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Union feiert den Aufstieg in die Bundesliga.
© John MacDougall/AFP

Berlin wird Fußball-Metropole: Union ist bereit für die Bundesliga

Was bedeutet es für die Stadt, wenn Hertha und Union in der ersten Liga spielen? Die 7 wichtigsten Fragen und Antworten.

Nach 42 Jahren hat Berlin wieder zwei Bundesligisten. Nach dem Aufstieg des 1. FC Union spielten sich im Stadion an der Alten Försterei in Köpenick unglaubliche Szenen des Jubels ab.

Die Fans stürmten den Rasen, die Spieler wurden auf Händen getragen. „Für den Fußball in der Stadt ist das ein riesengroßer Gewinn“, sagt Union-Präsident Dirk Zingler am Dienstag. Berlin ist nun die einzige Stadt Deutschlands mit zwei erstklassigen Vereinen.

1. Was bedeutet der Erfolg für den Verein?

Der Aufstieg in die Bundesliga ist der größte Erfolg der Vereinsgeschichte – noch vor dem Gewinn des FDGB-Pokals 1968 in der DDR und dem Erreichen des DFB-Pokalfinales mit der folgenden Qualifikation für den Europapokal 2001. „Es gab viele schöne Momente in den vergangenen 15 Jahren“, sagt Dirk Zingler am Dienstag über seine Zeit als Vereinspräsident. „Dieser gehört aber zu den emotionalsten.“

Noch vor elf Jahren spielte Union in einem baufälligen Stadion in der Regionalliga. Vor der Saison war mit einem solchen Erfolg nicht zu rechnen, denn in der Saison 2017/18 hatte Union die Erwartungen komplett enttäuscht und musste lange um den Verbleib in der Zweiten Liga kämpfen.

Dass es für Union in der Bundesliga erst mal nur um den Klassenerhalt gehen kann, ist allen Beteiligten bewusst. „Es wird eine Herausforderung für uns sein, denn die Unterschiede in den Budgets sind natürlich sichtbar“, sagt Trainer Urs Fischer. „Das musst du mit anderen Dingen kompensieren – mit Kompaktheit, Solidarität, Engagement.“

2. Das Besondere an Union ist das familiäre Verhältnis zwischen Verein und Fans. Kann das Bestand haben?

Diese Frage treibt viele Fans seit Jahren um. Schon 2017, als Union ebenfalls auf einem guten Weg Richtung Aufstieg zu sein schien, fassten einige Zuschauer die diffuse Gefühlslage rund um den Klub mit einem Plakat Union-typisch zusammen: „Scheiße, wir steigen auf!“ In dieser Saison hat sich das Verhältnis zwischen Skeptikern und Enthusiasten deutlich verschoben.

Die Angst, dass sich der Verein durch den Aufstieg, das nun größere Interesse an Union und die in der Bundesliga noch stärkere Kommerzialisierung verändern könnte, sind aber nicht ganz verschwunden.

Präsident Zingler teilt diese Befürchtungen nicht. „Es verändert sich nichts, weil wir uns doch nicht verändern, nur weil wir gegen andere Mannschaften spielen“, sagt er. Zumal das Stadion auch jetzt schon nahezu immer ausverkauft ist, der Verein mehr Mitglieder als Zuschauerplätze hat und somit ein massenhafter Andrang von sogenannten Eventfans praktisch kaum möglich ist.

3. Wie muss sich der Verein noch verändern und verstärken, um in der Bundesliga zu bestehen?

Union entwickelt sich seit Jahren nicht nur sportlich sehr positiv. Die Infrastruktur hat sich bereits deutlich verbessert und wird weiter optimiert. Neben dem angedachten Stadionausbau sind auch ein neues Klubhaus sowie Nachwuchsleistungszentrum geplant. Auch die wirtschaftlichen Kennzahlen – Umsatz, Gesamtbudget, Profietat – steigen kontinuierlich. In der Zweiten Liga befand sich Union damit klar im oberen Drittel, das ändert sich nun.

