Dschemal Kaschoggi verschwunden: Saudischer Journalist soll in Konsulat ermordet worden sein
Die türkische Polizei geht Berichten zufolge davon aus, dass der verschwundene Journalist Dschemal Kaschoggi ermordet worden ist. Saudi-Arabien weist die Vorwürfe zurück.
Im Fall des in Istanbul verschwundenen saudischen Journalisten Dschemal Kaschoggi geht die türkische Polizei offenbar von einem Mord aus. Ersten Erkenntnissen zufolge sei dafür eigens ein Kommando in die Türkei gereist, das das Land noch am selben Tag wieder verlassen habe, berichtete die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf Regierungskreise in Ankara. Auch die "Washington Post", für die Kaschoggi unter anderem schreibt, berichtet über entsprechende Ermittlungsergebnisse. Saudi-Arabien weist die Vorwürfe zurück.
Der regierungskritische Journalist Kaschoggi ist seit einem Besuch im saudischen Konsulat in Istanbul am Dienstag verschwunden. Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete am Samstag unter Berufung auf die Polizei, am Dienstag seien rund 15 Saudi-Araber an Bord von zwei Flugzeugen in Istanbul gelandet und hätten das Land nach einem Besuch im Konsulat zur gleichen Zeit wie Kaschoggi am selben Tag wieder verlassen.
Sie glaube nicht, dass Kaschoggi getötet worden sei, schrieb seine türkische Verlobte Hatice C. im Kurzbotschaftendienst Twitter. Der 59-Jährige war in das Konsulat gegangen, um ein Dokument für seine Hochzeit abzuholen. Laut seiner Verlobten, die währenddessen draußen wartete, kam er nicht wieder heraus. Die saudischen Behörden erklärten hingegen am Donnerstag, Kaschoggi sei erst nach Verlassen des Konsulats verschwunden.
Saudi-Arabien nennt Mordvorwürfe "gegenstandslos"
Die am Samstag erhobenen Mordvorwürfe wies Saudi-Arabien umgehend als "gegenstandslos" zurück. Ein Team saudischer Ermittler sei in der Türkei und arbeite mit den dortigen Behörden zusammen, meldete die staatliche Nachrichtenagentur SPA unter Berufung auf einen nicht genannten Vertreter des Konsulats in Istanbul.
Am Mittwoch hatte das türkische Außenministerium den saudischen Botschafter wegen des Falls einbestellt. Saudi-Arabien hatte der Türkei danach angeboten, das Konsulat zu durchsuchen. Kronprinz Mohammed bin Salman sagte in einem am Freitag veröffentlichten Interview mit der Nachrichtenagentur Bloomberg, der Journalist befinde sich nicht in dem Konsulat, die türkischen Behörden könnten sich selbst davon überzeugen.
Der frühere Regierungsberater Kaschoggi war im September 2017 aus Furcht vor einer Festnahme ins US-Exil gegangen. Er hatte wiederholt die Politik des mächtigen Kronprinzen bin Salman sowie die Militärintervention des Königreichs im Jemen kritisiert. Bin Salman hat zwar weitreichende wirtschaftliche und gesellschaftliche Reformen eingeleitet, doch zugleich die Repression gegen Kritiker und Oppositionelle verschärft.
Auf der Rangliste für Pressefreiheit der Organisation Reporter ohne Grenzen lag Saudi-Arabien im vergangenen Jahr auf Platz 169 von 180 Ländern. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte Saudi-Arabien auf, Beweise für ein Verlassen des Konsulats durch Khashoggi vorzulegen. (mes, AFP)