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US-Außenminister John Kerry bei seiner Ankunft in London am Freitag. Dort äußerte er sich über die Ziele der USA gegen den IS.
© AFP
Update

Russland und USA beraten über Syrien: US-Außenminister John Kerry: "Haben gleiche Ziele im Kampf gegen IS"

USA und Russland beraten Vorgehen auf Regierungsebene. Außenminister Kerry betont Gemeinsamkeiten. Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, regt Nahost-Flüchtlingskonferenz mit Russland und Iran an.

Russland dehnt nach US-Angaben seine Militärpräsenz im Bürgerkriegsland Syrien weiter aus. Im westsyrischen Latakia, wo Russland derzeit einen Luftwaffenstützpunkt errichte, seien vier russische Kampfflugzeuge gesichtet worden, sagte am Freitagabend in Washington ein Regierungsvertreter, der anonym bleiben wollte. Kurz zuvor hatten die USA und Russland nach anderthalbjährigem Schweigen auf militärischer Ebene Kontakt auf höchster Ebene aufgenommen, um sich über die Lage in Syrien auszutauschen.

Mit der Entsendung von Kampfflugzeugen hätte Moskau den Ausbau seiner militärischen Präsenz in Syrien auf eine neue Stufe gestellt. Bisher war nur von Panzern, Artillerie und dutzenden Soldaten die Rede gewesen. Die US-Regierung ist bereits seit Wochen über die Entwicklungen besorgt.

Die Aussagen des US-Regierungsvertreters kamen nur wenige Stunden, nachdem US-Verteidigungsminister Ashton Carter mit seinem russischen Kollegen Sergej Schoigu telefoniert hatte. Wichtigstes Thema des Gesprächs sei die Lage in Syrien gewesen, teilten beide Seiten mit. Das Telefonat habe eine Stunde gedauert, sagte Schoigus Sprecher Igor Konaschenkow. Carters Sprecher Peter Cook sagte, nach dieser "konstruktiven Unterhaltung" wollten beide Seiten die Gespräche fortsetzen.

US-Außenminister John Kerry betonte indes bei einem Besuch in London die Gemeinsamkeiten seines Landes mit Russland im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). „Wir haben die gleichen Ziele“, sagte Kerry dem britischen Fernsehsender Channel 4. „Der IS muss zerstört, komplett gestoppt werden“, sagte Kerry. Gemeinsame Gespräche mit Russland seien notwendig, um die militärischen Operationen gegen den IS, etwa in Syrien, zu koordinieren.

Erster direkter Kontakt seit Ukraine-Krise

Es war das erste Mal seit seinem Amtsantritt im Februar dieses Jahres, dass Carter direkten Kontakt mit Schoigu hatte. Die Initiative dafür hatte nach US-Angaben Russland ergriffen. Washington hatte den Militärdialog mit Moskau im März 2014 wegen der Ukraine-Krise eingefroren.

Hauptthemen bei dem Telefonat der beiden Verteidigungsminister waren nach Angaben des Pentagons der Kampf gegen die Dschihadistenorganisation Islamischer Staat (IS) sowie Vorkehrungen, wie mögliche Zwischenfälle zwischen Truppen der USA und Russlands vor Ort vermieden werden könnten. Die USA fliegen mit internationalen Partnern Luftangriffe gegen den IS in Syrien und im Irak. Zugleich dringen sie auf eine Ablösung des syrischen Staatschefs Baschar al-Assad, der von Russland militärisch unterstützt wird. Russland und die syrische Führung sind ebenfalls Gegner des IS.

Auch der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, plädiert dafür, den Dialog mit Russland zu suchen. Er hat die Bundesregierung im Nachrichtenmagazin "Focus" aufgefordert, eine Nahost-Konferenz mit Beteiligung Russlands und des Irans einzuberufen. „Weder die großzügige Aufnahme weiterer Flüchtlinge noch schärfere Grenzkontrollen bieten nachhaltige Lösungen“, sagte Ischinger dem Magazin.

Auf einer großen Nahost-Flüchtlingskonferenz könnten kurzfristig Maßnahmen gegen Leid und Exodus von Millionen beschlossen und eine Art Geberkonferenz abgehalten werden. Er regte außerdem an, eine Plattform für den Aufbau einer neuen regionalen Sicherheitsarchitektur des Nahen und Mittleren Ostens zu schaffen. Die Bundesregierung könne dabei im Sinne eines ehrlichen Maklers agieren, so Ischinger.

Seit jeher gute Beziehungen: Der russische Außenminister Sergej Lawrow und der syrische Präsident Baschar al Assad im Februar 2012 in Damaskus.
Seit jeher gute Beziehungen: Der russische Außenminister Sergej Lawrow und der syrische Präsident Baschar al Assad im Februar 2012 in Damaskus.
© dpa

In den vergangenen Wochen hatte Moskau seine Präsenz vor Ort Schritt für Schritt ausgebaut. Nach russischer Darstellung entspricht jegliche militärische Unterstützung von Assad aber bereits bestehenden Abkommen.

Russland erwägt Schützenhilfe für Assad

Am Freitag zeigte sich die russische Regierung sogar offen für die Prüfung einer eventuellen Bitte Assads nach einer Entsendung von Truppen. "Wenn es eine Anfrage gibt, würde diese natürlich diskutiert und geprüft im Rahmen unserer bilateralen Kontakte", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow laut der Nachrichtenagentur RIA Nowosti. Solange eine solche Anfrage nicht erfolgt sei, sei eine Diskussion darüber aber schwierig.

Der syrische Außenminister Walid Muallem sagte dazu im Staatsfernsehen, die syrische Armee könne selbst kämpfen, sie brauche nur mehr Waffen. "Bis jetzt gibt es am Boden keinen gemeinsamen Kampf mit russischen Truppen, aber wenn wir sie brauchen, werden wir das prüfen und darum bitten", sagte der Minister.

US-Außenminister John Kerry erklärte am Freitag, vordringliches Ziel sei die "Zerstörung" des IS sowie eine politische Lösung des Konflikts in Syrien, "was aus unserer Sicht nicht mit einer langfristigen Präsenz von Assad erreicht werden kann". Trotz dieser Meinungsverschiedenheit mit Russland suchten die USA "eine gemeinsame Grundlage", fügte Kerry hinzu.

Das russische Nachrichtenportal Gazeta.ru berichtete, russische Soldaten würden möglicherweise in Geheimaktionen nach Syrien gebracht. Ein Soldat namens Alexej sagte demnach, Soldaten seien ohne Angaben zum Ziel ihrer Reise in eine südrussische Hafenstadt geschickt worden. Angesichts der mündlichen Befehle gingen sie von einem Einsatz in Syrien aus.

Der Radiosender Moskauer Echo berichtete, er sei von besorgten Angehörige von Soldaten kontaktiert worden, die ohne weitere Informationen mit ihren Reisepässen Richtung Süden fahren mussten. Die Angehörigen befürchteten, dass die Soldaten in die Ukraine oder nach Syrien gebracht würden. (AFP, dpa)

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