USA vor der Präsidentenwahl: „Unsere Verbündeten warten sehnsüchtig auf einen Neustart“
Was würde sich ändern, wenn Biden Präsident wird? US-Senator Chuck Hagel spricht im Interview über den außenpolitischen Kurs, den der Demokrat einschlagen würde.
US-Senator Chuck Hagel ist Republikaner, doch zum Lager von Präsident Donald Trump gehört er nicht. In der Regierung von Barack Obama war der Vietnam Veteran zwei Jahre Verteidigungsminister.
Herr Hagel, welche außenpolitischen Prioritäten würde ein Präsident Biden setzen?
Bidens oberste Priorität wäre es ganz sicher, Amerika wieder an seine traditionellen Verbündeten anzunähern – bei der Außen- und Verteidigungspolitik genauso wie beim Thema Handel. Auch werden die USA unter ihm wieder Abkommen beitreten, die Trump aufgekündigt hat. Die Europäer könnten ziemlich schnell mit einem Besuch des neuen Präsidenten rechnen, der ihnen versichern würde, dass sie wichtig für die USA sind.
Das klingt, als ob Biden die durch seinen Vorgänger verursachten Verwerfungen ganz leicht beseitigen könnte. Ist es so einfach?
Keiner sagt, dass das einfach ist. Natürlich werden nicht alle Probleme verschwinden, aber Biden weiß, dass man sich hinsetzen und versuchen muss, sie zu lösen. Dafür gibt es ja auch internationale Institutionen. Für Handelsstreitigkeiten zum Beispiel die Welthandelsorganisation, die man aber auch benutzen muss. Unsere Verbündeten warten sehnsüchtig auf einen Neustart der amerikanischen Außenpolitik.
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Aber Trumps robustes Vorgehen gegen angeblich Trittbrett fahrende Verbündete kommt ja in Teilen Amerikas gut an. Seine Forderung, dass die europäischen Partner größere Lasten schultern sollen, findet Applaus.
Aufgabe von Anführern ist es, ihre Schritte zu begründen. Amerikanische Politiker müssen erklären, warum es für die USA von Vorteil ist, gute Beziehungen zu ihren Verbündeten zu haben. Derzeit erleben wir eine globale Pandemie.
In diesen Zeiten sollte die Welt zusammenarbeiten, um uns alle vor dem Virus zu beschützen, nicht gegeneinander. Das Gleiche gilt für den Umweltschutz. Der endet nicht an nationalen Grenzen. Daher brauchen wir weltweite Kooperation und starke Partner. Das muss man immer wieder erklären, dann verstehen die Menschen das auch.
Zusammenarbeit ist auch im Umgang mit dem immer stärker werdenden China gefordert. Wie unterschiede sich eine Biden-China-Politik von der Trumps?
China ist eine komplizierte Angelegenheit. Was Sie nicht sehen werden, ist, dass Joe Biden ein Konsulat schließt, ohne darüber vorher mit den Chinesen geredet und sie gewarnt zu haben, wie es Trump gerade in Houston getan hat. Biden würde direkt mit den Chinesen verhandeln – dass er dabei tough und strategisch agieren würde, hat er immer wieder bewiesen.
China ist ein großes, starkes Land, die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt, da muss man sich schon ganz genau überlegen, wie man vorgeht, wenn man unfairem Verhalten etwas entgegensetzen will. Dafür braucht man Einfluss – und Verbündete. Ohne unsere asiatischen Partner wie Japan oder Südkorea sind wir jedoch isoliert.
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Für Russland scheint Trump dagegen eine große Schwäche zu haben. Wie erklären Sie sich sein Verhältnis zu Wladimir Putin?
Diese Beziehung ist äußerst bizarr und schwer nachvollziehbar. Aus irgendwelchen Gründen verteidigt Trump den russischen Präsidenten ständig und vertraut ihm, einem Gegner Amerikas, mehr als seinen eigenen Geheimdiensten. Das gab es noch nie in der amerikanischen Geschichte. Warum er das tut? Ich vermag es nicht zu sagen. Aber vertrauen kann man ihm in dieser Frage nicht. Und alleine das sollte dem amerikanischen Volk zu denken geben.
„Biden muss seine Partei vereinen, um Trump zu schlagen“
Sie bezeichnen sich selbst als Konservativen. Schreckt Sie der Gedanke, dass der progressive Flügel in der Demokratischen Partei auch in der Außenpolitik deutlich mehr Macht bekommen könnte, weil Biden die Unterstützung der Linken braucht?
Biden muss seine Partei vereinen, um Trump zu schlagen. Dazu muss er, der ja selbst moderate Positionen vertritt, auf den linken Flügel eingehen und Zugeständnisse machen. Ich glaube aber nicht, dass sich das besonders auf die Außenpolitik auswirken wird. Die Demokraten treiben vor allem innenpolitische Themen um, wie kostenlose Bildung oder Gesundheitsversorgung.
Vor zu vielen Zugeständnissen an die Linken in der Partei haben Sie als Konservativer keine Angst?
Als konservativer Republikaner hätte ich keine Probleme damit, dass Biden Präsident der Vereinigten Staaten ist. Ja, er ist liberaler als ich. Aber ich habe mit ihm zusammengearbeitet und weiß, dass ich ihm vertrauen kann. Für mich persönlich ist es eine ganz einfache Wahl. Vier weitere Jahre mit Trump, dem unfähigsten und korruptesten Präsidenten in der Geschichte dieses Landes, der uns isoliert, die Nato geschwächt hat und das Handelssystem zerstören will, mag ich mir nicht vorstellen.