Designklassiker: Unikate der Natur
Kunstvolle Holzmöbel bauten schon die alten Ägypter. Heute inspiriert das Material immer noch - eine Liebeserklärung.
Manchmal erschien es so, als sei der nicht nur wunderschöne, sondern auch noch nachwachsende Rohstoff Holz im Möbeldesign längst überflügelt - von chemisch erzeugten Kunststoffmaterialien, von Edelstahl und von perfekten Farblack-Oberflächen. Aber gerade durch die Perfektion der Oberflächen erscheinen diese Materialien oft leblos, sind vielen Menschen zu glatt, zu kühl und unpersönlich.
Dagegen hat natürlich gewachsenes Holz eine Struktur und Haptik, die einzigartig ist: Die unverwechselbare, individuelle Maserung gibt jedem Möbel fast etwas von einem Unikat. Die verschiedenen Holzarten haben angenehm warme Farbtöne; sie reichen vom dunkelbraunen Nussbaum bis zum blassgelben Ahorn und vom hellsandfarbenen Eichenholz bis zum rotbraunen Teak. Es sind Farbtöne, die dem Auge wohltun, sogar beim Anfühlen erscheint uns eine Holzoberfläche sympathisch und warm.
Die Farbe des Holzes bleibt jedoch nicht gleich, sie verändert sich im Laufe der Zeit durch Lichteinfall, das Holz setzt Patina an, meist wird es etwas dunkler und warmtoniger. Ich finde diese leichte Veränderung positiv, denken Sie beispielsweise an die honigfarbene Tönung des Kirschbaumholzes alter Biedermeiermöbel.
Holz hat als Material des Möbelbaus eine sehr lange Tradition: Schon bei Ausgrabungen in Ägypten fand man schön geschwungene Betten, Hocker und Stühle aus dem Holz der Pharaonenzeit - 1323 v. Chr.! Ich will hier nicht auf die verschiedenen Stilarten der späteren Jahrhunderte eingehen, das würde sicher zu weit führen.
Shakermöbel: Unübertroffen schlicht und schön
Eine historische hochinteressante Entwicklung möchte ich jedoch hervorheben: Ich denke an eine sehr viel spätere Zeit, in der aus der religiösen Sekte der Shaker im 19. Jahrhundert ein ganz eigener, funktionaler Möbelstil hervorging, der in seiner Schlichtheit und Schönheit unübertroffene Holzmöbel hervorbrachte, die ganz im Gegensatz zu dem damals vorherrschenden verschnörkelten Historizismus standen. Ich hatte 2009 die Chance, ein noch bestehendes Shaker-Dorf in New England zu besuchen und die wundervollen Holzarbeiten im Original zu sehen.
Sie sind vorzugsweise aus amerikanischem Kirschbaumholz in bester Handwerks-Tradition gearbeitet. Es entstanden damals Esstische, Sprossenstühle und Kommoden; berühmt sind auch die ovalen Kirschholz-Dosen. Die wunderschönen Möbel sind auf Grund ihrer funktionalen Gestaltung, bei der auf jegliches Dekor verzichtet wurde, als Vorläufer der Moderne anzusehen.
Elegant in Form gepresst
Die beginnt mit einer genialen Idee: Michael Thonet erfand eine ganz neue Form der Holzverarbeitung: Er dämpfte schlanke Buchenholzstäbe, damit sie weich und formbar wurden, und bog sie zu ganz neuartigen Möbelformen: Es entstanden wundervoll filigrane, gerundete Stühle, die sogar für den Transport zerlegbar waren. Es war der Beginn der industriellen Möbelherstellung.
Dabei kommt heute vorzugsweise Holz in einer ganz anderen Erscheinungsform zur Verarbeitung. Es ist vor allem die Schichtholz-Verformung, die im Vordergrund steht. Schon in den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts begannen Charles und Ray Eames, sich mit dieser Entwicklung zu befassen. Es waren in Formen gepresste und verleimte Furnierschichten, die zu leichten und neuartigen Schalenformen verarbeitet wurden. Die äußeren Deckflächen bestanden aus edlen Holzfurnieren, oft war es Palisander oder Nussbaum - besonders schön zu sehen bei einem seiner bekanntesten Entwürfe: dem Eames-Loungechair, jetzt hergestellt von Vitra.
Viele berühmte Designer haben sich mit dieser Form der Holzverarbeitung beschäftigt. So entwarf der dänische Architekt Arne Jacobsen 1955 den Holz-Schalenstuhl schlechthin, genannt "Serie 7", der heute in zehn Holzarten hergestellt wird und zusammen mit Jacobsens "Ameise" längst ein moderner Klassiker geworden ist. Die Schale dieses Stuhles federt leicht und wird auf ein graziles Stahlrohrgestell aufgesetzt. Hersteller ist die Firma Fritz Hansen.
Auch von den heutigen Designern wird diese Schalenform aus Holzfurnieren oft angewendet - wobei es Stefan Diez gelungen ist, mit seinem "Houdini"-Stuhl für E15 eine sehr eigenständige Form zu finden.
