte der US-Außenminister an. Dabei handle es sich jedoch nicht um eine direkte Antwort auf den Forderungskatalog. Washington werde seine eigenen Vorschläge einbringen. Die USA seien bereit, die russischen Sicherheitsbedenken im gegenseitigen Einvernehmen zu adressieren, betonte Blinken. Er werde erneut mit Lawrow zusammenkommen, nachdem die Regierung in Russland die schriftliche Antwort erhalten habe.
Blinken forderte Russland erneut zum Abzug seiner Truppen von der ukrainischen Grenze auf. „Wenn Russland die Welt davon überzeugen will, dass es keine aggressiven Absichten gegenüber der Ukraine hegt, wären eine Deeskalation und der Abzug der Streitkräfte an der ukrainischen Grenze ein sehr guter Anfang", sagte er.
Nach dem Treffen von Genf bleibt für die Amerikaner und auch die Europäer die Erkenntnis, dass eine diplomatische Lösung der Krise um die Ukraine noch möglich ist. Gleichzeitig aber muss sich der Westen darauf einstellen, dass der Weg dahin weit und steinig sein wird. Ob das Ziel überhaupt erreicht werden kann, bleibt offen.