Repressionen gegen Russlands Opposition: Unter den Rädern
Ein Gericht liquidiert Nawalnys Stiftung gegen Korruption. Die Kampagne zur Zerstörung kritischer Regungen nimmt Fahrt auf. Ein Kommentar.
Zwölf Stunden lang hat ein Moskauer Gericht verhandelt. Dann liquidierte es mit seinem Urteil die Oppositionsbewegung, die der seit fast einem halben Jahr in Lagerhaft sitzende Kremlkritiker Alexej Nawalny aufgebaut hatte. Die Richter erklärten die „Stiftung zur Bekämpfung der Korruption“ zur extremistischen Organisation und erteilten ihr damit ein Arbeitsverbot. Es ist ein Schandurteil.
Aber es entspricht vollends der zynischen Logik, die im Russland des Wladimir Putin mit immer furchtbarerer Konsequenz vollstreckt wird. Wer gegen Korruption kämpft, ist ein Extremist, weil Korruption und Bestechlichkeit in Putins Russland Säulen der Macht sind. Wer ehrliche Wahlen, politische Konkurrenz und einen legalen Machtwechsel fordert, ist ein Extremist, weil all das, was man in liberalen Demokratien unter politischer Konkurrenz versteht, im heutigen Russland Extremismus ist.
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Und Extremist ist, wer die Spuren von Schlagstöcken der Polizei am Körper trägt. Denn unter die Räder der Repressionsmaschinerie gerät auch, wer mit der echten Opposition sympathisiert. Ein entsprechendes Gesetz hat fast zeitgleich mit dem Urteil gegen die Nawalny-Stiftung das Parlament verabschiedet.
Im Herbst wird in Russland das Parlament, die Duma, gewählt. Extremisten dürfen nicht auf die Kandidatenliste, auch das hat die Duma in ihrem Gesetz festgelegt. Auch wer versucht, einen kremlkritischen Kandidaten zu unterstützen, kann sein Wahlrecht verlieren. Es wird kurzer Prozess gemacht, wie bei der Nawalny-Stiftung.
Enttäuschte Hoffnungen
Die Kampagne zur Zerstörung oppositioneller Regungen in Russland nimmt immer mehr Fahrt auf. Fast täglich ließe sich vermelden, dass ein kremlkritischer Aktivist verhaftet wurde, ein anderer sich gezwungen sieht, ins Exil zu gehen. Kremlkritische Medien werden als „ausländische Agenten“ gebrandmarkt, um ihre Vertrauenswürdigkeit zu diskreditieren und sie dann in den wirtschaftlichen Ruin zu treiben.
Nach dem Ende der Sowjetunion trat Russland in das neue Kapitel seiner Geschichte im Namen von demokratischen Reformen ein. Das folgende Jahrzehnt verlief höchst widersprüchlich, aber lange bestand im Westen die Hoffnung, die russische Nation würde ihre „Kinderkrankheiten“ schon überwinden und könne demokratische Strukturen entwickeln. Es ist anders gekommen.
Das Urteil gegen die Nawalny-Stiftung macht das noch einmal dramatisch deutlich. Die Situation ist schrecklich. Umso mehr ist zu bewundern, dass in Russland Menschen immer wieder den Mut und die Kraft finden, sich dagegen aufzulehnen. Sie brauchen mehr als nur Aufmunterung – sie brauchen echte Unterstützung.