Auch wenn der Klub in der Bundesliga von den deutlich höheren Fernsehgeldern profitiert, demnächst einen neuen Hauptsponsor präsentieren und Rekordeinnahmen verzeichnen wird, gehört Union in der Ersten Liga wirtschaftlich zu den schwächsten Klubs. Der Etat der Profimannschaft liegt selbst bei kleinen Bundesligisten etwa doppelt so hoch wie der von Unions Aufstiegsteam. Wie viel Geld für die Verstärkung der Mannschaft zur Verfügung stehen wird, klärt sich erst in den kommenden Tagen. Vorher muss das Vereinspräsidium noch etliche Entscheidungen treffen bezüglich eventuell steigender Ticketpreise und der Sponsorenwahl.

4. Hat die Stadt Platz für zwei Vereine?

Klares Ja! Die nun erneut anstehenden Derbys zwischen Union und Hertha dürften die Stadt elektrisieren, genau wie es in den Jahren 2011 und 2013 bereits der Fall war. Selbst der Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte am Dienstag erklärt: „Die Fußballstadt Berlin darf sich endlich wieder über Lokalderbys zwischen Hertha und der Union freuen.“

Hinzu kommt: Beide Vereine sind nicht nur örtlich weit voneinander entfernt, sie gelten auch in Sachen Fankultur als Gegenentwürfe. In Köpenick der Underdog und Arbeiterverein Union, den die Fans einst durch Blutspenden vor dem finanziellen Bankrott bewahrt haben und dessen Anhänger beim Umbau des Stadions selbst mit Hand anlegten. In Charlottenburg mit Hertha einen geschichtsträchtigen Hauptstadtklub auf der Suche nach Identität – dem es an einem eigenen Stadion und damit einem Stück Heimat fehlt.

Besondere Bedeutung hat der Aufstieg der Unioner natürlich für den Ostteil der Stadt. Zwar singt Nina Hagen in der Hymne des Vereins „Osten und Westen – unser Berlin“, 30 Jahre nach dem Mauerfall wird das Stadion an der Alten Försterei jedoch noch immer zu einem großen Teil von Menschen aus dem Ostteil der Stadt besucht. Doch auch über die Stadtgrenzen Berlins hinaus hat der Aufstieg des 1. FC Union hohe Symbolkraft. Neben RB Leipzig stellen die Köpenicker in der kommenden Saison den zweiten Erstligisten aus den neuen Bundesländern – allerdings mit deutlich höherem Identifikationspotenzial als die Sachsen.

In fast allen anderen Ligen Europas sind die Hauptstadtvereine übrigens Jahr für Jahr Titelkandidaten, in Englands höchster Spielklasse gab es in der abgelaufenen Saison sogar sieben Klubs aus dem Großraum London. Dennoch ist es für Berlin als Sport- und Fußballstadt natürlich ein großer Erfolg – und dass eine Metropole mit fast vier Millionen Einwohnern zwei Bundesligisten verträgt, steht auch für Union-Präsident Zingler außer Frage. „Stadtderbys sind das Salz in der Suppe und heben den Fußball noch mal in eine andere Dimension", sagt er.

5. Wie steht Hertha BSC zum Aufstieg der Unioner?

Michael Preetz, der Manager von Hertha BSC, sprach noch am Montagabend via Twitter staatsmännische Glückwünsche aus. Der offizielle Account des Erstligisten aus dem Westend hingegen konnte sich eine kleine Spitze in den Südosten der Stadt nicht verkneifen. „Wir freuen uns auf erstklassige Derbys …“, twitterte Hertha – um dann die Bilder von einem Freistoßtor des Brasilianers Ronny in einem zweitklassigen Derby beider Teams vor sieben Jahren einzuspielen. Und zum Abschluss noch: „… und sechs Punkte.“

Was sich neckt, das liebt sich. Wobei es mit der Liebe zwischen Hertha und Union nicht mehr ganz so weit her ist. Ältere Fans haben noch die Zeit erlebt, als eine Mauer die Stadt teilte und Hertha und Union – gezwungenermaßen – so wenige Berührungspunkte hatten, dass sie auch ganz gut befreundet sein konnten. Spielte Hertha irgendwo im Ostblock, wurde die Mannschaft ganz selbstverständlich von Anhängern aus Köpenick unterstützt. Und beim großen Verbrüderungsspiel im Olympiastadion im Januar 1990, zwei Monate nach dem Fall der Mauer, lagen sich Blau- und Rot-Weiße rührselig in den Armen. Aber im Laufe der Jahre hat man sich so weit auseinandergelebt, dass aus Freundschaft irgendwann Gleichgültigkeit wurde und inzwischen, zumindest bei Teilen der Ultras, sogar offene Feindschaft: „Scheiß Union!“ gehört in Herthas Ostkurve längst zu den gesellschaftlich akzeptierten Schlachtrufen.

