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Immer wieder Drohgebärden: Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un (hier bei einem Firmenbesuch Mitte November).
© imago/UPI Photo
Update

Nach Raketentest: US-Präsident Trump kündigt neue Sanktionen gegen Nordkorea an

Mit einem neuen Raketentest fordert Nordkorea die Staatengemeinschaft heraus. Angela Merkel spricht von einer "Provokation". Außenminister Gabriel bestellt den Botschafter ein.

Nordkorea hat seine bisher weitreichendste Interkontinentalrakete getestet, die möglicherweise bis in die USA fliegen könnte. Nach einer Pause von zweieinhalb Monaten startete Machthaber Kim Jong Un erstmals wieder eine ballistische Rakete von Pyongsong nahe der Hauptstadt Pjöngjang in Richtung Osten, wie die Führung der südkoreanischen Streitkräfte in Seoul mitteilte. Im Ausland löste der Raketentest scharfe Kritik und die Sorge vor einer weiteren Eskalation aus. China zeigte sich besorgt und rief Nordkorea und die USA zu Verhandlungen auf.

Das kommunistische Regime sieht sich damit zu Angriffen auf sämtliche Ziele in den USA in der Lage. Die "gesamten Kontinental-USA" lägen nun in Reichweite nordkoreanischer Raketen, hieß es in einer am Mittwoch im Staatsfernsehen verlesenen Erklärung. Nordkorea habe damit sein "historisches Ziel" erreicht, eine Atommacht zu werden.

Die USA und Japan widersprachen zwar der Darstellung Nordkoreas, dass der Raketentest erfolgreich verlaufen sei: Nach US-Erkenntnissen stürzte die Rakete etwa eintausend Kilometer vom Startort entfernt ins Meer, sie habe keine Gefahr für Nordamerika dargestellt. Experten zufolge handelte es sich aber um eine besonders starke Rakete mit großer Reichweite. Mit bisherigen Raketen hatte Nordkorea allenfalls den dünn besiedelten US-Bundesstaat Alaska erreichen können.

Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un würdigte den Raketentest als historisches Ereignis. Kim habe "mit Stolz erklärt, dass wir nun unser großes historisches Ziel erreicht haben, unsere staatliche Atomstreitmacht zu vervollständigen", hieß es in einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur KCNA. Mit der Waffe könne sich Nordkorea gegen "die nukleare Erpressungspolitik und die nukleare Bedrohung durch die US-Imperialisten" verteidigen.

Der neue Test stieß international auf scharfe Kritik. Der UN-Sicherheitsrat will am Mittwoch zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen. Kanzlerin Angela Merkel verurteilte „Nordkoreas neueste Provokation“ scharf. „Es ist wichtiger denn je, gegen die Bedrohung der internationalen Sicherheit durch Pjöngjang zusammenzustehen“, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit.

Außenminister Sigmar Gabriel verurteilte den Raketentest als „rücksichtsloses Verhalten“ und „enorme Gefahr“ für die internationale Sicherheit. „Dies ist ein erneuter Bruch des Völkerrechts durch Nordkorea“, erklärte der SPD-Politiker in Berlin. Gabriel forderte Nordkorea auf, die Raketentests und alle anderen Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Atomprogramm einzustellen. „Wir müssen den Druck auf Nordkorea weiter erhöhen. Nur so kann es gelingen, eine friedliche Lösung zu finden und Nordkorea zur Einsicht in die Notwendigkeit von Gesprächen zu bringen.“ Er kündigte noch für Mittwoch die Einbestellung des nordkoreanischen Botschafters ins Auswärtige Amt an, um gegen den Raketentest zu protestieren.

Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Geng Shuang, äußerte am Mittwoch in Peking "große Sorge" über den Test. Sein Land hoffe, dass alle Beteiligten sich um eine "friedliche Beilegung" des Konflikts bemühten, da es keine militärische Lösung geben könne. Der Ministeriumssprecher bekräftigte Chinas Vorschlag, dass Nordkorea seine Waffentests einstellen solle und die USA im Gegenzug ihre Militärmanöver in der Region aussetzen sollten.

Trump fordert China auf, den Druck auf Nordkorea zu erhöhen

US-Präsident Donald Trump kündigte neue Sanktionen gegen Nordkorea an. Noch am Mittwoch würden "zusätzliche bedeutende Sanktionen" gegen Pjöngjang verhängt, gab Trump über den Kurzbotschaftendienst Twitter bekannt. Trump hatte zuvor wegen des nordkoreanischen Raketenabschusses mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping gesprochen. Danach erklärte das Weiße Haus, Trump habe Peking aufgefordert, "alle verfügbaren Hebel" zu nutzen, um den Druck auf Nordkorea zu erhöhen. Trump hatte von China mehrfach verlangt, einen härteren Kurs gegenüber Pjöngjang einzuschlagen.
Nach Angaben von US-Verteidigungsminister James Mattis flog die nordkoreanische Rakete so hoch wie keine vor ihr. Wegen der großen Reichweite sei dies grundsätzlich eine Gefahr für jedes Land. Offensichtlich setze Nordkorea seine Bemühungen zum Bau einer Interkontinentalrakete fort, die sowohl die USA wie die Welt bedrohe, sagte Mattis.

