Mexiko: Unmut über Migranten in Tijuana wächst
In Tijuana entscheidet sich das Schicksal der Migrantenkarawane in Richtung USA. Auf beiden Seiten stauen sich die Emotionen.
Zum mächtigen braunen Stahlgerüst, mit dem sich die kalifornische Großstadt San Diego vom mexikanischen Tijuana schützt, ist es nur ein Steinwurf. Genau der richtige Platz für Hugo Castro, 47, und sein „Café der Undokumentierten“ wie er das kleine Lokal nennt. Es ist ein Treffpunkt für Flüchtlinge aus ganz Lateinamerika und Aktivisten, die sie unterstützen wollen.
„Die Stimmung in der Stadt ist angespannt. Es gibt Rassisten, die Angst schüren“, sagt der gebürtige Amerikaner aus dem kalifornischen Salinas im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Er gehört zur Gruppe, die sich „Engel der Grenze“ nennen und es sich zum Ziel gesetzt haben, den Migranten Hilfe zukommen zu lassen. Ein paar Aktivisten sitzen im Café und tippen in die Notebooks, immer wieder kommen ein paar Flüchtlinge herein und bitten um einen Kaffee.
Weil der Strandabschnitt am nordwestlichen Zipfel Mexikos mit der spektakulären Stahlmauer inzwischen auch ein Touristenmagnet ist, haben Hugo und seine Mitstreiter eine Idee entwickelt: Für jeden Kaffee, den ein Tourist kauft, gibt es mindestens einen Kaffee für Migranten gratis. „Die Idee ist, die Menschen, die auf der Flucht sind, Mittel zur Verfügung zu stellen“, sagt Castro. „Migranten, willkommen“, steht auf dem Tisch gleich neben der Eingangstür. „Irgendjemand muss diesen Menschen doch helfen“, sagt Castro. Seit zwei Monaten gibt es das Café, seitdem ist es zu einem Hotspot geworden.
Migranten nicht willkommen
Doch nur ein Minuten Luftlinie entfernt ist das Klima ein ganz anderes. Nachbarn in Playas de Tijuana haben den Migranten vor wenigen Tagen klar gemacht, dass sie sie hier nicht willkommen heißen. Es gab hitzige Auseinandersetzungen, hier und da flogen die Fäuste und auch ein paar Steine. Für Sonntag war eine Protestveranstaltung von Bewohnern Tijuanas angekündigt, zu der mehrere Hundert Menschen erwartet wurden. Die Migranten sollten keine Straßen blockieren oder Müll hinterlassen, hieß es in den Forderungen der Bürgerbewegung auf Facebook.
Die Stadt an der Grenze ist gespalten. Fast täglich treffen neue Migranten der diversen Karawanen aus Mittelamerika ein. Mehr als 4300 Kilometer quer durch Honduras, Guatemala und Mexiko. Inzwischen sind es Tausende. Sie sind in verschiedenen Auffanglagern in der ganzen Stadt verteilt.
Während ihres Marsches durch Mexiko gab es von der lokalen Bevölkerung meist Unterstützung, allerdings befanden sich die Migranten nur auf der Durchreise und blieben meist nur einen Tag. In Tijuana ist die Reise erst einmal zu Ende. Die gesicherte Grenze verhindert einen Übertritt ins Land ihrer Träume. Angesichts der langen Wartezeit auf einen Termin für ein Asylverfahren werden die Migranten erst einmal in Tijuana bleiben müssen. Wie lange es dauern wird, bis sie überhaupt auf einer Liste landen, um ein Asylgesuch für die USA auszufüllen, das weiß fast keiner der Migranten. Derweil wird es in den Herbergen und Notunterkünften immer enger.
Angst vor Kriminalität
Nun fürchten sich die Bewohner Tijuanas, die Neuankömmlinge könnten ihnen die Arbeitsplätze wegnehmen, die Gewalt und Kriminalität könnte weiter ansteigen. Tijuanas Bürgermeister Juan Manuel Gastélum stellt sich an die Spitze dieser Befürchtungen und behauptet, mit der Karawane seien auch Faulpelze und Kiffer gekommen. Nun müsse die Bundesregierung in Mexiko-Stadt helfen, außerdem will Gastélum ein Referendum zur Migrantenfrage organisieren.
Das alles spricht sich auch im Auffanglager Benito Juarez herum, wo sich inzwischen mehr als 3000 Migranten in einem Sportkomplex behelfsmäßig eingerichtet haben. Ist auch der Rest der Migrantenkarawane eingetroffen, soll es „pazifistische Demonstrationen“ für das Recht auf einen Grenzübertritt geben. Vor ein paar Tagen klettern die ersten Migranten aus der Karawane auf die Grenzbefestigung. Die amerikanischen Grenzschützer fühlten sich provoziert und reagierten ihrerseits: Nun befindet sich oben auf dem Zaun auch noch ein Stacheldraht, damit sich solche Bilder nicht wiederholen.
Auch die mexikanischen Behörden rüsten auf. Sie errichteten am Wochenende auf der mexikanischen Seite des Grenzübergangs eine Behelfsmauer aus Metall. Offenbar, um damit einen möglichen Ansturm von Migranten wie vor ein paar Wochen in Guatemala zu verhindern, als Teilnehmer der Karawane Grenzzäune niederrissen.
Inzwischen stauen sich die Emotionen auf beiden Seiten auf: Jene, die auf der Seite der Migranten stehen, rufen zu Demonstrationen für die Würde der Flüchtlinge auf. Die andere Seite warnt vor einer Invasion Tijuanas und einem Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung. „Es ist schwer vorherzusagen, was passiert“, sagt Aktivist Hugo Castro. Sicher ist: Tijuana steht eine heiße Woche bevor. (mit dpa)