Kinderrechte: Unicef prangert Umgang mit Flüchtlingskindern an
Das UN-Kinderhilfswerk Unicef wirft Deutschland vor, geflüchtete Kinder schlechter zu behandeln als deutsche. Tausende können noch immer nicht zur Schule gehen.
Rechtlich sind in Deutschland alle Kinder gleichgestellt. Natürlich. Jedes Kind, das in Deutschland lebt, hat Anspruch auf Bildung und auf Schutz. Auch jedes Flüchtlingskind. Doch die Realität sieht anders aus. Das UN-Kinderhilfswerk Unicef prangert in einem aktuellen Lagebericht „eine zunehmende Ungleichbehandlung von Flüchtlingskindern in Deutschland“ an. Anders als gleichaltrige deutsche Kinder würden geflüchtete Kinder in Flüchtlingsunterkünften nicht ausreichend vor Gewalt geschützt. Nicht einmal die medizinische Versorgung sei gewährleistet. Vor allem in Erst- und Notunterkünften herrschten keine kindgerechten Bedingungen. Viele Familien lebten sechs Monate und länger in Turnhallen, wo es keinerlei Privatsphäre gebe und die sanitären Einrichtungen meist mangelhaft seien. „Es gibt zweifellos ein großes Engagement von Schulen, Verbänden und Kommunen. Aber mancherorts werden die Belange von Kindern auch schlicht ignoriert“ sagte der Sprecher von Unicef Deutschland, Rudi Tarneden, dem Tagesspiegel.
Bundesweit gehen offenbar tausende Flüchtlingskinder nicht zur Schule. Allein in Berlin fehlten laut Bildungsstaatssekretär Mark Rackles zuletzt 2600 Schulplätze. Christian Lüder von „Berlin hilft!“ weiß sogar von Kindern, die seit einem Jahr in Berlin leben und noch immer nicht in die Schule gehen. Der Aufbau von Willkommensklassen habe mit der Entwicklung nicht Schritt gehalten. „Die Lage bessert sich aber allmählich“, sagte Lüder dem Tagesspiegel. Teilweise meldeten die Betreiber von Unterkünften Kinder aber auch nicht ordnungsgemäß an, zudem zögen manchmal Familien aus Unterkünften aus und meldeten ihre Kinder dann nicht um. Die Situation sei in den Berliner Bezirken sehr unterschiedlich, erläutert Lüder.
Große Unterschiede innerhalb Deutschlands
Unicef sieht auch bundesweit große Unterschiede. Schwere Versäumnisse sieht das Hilfswerk besonders im Umgang mit Kindern ohne Bleibeperspektive. Sie werden mit ihren Familien oft in Sondereinrichtungen untergebracht, in denen es zwar Bildungsangebote gibt, aber keine regulären Schulen. „Auch Kinder, die zuvor eine Regelschule besucht haben, müssen dorthin umziehen“, erklärt der Unicef-Sprecher. „Dabei haben auch diese Kinder einen rechtlichen Anspruch auf Gleichbehandlung.“
Alle Kinder, die nach Deutschland kommen, bräuchten schnellstmöglich Zugang zu Bildung, notfalls müsse eine Versorgung in den Unterkünften organisiert werden, heißt es bei Unicef. „Flüchtlingskinder haben oft Angst und brutale Gewalt erfahren. Sie brauchen besonderen Schutz und besondere Fürsorge.“ Generell fehle eine verlässliche Datenbasis. „Niemand weiß, wie viele Kinder überhaupt nach Deutschland gekommen sind“, sagte der Sprecher. Unicef appelliert daher an die Bundesregierung, die Datenlage zu Flüchtlingskindern zu verbessern und eine bundesweit einheitliche Regelung zur angemessenen Unterbringung von Flüchtlingskindern zu schaffen. Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) widersprach der Darstellung des Kinderhilfswerks nicht. „Der Lagebericht von Unicef zeigt: Eine bundesgesetzliche Regelung ist notwendig“, heißt es in einer Erklärung der Ministerin. Der Schutz von Frauen und Kindern dürfe nicht vom Zufall abhängen. Sie sei mit den Ländern im Gespräch.