Justizausschuss berät Ukraine-Affäre: US-Rechtsexperten halten Impeachment-Verfahren gegen Trump für gerechtfertigt
Im US-Repräsentantenhaus geben Jura-Professoren ihre Einschätzung ab. Drei von ihnen sehen Voraussetzungen für ein Amtsenthebungsverfahren gegeben, einer nicht.
Mit einer ersten Anhörung im Justizausschuss des Repräsentantenhauses ist die Impeachment-Untersuchung gegen US-Präsident Donald Trump in die nächste Phase gegangen. Mehrere Rechtsprofessoren stuften dabei am Mittwoch das Vorgehen Trumps in der Ukraine-Affäre als Machtmissbrauch und als Grund für ein Amtsenthebungsverfahren an. Der Präsident selbst kritisierte die Untersuchung vom Nato-Gipfel in London aus als „Witz“.
Bei der Anhörung im Justizausschuss ging es um eine verfassungsrechtliche Bewertung von Trumps Bemühungen, die Ukraine zu Ermittlungen gegen seinen innenpolitischen Rivalen Joe Biden zu drängen. Zu der Sitzung mit dem Titel „Verfassungsrechtliche Grundlagen für ein Impeachment des Präsidenten“ waren vier Juraprofessoren als Zeugen geladen.
Die drei von den Demokraten eingeladenen Professoren sahen die Vorwürfe gegen den Präsidenten als ausreichend schwerwiegend für ein Amtsenthebungsverfahren an. Unter anderem hielten sie den Vorwurf des Amtsmissbrauchs für erwiesen.
„Eine ausländische Regierung in unseren Wahlprozess einzuladen, ist ein besonders schwerwiegender Machtmissbrauch, weil er die Demokratie selbst untergräbt“, sagte Professorin Pamela Karlan von der Eliteuniversität Stanford.
Michael Gerhardt von der Universität von North Carolina warnte: „Wenn der Kongress hier kein Impeachment vornimmt, dann hat das Impeachment-Verfahren jeden Sinn verloren.“ Die US-Verfassung habe Sicherheitsvorkehrungen getroffen, damit es keinen „König“ von Amerika gebe.
Gegenteilige Bewertung derselben Situation
Der Harvard-Professor Noah Feldman sagte, Zeugenaussagen und Beweise würden zeigen, dass Trump „schwere Verbrechen und Vergehen“ begangen habe, die eine Amtsenthebung rechtfertigen würden. Trump habe das Präsidentenamt „missbraucht“.
Der von Trumps Republikanern vorgeladene Professor Jonathan Turley von der George-Washington-Universität erklärte dagegen, es gebe keine Grundlage für ein Impeachment. So seien die Beweise gegen den Präsidenten nicht ausreichend. „Ich bin kein Unterstützer von Präsident Trump. Ich habe gegen ihn gestimmt.“ Doch hier zähle nicht die persönliche Betrachtung des Präsidenten, sondern allein die Rechtslage. Er beklagte, in der Kontroverse über ein mögliches Impeachment versuchten beide Seiten, den jeweils anderen zu verteufeln. Dies sei traurig. „Es gibt so viel mehr Wut als Vernunft.“
Die Anhörung im Justizausschuss bot auch Raum für Wortgefechte zwischen Demokraten und Republikanern. Der demokratische Ausschussvorsitzende Jerry Nadler warf Trump vor, die Sicherheit der USA für seine persönlichen politischen Interessen aufs Spiel gesetzt zu haben. „Wenn wir nicht jetzt handeln, um ihn zu kontrollieren, wird Präsident Trump nahezu sicher wieder versuchen, eine Einmischung in die Wahl für seinen persönlichen politischen Nutzern zu erbitten.“
Der Republikaner Doug Collins bezeichnete die Untersuchung dagegen als „faktenfrei“. Angetrieben werde sie von „tief sitzendem Hass“ auf Trump.
Der Geheimdienstausschuss des von den oppositionellen Demokraten kontrollierten Repräsentantenhauses hatte am Vorabend seinen Untersuchungsbericht zur Ukraine-Affäre an den Justizausschuss übermittelt. Darin ist von einer „überwältigenden“ Beweislast gegen den Präsidenten die Rede.
Trump habe mit seiner Forderung nach Ermittlungen gegen den demokratischen Präsidentschaftsbewerber Biden eine Einmischung der Ukraine in die Präsidentschaftswahl 2020 ersucht, um seine Wiederwahl zu sichern. „Der Präsident hat seine persönlichen politischen Interessen über die nationalen Interessen der USA gestellt.“ Außerdem habe der Präsident in „beispielloser“ Weise versucht, die Untersuchung des Kongresses zu der Affäre zu blockieren.
Trump: Vorgehen ist „sehr schlecht“ für die USA
Trump bezeichnete den Bericht am Mittwoch beim Nato-Gipfel als „Witz“. Das Vorgehen der Demokraten sei „sehr schlecht“ für die USA.
Der Justizausschuss muss prüfen, ob die Vorwürfe und Beweise gegen den Präsidenten ausreichend für ein Amtsenthebungsverfahren sind. Ein Impeachment ist laut der US-Verfassung bei „Verrat, Bestechung oder anderen schweren Verbrechen und Vergehen“ möglich.
Amtsenthebung gilt aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Senat als unwahrscheinlich
Der Justizausschuss dürfte bald Anklagepunkte gegen Trump formulieren. Im Raum stehen unter anderem Amtsmissbrauch, Bestechung und Justizbehinderung.
Über eine Anklageerhebung muss das gesamte Repräsentantenhaus abstimmen. Die Demokraten wollen das vor Weihnachten über die Bühne bringen. Trump wäre erst der dritte Präsident in der US-Geschichte, gegen den ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet wird.
Das Verfahren würde im US-Senat geführt. Weil dort Trumps Republikaner die Mehrheit haben, gilt es derzeit als höchst unwahrscheinlich, dass der Präsident seines Amtes enthoben wird. (AFP,dpa)