Haltungsdemokratie Deutschland: Und die naheliegenden Fragen?
Ob Schülerstreik gegen Klimawandel, Kohleausstieg, Atomraketenstreit mit Putin oder Datenschutz gegenüber China: Ideologie schlägt die Fakten. Ein Kommentar.
Deutschland ist eine Haltungsdemokratie. Interessengruppen in Medien und Gesellschaft geben vor, was die drängendsten, ja: die Überlebensfragen unserer Zeit seien und wo man zu stehen habe. Oft werden die naheliegenden Fragen gar nicht mehr gestellt, weil eine angebliche Mehrheit schon vor Prüfung der Fakten weiß, wer die Guten und wer die Bösen sind, was richtig und was falsch ist.
Warum demonstrieren Schüler nicht außerhalb des Unterrichts?
Warum, zum Beispiel, werden Kinder und Jugendliche, die unter Berufung auf die Gefahren des Klimawandels in den Schulstreik treten, als Helden dargestellt? Warum demonstrieren sie nicht an Nachmittagen und Wochenenden und nutzen die Unterrichtszeit dazu, etwas zu lernen, auch über Klimaveränderungen, ihre Ursachen und wie man ihnen wirkungsvoll begegnen kann.
Klar doch, kollektives Schuleschwänzen macht Spaß, früher wie heute, frei nach dem Spontispruch "Wissen ist Macht. Nichts Wissen macht nichts". Der Schülerstreik wird jedoch genauso wenig am globalen Klimawandel ändern wie ein deutsches Grillverbot oder die Verteufelung von Fleischkonsum. Hinzu kommt der Schaden. Der ausgefallene Unterricht hatte Sinn und Wert – und ist nun verloren.
Die Schüler erheben Forderungen, die die ganze Gesellschaft schuldet. Und damit die Gesellschaft ihnen Aufmerksamkeit schenkt, schwänzen sie.Dass dies prima klappt, sieht man unter anderem am Kommentar von Herrn von Marschall.
schreibt NutzerIn tca
Kohleausstieg: Kann man 90 Milliarden nicht effektiver einsetzen?
Mit Klimawandel kann man heute fast alles begründen, sogar eine unsinnige Verschwendung von Volksvermögen, um den Kohleausstieg, der ohnehin gekommen wäre, um wenige Jahre vorzuziehen. 90 Milliarden Euro kostet das laut Schätzungen. Eine riesige Summe! Warum stellt niemand die Frage: Wie und wo würde man 90 Milliarden Euro investieren, wenn das Ziel wäre, die größtmögliche Reduktion von Treibern des Klimawandels zu erreichen?
Am Samstag endet die Frist für die Rettung eines der wichtigsten Abrüstungsverträge für Deutschland: das Verbot atomarer Mittelstreckenwaffen mit einer Reichweite von 500 bis 5500 Kilometer. Laut vorherrschendem Tenor ist Donald Trump schuld, weil er den Vertrag kündigen möchte. Müsste es nicht erst einmal um den Vorwurf gehen, dass die neuen russischen Marschflugkörper gegen den INF-Vertrag verstoßen? Wer glaubt ernsthaft, dass sie nicht weiter als 480 Kilometer weit fliegen, wie Moskau behauptet?
Welche Raketen bedrohen Deutschland: russische oder amerikanische?
Noch verwunderlicher ist, dass die am nächsten liegende Frage für die Haltungsbildung kaum eine Rolle spielt. Wer und was bedroht die Deutschen: russische oder amerikanische Atomwaffen?
Warum treffen China und sein IT-Riese Huawei auf Verständnis mit ihrer Klage, man dürfe Huawei beim Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes nicht ausschließen? Sicherheitsexperten warnen vor der Möglichkeit eingebauter Spionagetools in Huawei-Technik, verbunden mit dem Hinweis, in China müssten Konzerne mit den staatlichen Geheimdiensten kooperieren.
Warum gewinnen deutsche Firmen nicht Ausschreibungen in China?
Eine weitere naheliegende Frage: Warum besteht Deutschland bei Ausschreibungen dieser Größenordnung für öffentliche Güter nicht auf Reziprozität, und es werden nur Firmen aus Staaten akzeptiert, die ihre Großprojekte ebenfalls öffentlich ausschreiben und ausländische Unternehmen zulassen?
Die Psychologie hinter diesen verbreiteten Haltungen: Zwischen Wetter und Klima wird nur selten ein Unterschied gemacht. Guter Wille (Haltung) ist angeblich wichtiger als der reale Nutzen eines Eingriffs (Fakten). Trump ist vielen Deutschen unsympathisch. Auf Wladimir Putin und Xi Jinping richten sich weniger Emotionen. Sie sind den meisten gleichgültig; manche empfinden sogar Bewunderung für autoritäre Führer. Und doch: Warum misstrauen Bürger den eigenen Eliten und Geheimdiensten oder der Nato, die Deutschland schützt, mehr als den potenziellen Gegnern, sei es auf technischem, ökonomischem oder militärischem Gebiet?
Wenn Emotionen praktische Fragen verhindern, entsteht realer Schaden
Schülerstreik, Kohleausstieg, Abrüstung, Datensicherheit: Wenn emotionale oder ideologische Haltungen die naheliegenden Fragen nach den eigenen Interessen und dem praktischen Nutzen verdrängen, ist das nicht nur intellektuell bedauerlich wegen des verpassten Erkenntnisgewinns. Es entsteht realer Schaden. Gesellschaften verkennen ihre Interessen, der Druck der öffentlichen Meinung führt zur Fehlallokation politischer Energie und wirtschaftlicher Ressourcen.
Dann bleiben drängende Aufgaben, bei denen Fortschritt möglich wäre, liegen, weil Politik und Gesellschaft Zeit und Mittel für zweitrangige oder überflüssige Projekte oder ineffektive Lösungsansätze verschwenden. Was könnte die EU erreichen, wenn sie nicht durch die mutwillige Verzögerung der Brexit-Verhandlungen blockiert wäre. Und was ließe sich beim Klimaschutz voran bringen, wenn alle sich auf die Vorschläge konzentrieren, die messbaren Nutzen im globalen Maßstab bringen.