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Demonstranten halten vor dem saudiarabischen Konsulat in Istanbul Bilder des verschwundenen Dschemal Kaschoggi hoch.
© AFP/Ozan Kose
Update

In der Türkei verschwundener Regimekritiker: US-Geheimdienst soll im Fall Kaschoggi Saudi-Arabien verdächtigen

Ließ Saudi-Arabien den Exiljournalist und Regimekritiker Dschemal Kaschoggi ermorden? Die „Washington Post“ berichtet über entsprechende Pläne.

In der Affäre um ihren vermissten Gastautor Dschemal Kaschoggi bringt ein Artikel der „Washington Post“ die saudischen Behörden in Erklärungsnot. Demnach wurden in Riad schon vor dem Verschwinden des regimekritischen Journalisten Pläne geschmiedet, den 59-Jährigen gefangen zu nehmen und zu verhören - oder sogar zu töten. Das gehe aus Informationen des US-Geheimdienstes hervor, der die Kommunikation zwischen saudischen Regierungsvertretern ausgespäht habe, berichtete die US-Zeitung in der Nacht zum Mittwoch.

Der 59-jährige saudische Journalist und Regimekritiker Kaschoggi wird seit einer Woche vermisst. Er betrat das Konsulat seines Landes am Dienstag vergangener Woche in Istanbul, um Papiere für seine Hochzeit abzuholen, kam aber nicht wieder heraus. Nach Einschätzung türkischer Polizei- und Geheimdienstkreise wurde er im Konsulat ermordet.

Die türkischen Behörden erhoffen sich von einer Durchsuchung des saudischen Konsulats in Istanbul neue Erkenntnisse. „Die saudischen Behörden haben mitgeteilt, dass sie für eine Zusammenarbeit offen sind und das Konsulatsgebäude untersucht werden kann“, teilte der Sprecher des Außenministeriums in Ankara, Hami Aksoy, am Dienstag mit. Die Türkei hatte die Durchsuchung des Konsulats am Vortag beantragt. Zwei Staatsanwälte sollen die Durchsuchung Medienberichten zufolge leiten. Wann diese stattfinden soll, war jedoch zunächst unklar.

Der saudi-arabische Botschafter in den USA, Chalid bin Salman, wies Meldungen über den Tod oder die Verhaftung Kaschoggis als „vollkommen falsch“ zurück und versicherte, dass das Konsulat eng mit den türkischen Behörden zusammenarbeite. Nach Angaben des von Saudi-Arabien finanzierten Kanals Al-Arabija sagte er weiter, das seien „makabre Gerüchte“, die frei von Wahrheit seien. Er selbst sei ein Freund des Journalisten gewesen. Trotz Meinungsverschiedenheiten hätten sie regelmäßig in Kontakt gestanden.

Chalid bin Salman ist der Bruder des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman. Dieser gilt als der eigentlich starke Mann des Königreiches und pflegt enge Beziehungen zu Washington.

„Es kursieren einige böse Geschichten“

Erstmals äußerte sich auch US-Präsident Donald Trump zu dem Fall. „Ich bin besorgt“, sagte er am Montag im Weißen Haus. Er hoffe auf eine positive Lösung. „Im Moment weiß niemand etwas darüber, aber es kursieren einige böse Geschichten. Das gefällt mir nicht.“

Auch US-Vizepräsident Mike Pence zeigte sich „zutiefst besorgt“ über die Berichte. Sollten diese Berichte über den Tod Kaschoggis wahr sein, wäre dies „ein tragischer Tag“, twitterte Pence. „Gewalt gegen Journalisten weltweit ist eine Bedrohung der Pressefreiheit und der Menschenrechte“, schrieb er und forderte Aufklärung. „Die freie Welt hat Antworten verdient.“

Die EU-Kommission verfolgt den Fall nach Angaben eines Sprechers insbesondere mit Blick auf die „jüngsten alarmierenden Berichte“ ebenfalls genau. Wie andere aus der internationalen Gemeinschaft habe man die saudischen Behörden um Klärung gebeten und warte darauf, sagte der Sprecher am Dienstag in Brüssel.

Menschenrechtsbeobachter fordern Aufklärung

Auch UN-Menschenrechtsbeobachter forderten eine umgehende Aufklärung und eine unabhängige internationale Untersuchung. „Die Verantwortlichen - die Täter und die Hintermänner - müssen identifiziert und vor Gericht gebracht werden.“

Am Sonntag hatte die Türkei wegen des Falls zum zweiten Mal in einer Woche den saudischen Botschafter einbestellt, wie am Montag bekannt wurde. Kaschoggi war im Vorjahr wegen seiner kritischen Berichterstattung ins Visier der saudi-arabischen Staatsmacht geraten und nach Washington geflohen. Der Journalist war zwischenzeitlich auch Medienberater für einige Mitglieder der Königsfamilie in Saudi-Arabien. Er schrieb auch unter dem englisch transkribierten Namen Dschemal Kaschoggi für die „Washington Post“.

Reporter ohne Grenzen will unabhängige Untersuchung

Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) forderte eine unabhängige internationale Untersuchung. RSF beklagte am Mittwoch in einer Mitteilung zugleich, seit September vergangenen Jahres seien in Saudi-Arabien mehr als 15 Journalisten und Blogger auf völlig undurchsichtige Art und Weise festgenommen worden.

In den meisten Fällen seien die Festnahmen nie offiziell bestätigt worden. Zudem sei unklar, wo die Betroffenen wegen welcher Vorwürfe festgehalten würden, erklärte RSF weiter. Saudi-Arabien nutze traditionell undurchsichtige Methoden, um kritische Journalisten zum Schweigen zu bringen. Deshalb sei im Fall von Kaschoggi das Schlimmste zu befürchten. Zu den bekanntesten politische Verfolgten in Saudi-Arabien gehört der Blogger Raif Badawi. Er war 2014 zu zehn Jahren Haft und 1000 Stockhieben verurteilt, weil er angeblich den Islam beleidigt hatte. (dpa)

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