Trump-Nichte über „gefährlichsten Mann der Welt“: Uncle Donald benimmt sich wie ein 3-Jähriger
„It's the integrity, stupid!“: Warum die Anschuldigungen von Mary Trump ihren Onkel die Chancen auf den Wahlsieg im November kosten können. Eine Analyse.
Beim Test für die College-Zulassung soll er betrogen haben. Enge Verwandte habe er mit fiesen Methoden um ihr Millionen-Erbe gebracht. Er benehme sich wie ein dreijähriges Kind unter Liebesentzug. Ethische Werte und moralische Prinzipien seien ihm fremd.
So beschreibt Donald Trumps Nichte Mary den US-Präsidenten in ihrem Buch „Zu viel und nie genug - Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt geschaffen hat“. Sind Donald Trump und sein umstrittenes Verhalten das Produkt einer „dysfunktionalen Familie“, wie die 55-jährige promovierte Psychologin schreibt?
Das Ergebnis eines kaputten Beziehungsgeflechts, das ihren Vater Fred – Donald Trumps Bruder – im Alter von 42 Jahren in den Tod trieb, mutmaßlich in Folge von Alkoholmissbrauch? Auch damals habe weder Bruder Donald noch der Vater und Familienpatriarch, der ebenfalls Fred hieß, dem jüngeren Fred beigestanden.
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Der Präsident bestreitet die Vorwürfe und hat über Wochen versucht, die Auslieferung des Buches gerichtlich untersagen zu lassen. Nächste Woche soll es erscheinen, und der Verlag schürt das Interesse mit pikanten Auszügen in der „New York Times“, der „Washington Post“, dem Sender CNN und anderen prominenten Medien.
Ob Mary Trump nachprüfbare Belege für ihre Anschuldigungen vorlegt oder sich vor allem auf ihre persönlichen Erinnerungen und Gespräche mit Familienangehörigen stützt, ist unklar.
Integrität und Wahlchancen
Das alles spielt sich vier Monate vor der US-Wahl ab. Dass Präsident Trump kein moralisches Vorbild ist, dass er ethische Vorgaben für das Amt und Vorschriften zur Vermeidung von Interessenkonflikten missachtet, ist keine Neuigkeit.
Aber die konkreten Beispiele entfalten kurz vor der Wahl ihre eigene Dynamik. Denn nun wird Trumps Integrität nicht isoliert betrachtet, sondern im direkten Vergleich mit seinem Herausforderer Joe Biden von den Demokraten. Welche Rolle spielt das moralische Ansehen im Wahlkampf?
In den Umfragen für die Wahl im November ist Trump in den vergangenen Wochen deutlich hinter Biden zurückgefallen. Im Schnitt würden sich 49,6 Prozent der US-Wähler für Biden entscheiden, 40,9 Prozent für Trump. Da fließen die Enttäuschungen über die schlechte Corona-Bilanz der USA ein und die Wirtschaftskrise.
Aber auch Trumps persönliches Ansehen hat gelitten. Anfang April hatten 44 Prozent ein positives und 51 Prozent ein negatives Bild von ihm. Jetzt sehen ihn nur 40 Prozent positiv und 56 Prozent negativ.
Die Wall Street stellt sich auf Präsident Biden ein
Die Wall Street hat bereits begonnen, sich auf einen US-Präsidenten Joe Biden einzustellen, auch wenn dessen Pläne für Umwelt- und Klimaauflagen sowie Steuern die Wirtschaft belasten werden.
In dieser Situation muss Trump und muss seine Partei, die Republikaner, Themen finden, mit denen sie die Stimmung zu ihren Gunsten wenden können. Die Debatten um den Rassismus und die Diskriminierung – Trump stellt die Anschuldigungen gegen die Polizei und die weiße Bevölkerungsmehrheit als überzogen dar und hofft so, Wähler für sich zu gewinnen –, um die Sklaverei und der als Kulturkampf inszenierte Streit um den Abbau oder Verteidigung von Denkmälern, etwa für die Generäle der Südstaaten im Bürgerkrieg, haben ihm bisher wenig Entlastung gebracht.
Die Suche nach Themen für eine Wende wird schwerer
Generell wird die Suche nach Themenfeldern, die für ihn günstiger sind und in denen er punkten kann, schwerer, wenn die Schlagzeilen von saftigen Angriffen auf ihn beherrscht werden. Da war kürzlich das Enthüllungsbuch seines früheren Sicherheitsberaters John Bolton.
Er schilderte Trump als einen Präsidenten, der sich für Fakten und Details wenig interessiert, bedenkenlos gegen Vorschriften und Gesetze verstößt, immer nur auf seinen persönlichen Vorteil aus ist und dafür selbst zentrale nationale Interessen der USA hintanstellt.
Parallel erschienen schon damals, Mitte Juni, erste Auszüge aus dem Buch der Trump-Nichte Mary. Beide entfalten Brisanz, weil sie den Glauben bisheriger Trump-Wähler an den Präsidenten erschüttern können. Ihre Angriffe kommen nicht vom politischen Gegner, sondern sozusagen aus den eigenen Reihen.
Die Enthüllungsbücher zielen auf Trump-Wähler
Bolton ist ein anerkannter Erzkonservativer, also glaubwürdig für Republikaner. Mary ist Mitglied der Familie. Und die ist ein wichtiger Wert für Konservative und für typische Trump-Wähler. In „Too Much and Never Enough: How My Family Created the World’s Most Dangerous Man“ beschreibt die 55-Jährige den Trump-Clan als kaputte Familie, in der niemand – außer ihr – sich traue, die Wahrheit zu sagen.
„Donalds Ego ist eine äußerst fragile Barriere zwischen ihm und der realen Welt – das ist es schon immer gewesen“, schreibt Mary Trump darin. Mit diesem Problem habe er sich nie ernsthaft auseinandersetzen müssen, "das hat er dem Geld und der Macht seines Vaters zu verdanken.“
Die Kindheit ihres Vaters Fred, schreibt Mary, und die des jüngeren Bruders Donald sei ein Albtraum gewesen mit „Traumata, zerstörerischen Beziehungen und einer tragischen Kombination von Vernachlässigung und Missbrauch“.
Ihr Vater Fred überwarf sich mit der Familie und starb mit 42 Jahren an einem Herzinfarkt, der wohl Folge seiner Alkoholabhängigkeit war. Weder der Vater noch Bruder Donald hätten ihm beigestanden gegen die Sucht. Sie behauptet auch, Onkel Donald habe sie bei der Verteilung des Erbes ihres Großvaters übervorteilt.