zum Hauptinhalt
Gut lachen. Die Union sieht sich in der komfortablen Lage als derzeit stabiler Teil der Regierung.
© Michael Kappeler/dpa

Zukunft der GroKo: Union macht neuer SPD-Spitze „kein Begrüßungsgeschenk“

Den Koalitionsvertrag wollen CDU und CSU nicht nachverhandeln. Einigungen mit den Sozialdemokraten sind dennoch möglich.

Carsten Linnemann ist fast wunschlos glücklich. Hauptsächlich deshalb, weil sein 1. FC Paderborn gestern in der allerletzten Minute die Bremer mit 1:0 besiegt hat. Aber auch politisch ist dem Chef der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung nichts Nennenswertes zu entlocken, was er sich vom Koalitionspartner SPD wünschen könnte. Dieser Mangel an Fantasie ist insofern bemerkenswert, als Linnemann erst vor kurzem, nach der Thüringen-Wahl, lautstark Nachverhandlungen des Koalitionsvertrags gefordert, ja es kategorisch für „Quatsch“ erklärt hatte, so einen Vertrag überhaupt für vier Jahre auszuhandeln. Doch was gestern „Quatsch“ hieß, behandelt jetzt sogar der Wirtschaftsflügel der Union als beinahe heilige Schrift.

Das liegt natürlich an der SPD. Nach dem ersten Schreck über das neue SPD-Spitzenduo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans hat der Verlauf des SPD-Parteitags CDU und CSU aber doch beruhigt. Von „Groko-Aus am Nikolaus“ war keine Rede mehr, selbst Juso-Chef Kevin Kühnert zog eine brave Karriere als Vize-Parteivorsitzender der Laufbahn des Revolutionsführers vor.

Damit scheint das Thema Koalitionsbruch vom Tisch. Die CDU sagte ihre für nächste Woche zusätzlich geplante Vorstandssitzung mangels Notwendigkeit ab. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak kassiert sogar frohgemut die Drohung seiner Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer wieder ein, das Mindestrenten-Gesetz so lange zu blockieren, bis die Sozialdemokraten sich klar zur Koalition bekennen. Man warte auf den Gesetzentwurf des Arbeitsministers, sagt Ziemiak jetzt. Was mit dem geforderten Treueschwur sei? „Wir sind sehr geduldig.“

In komfortabler Lage

Tatsächlich sieht sich die Union in einer komfortablen Lage als derzeit stabiler Teil der Regierung. Am Sonntag legten die Parteispitzen telefonisch die Linie fest. „Es gibt keine Neuverhandlung des Koalitionsvertrages“ oder, wie es Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus ausdrückt, „kein Begrüßungsgeschenk“ für Esken und Walter-Borjans. Die Frage, mit welchen Forderungen die Union in das vor Weihnachten geplante Koalitionsgespräch gehen wolle, stößt bei Ziemiak denn auch auf Unverständnis: Wieso sollten CDU und CSU Verhandlungspositionen beziehen, wo doch nichts zu verhandeln sei? „Wir sind vertragstreu“, sagt er.

Ganz so unbeweglich, wie das klingt, ist die Union allerdings nicht. Gegen Erweiterungen in ihrem Sinne hätten sie nichts. Ziemiak nennt Planungsbeschleunigungen, um derzeit blockierte Investitionen in Straße, Schiene und andere Infrastruktur schneller in Gang zu bekommen. Wenn man sich auf so etwas verständigen könne – kein Problem.

Auch beim Mindestlohn deutet er Spielräume an. Das Thema hatte am Montag der Chef des Arbeitnehmerflügels CDA, Karl-Josef Laumann, aufgebracht. Laumann hält den Mindestlohn für zu niedrig. Die Kommission aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern habe „stur“ nur die Tariflohn-Erhöhungen nachvollzogen, statt sich darum zu kümmern, was Problemgruppen wie etwa Alleinerziehende brauchten. Laumann will die Arbeitsweise des Gremiums überprüfen, so wie es jüngst auch der CDU-Parteitag beschlossen hatte. Ziemiak versichert denn auch, man könne immer darüber reden, ob die „Spielräume“ der Kommission verändert werden sollten. Daran, dass nicht die Politik den Mindestlohn festsetzt, will aber auch Laumann nicht rütteln: Bloß weil die Kommission schlecht gearbeitet habe, sei das Prinzip nicht falsch.

Union wird nicht nachgeben

Und dann ist da noch das Klimapaket. Esken und Walter-Borjans verlangen Nachbesserungen. Ihnen alleine würde die Union kaum nachgeben. Doch auch die Grünen wollen mehr, und die haben über ihre Beteiligung an Landesregierungen ein Druckmittel. Am Montagabend beriet erstmals der Vermittlungsausschuss zwischen Bund und Ländern.

Offiziell geht es nur um die Steuer-Teile der Klimagesetze, etwa die geplante Mehrwertsteuersenkung für Bahnfahrkarten. Aber Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter betonte schon vorher: „Wir wollen einen CO2-Preis, der ökologisch wirksam und sozial gerecht ist.“ Dieser Teil des Gesetzespakets ist eigentlich schon rechtsgültig beschlossen. Doch wo ein politischer Wille ist, hat sich noch immer ein Rechtsweg gefunden, Dinge nachträglich zu verändern.

Zur Startseite