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Ein Demonstrantin beim "Black Live Matter" Protest im Juni 2020
© Roberto Schmidt/AFP

„Wir wären vielleicht erschossen worden“: Und wenn die Kapitol-Demonstranten schwarz gewesen wären…?

Seine weißen Anhänger ließ Trump beim Sturm auf das Parlament gewähren. Den friedlichen Protest von Schwarzen an gleicher Stelle ließ er niederschlagen.

Polizisten dreschen mit Schlagstöcken auf Protestler ein, es fliegt Tränengas. Reiterstaffeln drängen die Demonstranten zurück. Gummigeschosse werden in die Menge geschossen, um sie zu zerstreuen. Ein schwer bewaffneter Ring der Nationalgarde ist zum Schutz aufgebaut. Das ist der eine entscheidende Tag in der US-Präsidentschaft von Donald Trump.

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Der andere entscheidende Tag sieht so aus: Sicherheitsbeamte machen erstmal Selfies mit den Demonstranten. Als diese Absperrungen überwinden, ergreifen sie die Flucht. Es sind die Ordnungshüter, die zurückgedrängt werden – nicht die Demonstranten. Die Nationalgarde wird erst gerufen, als es bereits zu spät ist.

Die beiden Momente unterscheiden sich wie schwarz und weiß. Und in diesem Fall – das muss man nach vier Jahren Trump so sagen – dürfte es auch daran liegen, dass die Menschen sich unterscheiden: in Schwarze und Weiße.

Beim ersten entscheidenden Tag, im Juni 2020, reagierte der US-Präsident auf die Black-Lives-Matter-Bewegung mit aller Härte. Nach dem Tod von George Floyd, der starb, weil ihm ein Polizist aus Minneapolis sein Knie in den Nacken gedrückt hatte, kam es zum Protest gegen Polizeigewalt und Rassismus – auch in Washington wurde demonstriert, nur einen Block vom Kapitol entfernt. Das Ansinnen: die Einhaltung des Gesetzes. Und ein Ende der Straffreiheit für die Tötung schwarzer Amerikaner durch die Polizei.

Die Menge verhielt sich friedlich. Trotzdem hatte Trump bereits im Vorfeld die Nationalgarde gerufen, gepanzerte Fahrzeuge inklusive. Die Soldaten standen in voller Kampfmontur auf genau den Treppen des Parlamentsgebäudes, die ein halbes Jahr später die Hardcore-Trumpisten erstürmen. Gegen schwarze Bürgerrechtler waren insgesamt gut 5000 Mann im Einsatz. Ein Armeehubschrauber flog im Tiefflug über die Köpfe der Demonstranten hinweg.

Es ist das erste Mal seit 1812, dass der Zugang zum Kapitol durchbrochen wird.
Es ist das erste Mal seit 1812, dass der Zugang zum Kapitol durchbrochen wird.
© Win McNamee/Getty Images/AAFP

Und als Trump für einen kurzen Fototermin mit einer Bibel in der Hand die nahe gelegene Kirche besuchen wollte, kam es zum Eklat. Er ließ sich den Weg für den 17 Minuten langen Termin mit Tränengas und Gummigeschossen in die Menge freischießen.

Im Januar 2021 sind es dagegen die Pro-Trump-Demonstranten, die – angestachelt durch den Präsidenten persönlich – Metallzäune durchbrechen auf dem Weg zum Kapitol, dem Herzen des US-Demokratie. De facto besetzen sie das Gebäude für mehrere Stunden. Ihr Ansinnen: eine faire Wahl Wahl zu untergraben. Und im Vorfeld war zudem bekannt, dass viele von ihnen bewaffnet sein würden.

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Diese Ausschreitungen bezeichnet das Black Lives Matter Global Network als „Coup“. Das Vorgehen sei „ein weiteres Beispiel für die Heuchelei“ der Strafverfolgungsbehörden bei der Raektion auf Proteste.

„Wenn wir Schwarze für unser Leben protestieren, wird uns allzu oft mit Truppen der Nationalgarde oder der Polizei begegnet, die mit Sturmgewehren, Schilden, Tränengas und Kampfhelmen ausgerüstet sind,“ schreibt die Organisation in einer Erklärung. Mit Blick auf den Sturm auf das Kapitol heißt es: „Wenn die Demonstranten schwarz wären, wären wir mit Tränengas beworfen, misshandelt und vielleicht erschossen worden.“

Nun wurde umgekehrt beim zutiefst antidemokratischen Kapitol-Sturm die 35-jährige, glühende Trump-Anhängerin Ashli B. unter bisher noch ungeklärten Umständen erschossen – weil sie sich gewaltsam Zutritt zum Parlamentsgebäude verschaffen wollte. Die Nationalgarde war da jedoch noch weit entfernt. Laut Presseberichten war sie mitunter noch damit beschäftigt, den regulären Verkehr zu regeln. Sie kam erst als Verteidigungsminister Christopher Miller sie einbestellte. Laut „New York Times“ weigerte sich Trump sogar explizit, den Einsatz der Nationalgarde gegen seine Fans zu befehligen: gegen weiße Suprematisten.

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