Eine weitere Anwendungsform sind Edelholzfurniere, die auf Trägerplatten aus Holzwerkstoffen großflächig aufgeleimt werden. Diese Methode wird bei Kastenmöbeln angewendet, und verleiht großen Flächen durch die Maserung und Farbe des Holzes mehr Individualität und Wärme. Ein Beispiel dafür ist mein Entwurf "Lumeo", hergestellt von der französischen Firma Ligne Roset. Hier habe ich eine großflächige Schrankwand durch eine schachbrettartige Furnierung, bei der die Holzrichtung immer wieder wechselt, in eine spannende Form gebracht.
Die Bohlen müssen mehrere Jahre sorgfältig abgelagert werden
Die archaische Wirkung des Holzes in seiner prägnantesten Form findet man bei Massivholz, auch als solid wood bezeichnet. Hier setzt sich immer mehr die Verarbeitung des Holzes in seiner natürlichsten Wuchsform durch - mit allen gewachsenen Unregelmäßigkeiten.
Sogar fest eingewachsenen Äste werden akzeptiert, sind sie doch gerade ein sichtbarer Beweis der Natürlichkeit. Die Firma E15 hat mit ihrem Tisch "bigfoot", entworfen von Philipp Mainzer, im Jahr 1995 den Klassiker eines Massivholztisches auf dem Markt gebracht.
Der Holzstuhlbau, bei dem meistens massives Holz verwendet wird, hat eine sehr lange Designtradition. Hier ist es vor allem der Däne Hans J. Wegner, der Ikonen entworfen hat: so zum Beispiel den "Wishbone Chair" (Y-Stuhl) von 1950, und den "China Chair".
Massivholz ist im Möbelbau das wertvollste Material, allerdings auch das anspruchsvollste. Heute sind es vor allem Nussbaum und Eichenholz, die verwendet werden. Die Bohlen müssen vor der Verarbeitung mehrere Jahre sorgfältig abgelagert werden, damit später keine Risse im Holz entstehen.
Trotzdem lassen Klimaschwankungen das Holz immer noch etwas "arbeiten" - es kann sich dann leicht ausdehnen oder verziehen. Es gehört viel Erfahrung und Sachverstand dazu, es richtig zu verarbeiten.
Bei der langjährigen fruchtbaren Zusammenarbeit mit dem japanischen Hersteller Conde House - bei dem viele meiner Entwürfe realisiert wurden, wie zum Beispiel die Kollektion "Tosai"- habe ich sehr viel über Holzverarbeitung gelernt. Japanisches Handwerk hat eine lange Tradition; seine Qualität ist unübertroffen. Dort habe ich einen ganz besonderen Fachmann kennengelernt, der das Holz geradezu "lesen" kann - er weiß schon aufgrund des genauen Besehens einer Holzbohle, wo das Holz später reißen wird.
Ippongi - aus einem Stück
Mit Kreide markiert er die kritischen Stellen, die dann beim Zuschneiden entweder vermieden oder mit "Schwalbenschwänzen" - so nennt man die Verbindungsteile - gesichert werden. Oft sind diese bei einer fertigen Tischplatte sogar besonders reizvoll anzusehen, denn sie bestehen aus kontrastierendem, dunklem Ebenholz.
Das richtige Zusammenfügen will auch gekonnt sein: Die Japaner nennen es Ippongi - ins Deutsche übersetzt "aus einem Stück". Hierbei verwendet man nur Holzbohlen aus einem Baum, die dann spiegelbildlich zusammengesetzt werden. So entstehen besonders ausdrucksvolle und kraftvolle "Holz-Bilder".
Die Tischplatten werden meistens sogar mit den sichtbaren Außenkanten des Baumes verarbeitet, die natürlich nach dem Entfernen der Rinde poliert werden. Dadurch wird die Ursprünglichkeit noch unterstützt, der Baum wird sozusagen wieder sichtbar gemacht. Ein Beispiel dafür ist der "Tosai"-Tisch. Bei diesem Entwurf habe ich eine solche Platte mit einem kontrastierenden Metallgestell verbunden.
Mein Plädoyer für das Naturholz hat natürlich seine Wurzeln: Sie sind in meiner beruflichen Ausbildung zu finden, denn vor meinem Studium der Innenarchitektur machte ich eine dreijährige Lehre in einer traditionellen Tischlerei, die ich mit dem Gesellenbrief abschloss.
Am Geruch erkannt
Dort war der tägliche Umgang mit Holz selbstverständlich. Ich erlernte die handwerklichen Fertigkeiten und die klassischen Holzverbindungen; auch die Besonderheiten der verschiedenen Holzarten wurden mir vertraut. Noch heute habe ich deren individuellen Duft in der Nase und kann die Hölzer danach unterscheiden.
Auch wenn ich in meiner vierzigjährigen Entwurfsarbeit, die nach meinem Studium folgte, mit zahlreichen anderen Materialien erfolgreich gearbeitet habe - es gab zum Beispiel lange Phasen, in denen ich viele Lackmöbel entwarf -, so habe ich, wie Sie es vermutlich schon längst gemerkt haben, meine Liebe zum lebendigen Material Holz nie verloren. Im Gegenteil - sie wurde in den letzten Jahren ganz neu befeuert!
Peter Maly