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Besonderer Bedarf: Die Union möchte Eltern behinderter Kinder stärker unterstützen.
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Exklusiv

Reaktion auf Kostenerstattung von Gentests: Union will mehr Hilfe für Eltern behinderter Kinder

Höherer Rentenanspruch oder längere Elternzeit? Unionsabgeordnete wollen Eltern behinderter Kinder besser unterstützen. Doch konkret werden sie dabei nicht.

Es sollte ein kraftvoller Vorstoß zur Unterstützung von Eltern mit behinderten Kindern werden. Der CSU-Politiker Stephan Pilsinger wollte damit auf den ethisch hoch umstrittenen Beschluss reagieren, dass schwangere Frauen künftig von den gesetzlichen Krankenkassen Bluttests auf Downsyndrom-Kinder bezahlt bekommen - und darauf, dass Eltern, die sich bewusst für behinderte Kinder entscheiden, dadurch unter Rechtfertigungsdruck geraten könnten.

Da brauchte es, fand Pilsinger, nun auch „ein sichtbares Signal, dass der Staat und die Gesellschaft die Akzeptanz von Menschen mit Behinderung wirklich ernst nehmen“.

Also setzte sich der Bundestagsabgeordnete, der im Münchner Umland noch eine Hausarztpraxis betreibt, mit Behindertenverbänden und Selbsthilfegruppen zusammen, eruierte Wünsche und Bedürfnisse, formulierte ein Positionspapier. Und seine Forderungen waren nicht ohne Brisanz.

Pilsinger verlangte für Mütter und Väter, die zuhause behinderte Kinder betreuen, beispielsweise höhere Rentenansprüche, also zusätzliche Rentenpunkte. Er drängte darauf, dass sie Anspruch auf eine „verlängerte Elternzeit von mindestens drei Jahren mit entsprechender Finanzierung“ erhalten. Und er schlug vor, Elternteile, die ein behindertes Kind rund um die Uhr pflegen, entweder als erwerbsunfähig anzuerkennen oder ihnen, alternativ dazu, „eine Auszahlung von Pflegegeld in Höhe des Stundensatzes eines Pflegedienstes“ zukommen zu lassen.

Umgesetzt werden sollte das alles möglichst zügig – in dem von Sozialminister Hubertus Heil (SPD) auf den Weg gebrachten und vom Kabinett bereits beschlossenen Angehörigen-Entlastungsgesetz.

Hilfe soll sich an Höhe der Zusatzbelastungen orientieren

Doch, wie das in der Politik oft so ist: Von den guten und konkreten Ideen Einzelner, deren Verwirklichung ordentlich kosten würde, bleibt nach fraktionsinterner Abstimmung nicht viel mehr als ein dünner Appell. Staatlicherseits müsse künftig „noch mehr getan werden, um Mütter und Väter zu unterstützen, die sich ständig um ihr Kind mit besonderem Förderbedarf kümmern“, heißt es nun in dem von der Gesundheits-AG der Unionsfraktion abgesegneten und dem Tagesspiegel vorliegenden Papier. Das ist weit unverbindlicher – und lässt die Umsetzung offen.

Aber immerhin: „Wir sprechen uns dafür aus, den Familien mit einem Kind mit Behinderung eine deutliche finanzielle und soziale Unterstützung zur Verfügung zu stellen“, schreiben die Unionsexperten. Diese Hilfe müsse sich „an der Höhe der zusätzlichen Belastungen und an der Einschränkung der Erwerbsmöglichkeiten orientieren“. Und: Die Hilfestellung „sollte möglichst bürokratiearm erfolgen“.

Eltern frühzeitig auf mögliche Ergebnisse der Gentests vorbereiten

Konkret widmet sich das dreiseitige Papier nun weniger einer finanziellen Entlastung als Forderungen nach einem besseren Beratungs- und Betreuungs-Drumherum für Schwangere und werdende Eltern. Diese seien „qualifiziert und umfassend über mögliche Ergebnisse genetischer Diagnostik zu informieren“, verlangen die Unionsexperten. Dabei müsse „zwingend frühzeitig die Frage erörtert werden, wie mit möglichen Resultaten umgegangen wird – mit ausreichend Zeit, diese Frage im sozialen Umfeld zu erörtern und zu reflektieren“.

Daneben drängen die Abgeordneten um Pilsinger auf eine „systematische Verankerung“ von Gen- und Pränataldiagnostik in der ärztlichen Aus- und Fortbildung. „Viele Frauenärzte sind heute besser über Testmethoden als über die vielfältigen neuen Möglichkeiten der Inklusion von Kindern mit Behinderung informiert“, heißt es in dem Papier. Bei der Gynäkologen-Fortbildung müsse neben medizinischem auch psychosoziales Wissen über das Leben mit behinderten Kindern vermittelt und „auf Kooperationsmöglichkeiten mit elterlichen Selbsthilfegruppen hingewiesen werden“.

Durchgehend psychosoziale Betreuung

Schon vor der Entbindung müsse „das Selbstbewusstsein der Eltern in der Bewältigung ihrer Aufgaben zuhause gestärkt werden“, fordern die Unionspolitiker. Der Übergang von der Klinik in die eigenen vier Wände müsse begleitet, den Eltern eine psychosoziale Betreuung „durchgehend gestellt“ sein. Und auch Pflegedienste müssten sich besser für den Umgang mit schwerstbehinderten Kindern und ihren Eltern qualifizieren.

Und die schönen Ursprungsforderungen nach höherem Rentenanspruch, längerer Elternzeit, finanzieller Vergütung? Darüber habe nicht die Gesundheits-AG, sondern die Arbeitsgruppe Soziales zu entscheiden, sagt Pilsinger. Das benötige wohl noch längeren Abstimmungsbedarf. Doch auch so habe man mit dem Positionspapier schon mal „ein klares Zeichen gesetzt, dass behinderte Menschen in unserer Gesellschaft willkommen und eine Bereicherung sind“.

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