Bamf-Skandal: Ungeschickte Reaktion
Der Korruptionsskandal um 1200 Asylverfahren muss lückenlos aufgeklärt werden, aber ohne falschen Aktionismus à la Seehofer. Ein Kommentar.
Eine bessere Unterstützung als die Korruptionsaffäre beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) kann sich die rechtspopulistische Alternative für Deutschland eigentlich gar nicht wünschen. Gratiswahlwerbung für die Fremdenfeinde ein halbes Jahr vor den Landtagswahlen in Bayern und Hessen.
1200 Asylanträge soll eine leitende Mitarbeiterin der Bamf-Außenstelle in Bremen positiv beschieden haben, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen dafür nicht gegeben waren. Im Gegenzug soll sie Essenseinladungen oder Hotelübernachtungen bezahlt bekommen haben. Bewiesen ist noch nichts, aber sollte sich der Verdacht gegen sie und ihre drei Komplizen, Rechtsanwälte aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen erhärten, handelt es sich um einen echten Skandal.
Die Reaktion von Bundesinnenminister Horst Seehofer ist aber, vorsichtig formuliert, ungeschickt. Mit großem Brimborium erklärt er die Affäre zur Chefsache, verspricht eine unabhängige Untersuchungskommission und fordert alle Beteiligten in Asylverfahren auf, sich bei Ungereimtheiten direkt an ihn zu wenden.
Natürlich steht es außer Frage, dass die schwerwiegenden Vorwürfe aufgeklärt werden müssen, aber dafür gibt es im Rechtsstaat Deutschland die Polizei, Staatsanwaltschaften und Strafgerichte, die im Bremer Fall bereits wegen Bestechlichkeit und „bandenmäßiger Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung“ ermitteln und im Falle einer Anklage ein Urteil sprechen werden.
Seehofer läuft mit seiner aktionistischen Symbolpolitik dagegen Gefahr, die Erwartungen der Öffentlichkeit zu enttäuschen. Wer suggeriert, er, der Superminister, könnte die Flüchtlings- und Asylproblematik im Alleingang lösen, muss zwangsläufig scheitern. Noch schlimmer ist, dass er mit seinem Vorgehen die Erosion des Vertrauens in staatliche Institutionen weiter verstärkt.
Und es gibt viel zu viele Seehofers. Das zeigt auch der Umgang der Politik mit dem antisemitischen Angriff auf einen jungen Israeli am Helmholtzplatz in Prenzlauer Berg. Prominente Vertreter von Union, SPD und Grünen überboten sich danach in ihren Forderungen, den mutmaßlichen Täter, der aus Syrien stammt, abzuschieben. Leider erwähnte keiner von ihnen, dass im Falle Syriens derzeit ein absoluter Abschiebestopp gilt.
Dass es auch anders geht, zeigt Seehofers Parteikollege Gerd Müller. Der Entwicklungshilfeminister hat am Wochenende bei seinem Besuch im Irak mit der Regierung in Bagdad eine Zusammenarbeit bei der Rückkehr und der Reintegration von 10 000 Flüchtlingen vereinbart. Mit deutscher Hilfe werden weitere Beratungs- und Ausbildungszentren im Irak geschaffen, die den Rückkehrern den Start in der Heimat erleichtern sollen. So verhindert man, dass sie als Verlierer zurückkommen und bekämpft wirksam die Fluchtursachen direkt vor Ort, indem man auch die irakische Wirtschaft stärkt.
Chefgehabe à la Horst Seehofer gepaart mit aktionistischer Symbolpolitik führt dagegen bestenfalls zu enttäuschten Erwartungen. Im schlechteren Fall treibt man damit noch weitere Wähler in die Arme der AfD.