Südkoreas Militär berichtete, die Rakete sei 4500 Kilometer hoch geflogen - zehnmal höher als die Umlaufbahn der internationalen Raumstation (ISS). Am Ende sei die Rakete 960 Kilometer weiter vor der Westküste Japans ins Meer gestürzt. Damit könnte sie nach Expertenansicht möglicherweise das US-Kernland erreichen, wenn sie von einem Standard-Abschusswinkel abgefeuert eine normale Flugbahn erreicht hätte. Allerdings ist weiter fraglich, ob die Sprengköpfe auf Nordkoreas Raketen auch den Wiedereinstieg in die Erdatmosphäre heil überstehen, was als besonders kritisch gilt.

Als Reaktion telefonierte Trump sowohl mit Südkoreas Präsident Moon Jae In als auch mit Japans Ministerpräsident Shinzo Abe. Südkorea reagierte nur fünf Minuten nach dem Start der Rakete mit Manövern und schoss drei Raketen für Zielübungen ins Meer. Moon warnte vor einer drastischen Verschärfung der Sicherheitslage. Falls Nordkorea weiter Raketen entwickle, die andere Kontinente erreichen könnten, „könnte es zu einer Situation kommen, die nicht mehr gut zu machen ist“, sagte Moon bei der Sitzung seines Sicherheitsrats in Seoul.

„Wir müssen verhindern, dass Nordkorea die Lage falsch einschätzt und uns mit Atomwaffen bedroht, oder dass die USA einen Präventivschlag erwägen könnten.“ Moon verurteilte den Raketentest als „rücksichtslose Provokation“, die seine Regierung nicht hinnehmen werde. Nordkorea verschärfe damit nicht nur die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel, sondern bedrohe auch den Weltfrieden. Südkorea werde seine Verteidigung ausbauen. Sein Land habe keine andere Wahl, als Nordkorea „mit bloßer Macht“ zu erdrücken.

"Sicherheit Japans und der USA bedroht"

Japans Premier Shinzo Abe verurteilte in dem Telefonat mit Trump den Raketenstart, der „die Sicherheit sowohl Japans als auch der USA bedrohe“, wie die Nachrichtenagentur Jiji Press zitierte. Beide stimmten überein, den Druck auf Nordkorea zu erhöhen. Die Regierung in Tokio gab nach Angaben von Verteidigungsminister Itsunori Onodera keinen Befehl zum Abschuss der Rakete, da man zu der Einschätzung gelangt war, dass sie weder auf japanischem Territorium noch in japanischen Hoheitsgewässern landen würde.

Die Regierung habe den Flug der Rakete vollständig verfolgen können, erklärte Abe. Sie landete nach 50 Minuten rund 250 Kilometer westlich der nordjapanischen Provinz Aomori im Meer. In den vergangenen Monaten hatte Nordkorea zwei Raketen über den Norden Japans hinweg getestet, die im Pazifik niedergegangen waren. Auch in diesen Fällen hatte Japan nicht versucht, die Raketen abzuschießen. Die Bevölkerung wurde jedoch damals mit Hilfe des Alarmsystems J-Alert gewarnt.

Der Flugkörper sei am Dienstag MEZ um 17.17 Uhr abgefeuert worden, berichtete das US-Verteidigungsministerium. Der Raketentest habe „keine Gefahr für Nordamerika, unsere Gebiete oder unsere Verbündeten dargestellt“. Die große Flughöhe und die demonstrierte potenzielle Reichweite deuten aber auf neue Fortschritte Nordkoreas bei der Entwicklung seiner Raketentechnologie hin.

USA setzten Nordkorea auf Terror-Liste

Ballistische Raketen können mit konventionellen, chemischen, biologischen oder atomaren Sprengköpfen bestückt werden. Die im antriebslosen Flug zurückgelegte Strecke - auch Freiflugphase genannt - kann bis zu zehn Mal so lang sein wie der Weg, den die Rakete mit Antrieb während der Schubphase zurücklegt. Der letzte nordkoreanische Raketentest erfolgte am 15. September.

In den vergangenen Monaten hatten sich die Spannungen in der Region deutlich verschärft, nachdem Kim Jong Un mehrfach Raketen sowie Anfang September eine weitere Atombombe getestet und damit gegen UN-Resolutionen verstoßen hatte. Die USA hatten Nordkorea vor einer Woche auf die Liste der staatlichen Unterstützer von Terrorismus gesetzt, was Pjöngjang als schwere Provokation kritisiert hatte. (AFP, dpa)

Wer könnte jetzt mit Nordkorea sprechen? Lesen Sie hier eine Analyse unseres Asien-Kenners Benedikt Voigt.

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