Europäischer Gerichtshof: Ungarn will Abstimmung des EU-Parlaments zu Strafverfahren anfechten
Das EU-Parlament hat vergangene Woche mehrheitlich für die Einleitung eines Strafverfahrens gegen Ungarn gestimmt. Budapest will das Votum nicht anerkennen.
Ungarn wendet sich an den Europäischen Gerichtshof (EuGH), um das Ergebnis der Abstimmung im Europaparlament anzufechten. Dieses Votum hatte zur Einleitung eines Rechtsstaatsverfahrens gegen Budapest geführt.
Bei der Abstimmung sei die erforderliche Zweidrittelmehrheit nur deshalb zustande gekommen, weil die Stimmenthaltungen nicht mitgezählt worden seien, sagte der ungarische Kanzleramtsminister Gergely Gulyas am Montagabend in Budapest. „Das Ergebnis der Abstimmung ist deshalb falsch festgestellt worden, das Verfahren ist nicht durchzuführen“, sagte der Politiker nach Angaben der Nachrichtenagentur MTI.
Das Europaparlament hatte am vergangenen Mittwoch Ungarn eine „systemische Bedrohung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte“ bescheinigt und ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 der Europäischen Verträge ausgelöst. Im schlimmsten Fall kann dieses zum Entzug der Stimmrechte des osteuropäischen EU-Mitgliedslandes in den EU-Gremien führen.
Bei der Abstimmung im Europaparlament war eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. In der Regel werden bei der Ermittlung des Ergebnisses die Stimmenthaltungen nicht berücksichtigt. Bei dem Votum hatten 448 Abgeordnete für die Auslösung des Sanktionsverfahrens gestimmt, 197 dagegen. 48 hatten sich der Stimme enthalten.
EU-Justizkommissarin Vera Jourova hat die Entscheidung des EU-Parlaments für ein Strafverfahren gegen Ungarn verteidigt. „Ich habe mein halbes Leben im Totalitarismus verbracht und bin sehr empfindsam für Augenblicke, die mir das Gefühl geben, in diese Zeit zurückgekehrt zu sein“, sagte sie nach einem Bericht des tschechischen Fernsehens CT vom Dienstag. Diese Tendenzen sehe sie in Ungarn, und deshalb sei es gut, auf Ungarn Druck auszuüben.
Jourova kritisierte die Haltung der Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban, der in Budapest mit einer Zweidrittelmehrheit regiert. Diese beschrieb sie wie folgt: „Ich habe die Wahlen gewonnen, ich habe die Mehrheit, ich habe alles.“ Jourova forderte, diese Machtfülle müsse „in irgendeiner Weise ausbalanciert“ sein.
Die Tschechin ist seit 2014 EU-Kommissarin. Sie gehört der ANO-Partei des tschechischen Regierungschefs Andrej Babis an. Der Milliardär ist selbst Vorwürfen bezüglich Interessenskonflikten und mutmaßlichen Subventionsbetrugs ausgesetzt. (dpa)