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Israelischer Luftschlag in Gaza.
© dpa
Update

Krieg gegen Hamas: UN sehen Hinweise auf Kriegsverbrechen durch Israel

Die UN halten die humanitäre Situation in Gaza für nicht mehr haltbar. Menschenrechtskommissarin Navi Pillay warnt vor "Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit". Auch der Hamas machte sie Vorwürfe.

Die israelische Militäroffensive im Gaza-Streifen geht in die dritte Woche. Ziel des Einsatzes ist es, den andauernden Raketenbeschuss auf israelisches Gebiet und direkte Angriffe von Anhängern der radikalen Hamas zu unterbinden, die durch Tunnels aus dem Gaza-Streifen nach Israel gelangen. Trotz internationaler Vermittlungsbemühungen ist kein Ende der Gewalt in Sicht. UN-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay sieht Hinweise auf Kriegsverbrechen durch die israelische Seite. "Es scheint eine starke Möglichkeit zu geben, dass das humanitäre Völkerrecht in einer Weise gebrochen wurde, die Kriegsverbrechen darstellen könnte", sagte Pillay am Mittwoch bei einer Dringlichkeitssitzung des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen im schweizerischen Genf. Sie ging dabei auf israelische Angriffe ein, bei denen im Gazastreifen Zivilisten und auch Kinder getötet wurden.

Pillay rief Israel und die Hamas nachdrücklich auf, die Zivilbevölkerung bei den Kämpfen im Gazastreifen zu schützen. Wer sich nicht an diese internationalen Menschenrechte halte, laufe Gefahr, „Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ zu begehen, sagte sie. Sie zweifelte an, dass Israel alles tue, um zivile Opfer zu vermeiden. Jede Warnung vor einem Angriff müsse den Menschen, darunter Alten und Kranken, auch die Zeit zur Flucht geben, sagte Pillay.

Der Hamas warf Pillay "wahllose Angriffe" auf Wohngebiete in Israel vor. "Einmal mehr werden die Prinzipien der Unterscheidung und der Vorsicht nicht deutlich beachtet", sagte sie. Die Sondersitzung war von den Palästinensern und den arabischen Staaten einberufen worden. Die europäischen Länder und die USA unterstützten die Einberufung nicht. In einem Resolutionsentwurf wurde gefordert, die israelische Offensive zu verurteilen. Der palästinensische Außenminister Riad Malki sagte in Genf, Israel begehe im Gazastreifen "abscheuliche Verbrechen". In der Sondersitzung soll auf Antrag arabischer und muslimischer Staaten eine Resolution verabschiedet werden, in der unter anderem eine UN-Untersuchungskommission gefordert wird. Sie solle Menschenrechtsverstößen nachgehen.

UN-Organisation: Situation nicht mehr haltbar

Die Menschen im Gazastreifen brauchen aus Sicht der Vereinten Nationen endlich eine Lebensperspektive. Ein einfaches Zurück zur Situation vor der israelischen Militäroffensive sei nicht vorstellbar, sagte der Direktor des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA), Pierre Krähenbühl, der Schweizer Zeitung „Le Temps“. „Nach acht Jahren der Blockade ist die humanitäre Situation nicht mehr haltbar.“ Im Jahr 2000 habe das UNRWA 80 000 Menschen unterstützt, heute seien es 830 000. Die Lager der UNRWA seien brechend voll. Vor der israelischen Militäroffensive hätten dort rund 17.000 Vertriebene gelebt, jetzt seien es 100 000. Die UNRWA brauche dringend 115 Millionen Dollar (85 Millionen Euro).

Zahl der Toten steigt auf 670

Bei den Kämpfen sind am Dienstag zwei weitere israelische Soldaten getötet worden. Wie das israelische Militär am frühen Mittwochmorgen mitteilte, starben damit bisher bei dem Militäreinsatz insgesamt 29
israelische Soldaten. Auch zwei israelische Zivilisten kamen zu Tode. Die Zahl der palästinensischen Toten ist auf 639 gestiegen. Rund 4040 Menschen seien bei den Angriffen verletzt worden, teilte der Leiter der Rettungskräfte im Gaza-Streifen, Aschraf al-Kidra, am Mittwoch mit.

Save the Children klagt an

Die internationale Kinderrechtsorganisation Save the Children wies derweil darauf hin, dass fast ein Drittel der verletzten Palästinenser Kinder seien. Mehr als 72000 Kinder benötigten zudem psychologische Unterstützung, nachdem sie selbst verletzt worden seien, Familienmitglieder verloren hätten oder mit ansehen mussten, wie ihr Zuhause zerstört worden sei. Auch in Israel litten Kinder unter ständiger Todesangst aufgrund des Raketenbeschusses aus dem Gazastreifen. “Die letzten 48 Stunden waren die blutigsten und unsere Besorgnis um den Schutz der Zivilbevölkerung und die Einhaltung der internationalen Menschenrechte nimmt immer weiter zu. Wir appellieren an beide Konfliktparteien, den internationalen Schutz von Schulen und Krankenhäusern zu respektieren und sie nicht zu  Angriffszielen zu machen, wenn unschuldige Menschen keine anderen Zufluchtsmöglichkeiten haben“, sagt David Hassell von Save the Children. “Für viele Kinder ist es der dritte Krieg innerhalb von 6 Jahren, den sie miterleben. Kinder sind erneut schwer traumatisiert und werden lange Zeit Unterstützung benötigen, um so etwas wie Normalität wiederherzustellen."

Jordanien legt Resolutionsentwurf vor

Jordanien hat dem UN-Sicherheitsrat einen Resolutionsentwurf zum Gaza-Konflikt vorgelegt. Der Text ruft zu einem "sofortigen und vollständig respektierten Waffenstillstand" zwischen Israel und der palästinensischen Hamas-Bewegung auf und fordert die Aufhebung der Blockade des Gazastreifens. Zudem wird in dem Entwurf ein Rückzug der israelischen Armee aus dem Küstenstreifen und die Öffnung der Grenzübergänge verlangt. Allerdings wurde laut Diplomaten noch kein Termin für Beratungen über den Text angesetzt. Der Entwurf, der von Jordanien im Namen der arabischen Staaten eingebracht wurde, ruft des weiteren dazu auf, "alle notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Zivilisten zu ergreifen und insbesondere umgehend die militärischen Vergeltungsmaßnahmen, die kollektiven Sanktionen und den exzessiven Einsatz von Gewalt gegen die palästinensische Zivilbevölkerung zu beenden." Der Text verurteilt zudem "alle Gewalt gegen Zivilisten und alle Terrorakte" und äußert die "ernste Besorgnis" des Rats angesichts der hohen Opferzahl der israelischen Militäroffensive, insbesondere unter Kindern.

Der UN-Vertreter der Palästinenser, Rijad Mansur, forderte am Dienstag bei einer Dringlichkeitssitzung den Sicherheitsrat zum Handeln auf. "Ohne entschlossenes Handel klingen die Resolutionen und
Erklärungen des Rats hohl, während wehrlose Zivilisten keinen Schutz vor der mörderischen Kriegsmaschinerie Israels finden", sagte Mansur, der Bilder der Opfer zeigte. (dpa/AFP/Tsp)

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