Krise zwischen CDU und CSU: Unions-Fraktionsvize Friedrich will Merkel-CDU zu Rot-Grün schicken
Hans-Peter Friedrich (CSU) sieht die Kanzlerin offenbar in der falschen Partei. Der frühere Chef des Bundespräsidialamtes, Wilhelm Staudacher, sagt dagegen: "Horst Seehofer steht für nichts".
Eine CSU, die nicht mehr nur in Bayern, sondern bundeweit in den Wahlkampf zieht, hat Horst Seehofer erst einmal hintangestellt. Statt die Union zu spalten, sollte deshalb doch einfach Angela Merkel zu Rot-Grün wechseln. Das zumindest impliziert jetzt immerhin der Vize-Unionsfraktionschef Hans-Peter Friedrich (CSU) in einem Tweet am Freitag: Der frühere Innenminister sieht demnach keine Spaltung der Schwesterparteien CDU und CSU - aber hält Angela Merkel klar für die falsche Kanzlerin. In seinem Tweet formulierte Friedrich es enstprechend: "Der #Merkel-Flügel der CDU kann sich ja ins rot-grüne Team verabschieden."
Bei seiner Parteifreundin und CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt kam er damit nicht so gut an: "Ich weiß nicht, was solches Gerede bringen soll. Wir können die Probleme nur gemeinsam lösen", sagte Hasselfeldt der Nachrichtenagentur Reuters mit Blick auf die Flüchtlingskrise.
Beim Koalitionspartner SPD hingegen findet man die Thesen Friedrichs offenbar gar nicht so falsch, zumindest stichelt SPD-Generalsekretärin genau in diese Richtung. Der Streit um die Flüchtlingspolitik habe einen tiefen Spalt in die Union getrieben, sagte sie. Barley wird von der "Welt" mit den Worten zitiert, Kanzlerin Angela Merkel sei in der CDU alleine. "Ihre Leute sind zerstritten." Auf der Suche nach einer europäischen Lösung in der Flüchtlingskrise sei Merkel "eher im Team SPD".
Bezüglich Horst Seehofer sagte sie Deutschen Presse-Agentur, es wäre nur konsequent, wenn Seehofer und die CSU bei der Wahl 2017 bundesweit antreten würden. „Ich meine das ganz im Ernst. Wer für sich in Anspruch nimmt, der Einzige zu sein, der die AfD kleinhalten kann, darf sich seiner Verantwortung nicht entziehen.“
Seehofer hatte zuletzt erklärt, die CSU wolle Bayern-Partei bleiben und von dort in die CDU hineinwirken. „Ewigkeitsgarantien“ dafür wollte der bayerische Ministerpräsident allerdings nicht abgeben.
Barley sagte weiter, Seehofer und seine Leute behaupteten, dass sie die Meinung vieler Bürger verträten. „Wenn das so ist, sollten sie ihre Haltung auch deutschlandweit zur Wahl stellen und nicht immer nur von München aus, quasi von der Seitenlinie, reingrätschen.“
Einer der weiß, wie es in den 70er Jahren war, als die CSU schon einmal mit der Ausweitung auf das gesamte Bundesgebiet liebäugelte, ist Wilhelm Staudacher. Der frühere Bundesgeschäftsführer der CDU und ehemalige Bundespräsidialamtschef unter Roman Herzog war zur Zeit der Kreuther Beschlüsse bei der Konrad-Adenauer-Stiftung in München.
Wilhelm Staudacher hält die Situation von heute für überhaupt nicht vergleichbar - und Horst Seehofer für einen Schaumschläger. Er sagt: "Franz Josef Strauß stand für Werte, für Inhalte. Seehofer für nichts. Die Flüchtlingspolitik nützt er, um überhaupt in die Medien zu kommen." Noch vor einem Jahr sie der CSU-Chef in der Koalitionsregierung überhaupt nicht mehr zur Kenntnis genommen worden. Von dem Argument, Seehofers "Antiflüchtlingspolitik" solle "die AfD als Konkurrenz klein halten", hält Staudacher gar nichts: "Er wird sie großreden. Er reibt sich an Merkel, damit er überhaupt zur Kenntnis genommen wird. Er schadet damit der Union."
Als Empfehlung für weiteres Handeln gibt er dem Bayern mit auf den Weg: "Merkels Kurs kann man kritisieren, aber sie handelt und muss handeln, Seehofer redet."
Angesichts derartiger Worte, auch wenn Staudacher sich aus dem aktuelle Politikbetrieb inzwischen zurückgezogen hat, sind die Aussagen von Verkehrsminister Alexander Dobrindt durchaus ernst zunehmen, wenn er vor einer zunehmenden Spaltung der Union durch die Flüchtlingskrise spricht. "Zwischen CSU und CDU ist eine ernste Situation eingetreten", sagte der CSU-Politiker der "Passauer Neuen Presse".
"Ich hätte nicht gedacht, dass sich die Positionen einmal so substanziell unterscheiden, wie wir es derzeit erleben", sagte Dobrindt.
Barley: Protestwähler der AfD ernst nehmen
Barley sprach sich zudem gegen eine pauschale Abwertung von AfD-Wählern aus. „Es macht keinen Sinn, fanatische AfD-Anhänger überzeugen zu wollen“, sagte Barley der dpa. Sie fügte jedoch hinzu: „Aber Menschen, die tiefe Sorgen und Ängste haben und auch Wählerinnen und Wähler, die ihre Stimme für die AfD als Protest ansehen, müssen wir ansprechen.“
Die zweistellige Ergebnisse der AfD bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt seien auch Ausdruck eines tief sitzenden Ungerechtigkeitsgefühls. „Wir dürfen nicht zulassen, dass Teile der Gesellschaft das Gefühl haben, sie würden hinten runterfallen“, mahnte die SPD-Politikerin.
Hans-Peter Friedrich will das dann übrigens alles gar nicht so gemeint haben. In einem Interview mit der FAZ sagte er, angesprochen auf seine getwitterte "Austrittsforderungen" an Angela Merkel: "Das ist doch Quatsch. Es geht mir überhaupt nicht um Personen, sondern um inhaltliche Positionen". Wer wolle, dass "die deutsche Politik nach links rückt, der soll künftig bitte Rot-Grün wählen, aber damit nicht mehr die Union behelligen." (mit dpa, Reuters)