Neue Steuerschätzung: Union und FDP fordern Steuersenkungen
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble stellt die Steuerschätzung vor - Einnahme-Prognosen in Milliardenhöhe werden erwartet. Die Kommunen wollen mehr Investitionen.
Angesichts der erwarteten positiven Einnahme-Prognosen durch den Arbeitskreis Steuerschätzung sieht sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vermehrt mit Forderungen nach einer stärkeren Entlastung der Bürger konfrontiert - auch aus der eigenen Partei. Der Städtetag plädiert hingegen für eine größere Unterstützung der Kommunen bei Investitionen. Schäuble stellt am Donnerstagmittag die neue Steuerschätzung vor. Medienberichten zufolge können Bund, Länder und Gemeinden im laufenden und in den kommenden Jahren mit zusätzlichen Einnahmen in Milliardenhöhe rechnen.
„Meiner Meinung nach wird es einen weit größeren Spielraum geben als die bislang in Rede stehenden 15 Milliarden Euro“, sagte der CDU-Wirtschaftspolitiker Carsten Linnemann der Deutschen Presse-Agentur. Die CDU habe auf ihrem Parteitag beschlossen, dass ein Drittel der Steuermehreinnahmen für Steuersenkungen genutzt werden sollen. Statt über eine Ausdehnung des Sozialstaats müsse man über diejenigen Menschen sprechen, die mit ihren Steuerzahlungen den Sozialstaat finanzierten.
Für „eine echte Steuerstrukturreform“ dürfe der Spitzensteuersatz von derzeit 42 Prozent erst ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 60.000 Euro greifen, sagte Linnemann weiter - und nicht wie aktuell ab 54.058 Euro. Mittlerweile zahlten schon Facharbeiter den gleichen Spitzensteuersatz wie ihr Chef. Auch müsse der „Mittelstandsbauch“ in der Einkommensteuer abgeflacht werden. „Es dürfen am Ende nicht nur zwei Cappuccino-Tassen übrig bleiben, sondern es muss echte Entlastungen für untere und mittlere Einkommen geben.“
Ähnlich äußerte sich Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU). "Wir haben Rekordsteuereinnahmen in Deutschland. Außerdem führen die Niedrigzinsen zu einer schleichenden Enteignung der Sparer", sagte er der "Bild"-Zeitung. „Wir brauchen nach der Bundestagswahl eine echte Steuerreform mit der schrittweisen Abschaffung des Soli, dem endgültigen Abbau der kalten Progression, eine Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen sowie eine Regionalisierung der Erbschaftsteuer.“ Auch FDP-Chef Christian Lindner forderte eine Entlastung der Bürger. „Die Gier des Staates hat kleptokratische Züge angenommen“, sagte er dem „Handelsblatt“.
DGB fordert höhere Besteuerung für Reiche
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) verlangt eine Entlastung der Arbeitnehmer. "Wir brauchen eine zielgenaue Entlastung der breiten Masse der Lohnsteuerzahler und ihrer Familien", sagte DGB-Vorstand Stefan Körzell den Zeitungen der Funke Mediengruppe. 90 Prozent der Arbeitnehmer müssten entlastet werden. Bund, Länder und Gemeinden müssten aber handlungsfähig bleiben. "Das geht nur, wenn die wirklich Reichen stärker besteuert werden, die, die hohe Gewinneinkommen haben und sie nur ungenügend investieren", sagte der DGB-Vorstand.
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, sprach sich dafür aus, dass Bund und Länder die Städte bei Investitionen stärker unterstützen. Derzeit betrage der Investitionsstau 126 Milliarden Euro, die Kommunen könnten aktuell aber nur etwa 26 Milliarden Euro pro Jahr investieren. Mit kontinuierlich höheren Steuereinnahmen und Förderprogrammen, die nicht nur vorübergehend seien, könne leichter investiert werden. "Dann können Städte ihre Personalkapazitäten für die Planung von Investitionen anpassen", sagte Dedy der Funke Mediengruppe.
Die Industrie hatte zuvor dazu geraten, die in Aussicht gestellten zusätzlichen Steuereinnahmen für mehr staatliche Investitionen und Steueranreize für die Forschung zu nutzen. Die Mehreinnahmen böten genug Spielraum für eine Unternehmensteuerreform und für eine steuerliche Forschungsförderung.
Schäuble will Entlastung auf 15 Milliarden Euro begrenzen
Bisher hat Schäuble Steuersenkungen von jährlich 15 Milliarden Euro nach der Bundestagswahl in Aussicht gestellt. Zudem soll ab dem Jahr 2020 der „Soli“-Zuschlag schrittweise abgeschafft werden, was die Steuerzahler zusätzlich entlastet. Der Bund muss aber nicht nur diese Einnahmeausfälle verkraften. Er muss ab 2020 auch höhere Zahlungen an die Länder schultern von jährlich zehn Milliarden Euro im Zuge der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen.
Der Arbeitskreis Steuerschätzung tagt seit Dienstag. Der Bund war in seiner Schätzvorlage für die Beratungen von einem Steuerplus von 55 Milliarden Euro für den Gesamtstaat bis zum Jahr 2020 im Vergleich zur November-Schätzung ausgegangen. Davon dürften Länder und Gemeinden weit stärker profitieren als der Bund. Die endgültigen Zahlen der Steuerschätzer werden aber von der Vorlage des Bundes abweichen.
Dem Arbeitskreis gehören neben Vertretern von Bund, Ländern und Kommunen noch weitere Experten aus Wirtschaftsinstituten und Behörden an. Das Gremium schätzt jeweils im Mai und November jedes Jahres die künftigen Steuereinnahmen. Die Prognosen sind Grundlage der Haushaltsplanung von Bund, Ländern und Kommunen. (dpa, AFP)