Als Union vor zehn Jahren die umgebaute und erweiterte Alte Försterei einweihte, war die große Hertha eigens zur Stadioneröffnung eingeladen worden. Unions Stadionsprecher Christian Arbeit hielt das nicht davon ab, den Gästen aus dem Westen höhnisch zuzurufen: „Wir haben immerhin ein Zuhause, und ihr?“ Darüber hinaus forderte er den eigenen Anhang auf, „die Herthaner zurück nach Charlottenburg zu schicken“. Bei den Charlottenburgern ist das nicht ganz so gut angekommen.

Trotzdem hat Hertha einen möglichen Aufstieg Unions in den vergangenen Jahren immer wieder prophylaktisch gutgeheißen. Unter anderem in der Hoffnung, dass in Berlin mehr über Fußball geredet wird, dass er ein größeres Gewicht bekommt in einer Stadt, die so viele andere Attraktionen zu bieten hat. Ganz praktisch bedeutet Unions Aufstieg für Hertha zunächst einmal eine saftige Mehreinnahme, weil das riesige Olympiastadion in der nächsten Saison ein drittes Mal (neben Bayern und Dortmund) ausverkauft sein wird. „Es tut Berlin ausgesprochen gut, nun zwei Bundesligisten zu haben“, findet Manager Preetz. „Wir werden uns nicht ins Gehege kommen.“

6. Welchen Stand gibt es in der Diskussion über den Stadionausbau und die Infrastruktur?

Union hat die Lizenz für die Bundesliga ohne vereinsspezifische Auflagen erhalten. Zwar gibt es im Stadion An der Alten Försterei zu wenig Sitzplätze (nur 3617 statt der von der Deutschen Fußball-Liga vorgeschriebenen 8000), Union erhält aber für mindestens eine Saison eine Ausnahmegenehmigung.

Der bereits geplante Stadionausbau von 22.000 auf 37.000 Plätze wird vorerst verschoben, bisher liegt aber ohnehin kein Baurecht vor. Zingler hat am Dienstag noch einmal ausgeschlossen, dass in der ersten Bundesliga-Saison gebaut wird. Grundsätzlich ist der Union-Präsident aber zuversichtlich, dass alle rechtlichen Hürden demnächst aus dem Weg geräumt werden können. Bisher gibt es vor allem Probleme mit dem Verkehrskonzept. Schon bei der aktuellen Stadionkapazität kollabiert der Verkehr rund um das Stadion regelmäßig.

Der Takt der S 3 ist nicht eng genug und der Weg vom S-Bahnhof Köpenick zum Stadion recht weit. Auch die Straßenbahnlinien sind nicht für solche Menschenmassen konzipiert und die Autos stauen sich an Spieltagen schon weit vor dem Stadion. Diskutiert werden ein neues Parkhaus in Stadionnähe, eine Wendeschleife für den Tramverkehr und ein weiterer Zugang zum S-Bahnhof Köpenick in Richtung Stadion. Die Senatsverwaltung für Verkehr prüft den Fall noch.

7. Wie feiert Union den Aufstieg?

Nach der spontanen Party direkt nach Spielschluss, die sich bis in die frühen Morgenstunden hinzog, gibt es am Mittwoch eine offizielle Aufstiegsfeier. Um 14.30 Uhr sind Team und Vereinsführung im Roten Rathaus zu Gast. Dort werden sie vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller empfangen und tragen sich ins Gästebuch der Stadt ein.

Um 16 Uhr startet die Feiergesellschaft dann vom Bootsanleger nahe der Arena am Ostbahnhof auf der Viktoria Richtung Osten. Um 18.30 Uhr steht ein Besuch auf dem Balkon des Rathauses Köpenick auf dem Programm und anschließend geht es Richtung Stadion An der Alten Försterei, wo bis 22 Uhr gefeiert werden soll.

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