Lage in Camps „unmenschlich und beschämend“: UNHCR richtet Hilferuf an die Bundesregierung
Mit der Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Elendscamp Moria auf Lesbos kommt es nicht voran. Das UN-Flüchtlingskommissariat wird jetzt laut.
Das UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR hat vor dem Hintergrund der Corona-Krise Deutschland aufgerufen, die angekündigte Aufnahme von Kindern und Jugendlichen aus den völlig überfüllten Camps in Griechenland schnell umzusetzen. „Diese Menschen brauchen dringend Hilfe und jeder Tag zählt“, sagte Frank Remus, Repräsentant des Hohen UN-Kommissars für Flüchtlinge, am Montag dem Tagesspiegel.
In Anspielung auf die Zusage von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), laut der sich Deutschland an der Aufnahme von Kindern und unbegleiteten Minderjährigen beteiligen wolle, sagte Remus: „Wir sind der Bundesregierung dankbar für ihre Solidarität. Um den Kindern von Lesbos aber wirklich zu helfen, muss diese Solidarität jetzt auch schnell umgesetzt werden.“
Seehofer hatte am vorvergangenen Wochenende einschränkend erklärt: „Das Heft des Handelns liegt jetzt bei der Kommission.“ Erkennbar getan hat sich seitdem nichts. Einzelne Landesregierungen wie Berlin wollen jetzt in Eigenregie tätig werden, wie beispielsweise der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) am Montag für die Hauptstadt erklärte.
„Wenn nicht sehr schnell auf Bundesebene etwas passiert - und das ist für mich eher eine Frage von Stunden als noch Tagen -, dann ist Berlin auch bereit, zusammen mit zivilgesellschaftlichen Organisationen eigene Schritte zu gehen und Menschen aus Lesbos auszufliegen“, sagte Behrendt dem Tagesspiegel. Er sprach - bezogen auf die Hauptstadt - von 500 bis 1500 oder sogar noch mehr Geflüchteten.
Mitte März hatte sich Deutschland mit anderen EU-Staaten wie Frankreich, Irland, Portugal und Finnland Mitte März geeinigt, insgesamt 1600 Flüchtlinge aus den griechischen Lagern zu holen. Hier war vornehmlich von Minderjährigen die Rede.
Großer Teil der Flüchtlinge soll aufs Festland
UNHCR-Repräsentant Remus, der erst seit Anfang März der oberste Vertreter des Hohen Flüchtlingskommissars Filippo Grandi in Deutschland ist, nannte die Lage in den Aufnahmezentren auf den griechischen Inseln „unmenschlich und beschämend“. Extreme Überfüllung, eine völlig unzureichende sanitäre Situation und fehlende medizinische Versorgung gaben nach seinen Worten schon vor der Corona-Pandemie Anlass zu großer Sorge. Diese Bedingungen würden die Infektionsgefahren dramatisch erhöhen.
Um die Situation jetzt nachhaltig zu entschärfen, müssten Zehntausende Menschen von den Inseln auf das griechische Festland geholt und Überbelegung künftig konsequent ausgeschlossen werden, verlangte Remus: „In Lesbos zum Beispiel müssen 20.000 Menschen in Einrichtungen leben, die für 3000 Menschen gemacht wurden.“
Mindestens 17.000 auf das Festland zu bringen und menschenwürdig unterzubringen, sei menschenrechtlich und aus humanitärer Sicht geboten und zudem aus Gründen der öffentlichen Gesundheit zwingend, verlangt das UN-Flüchtlingskommissariat. Die griechische Regierung solle hierbei von der EU hinreichend unterstützt werden. „Für die Menschen bedeutet es aber den Unterschied, ob ihre Würde antastbar ist oder nicht.“