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Üben für den Ernstfall: Während eines Militärmanövers fahren K-1-Panzer in Paju, Südkorea, nahe der Grenze zu Nordkorea.
© dpa

Nordkorea-Krise: UN-Generalsekretär vergleicht Situation mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs

„Plötzlich stellen die Parteien fest, sie sind im Krieg“: António Guterres schlägt wegen Nordkorea Alarm – und will vermitteln.

Der Generalsekretär der Vereinten Nationen ist ein vorsichtiger Mensch. António Guterres, 68, wägt normalerweise seine Worte genau ab, doch jetzt schlug der Politveteran Alarm. Guterres verglich vor Journalisten in New York die eskalierende Krise um das Atomwaffenprogramm Nordkoreas mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, eines Waffengangs, der Millionen Menschen das Leben kostete und weitere Millionen ins Elend stürzte.

Guterres spannte den Bogen mit Hilfe eines Autors, der die Krise vor den ersten Gefechten 1914 detektivisch nachzeichnete: Christopher Clark beschreibt in „Die Schlafwandler“, wie sich Europas Großmächte nach und nach vom Frieden verabschieden. Und wie sie immer stärker ihren Waffen und Bündnissen vertrauen. „Plötzlich stellen die Parteien fest, sie sind im Krieg“, resümierte der Generalsekretär der Weltorganisation mehr als hundert Jahre nach Beginn des Ersten Weltkrieges.

Damit es nicht wieder so weit kommt, bot sich Guterres als Vermittler an. Das habe er den Rivalen „signalisiert“. Er wolle den „nötigen Dialog und die nötige Kommunikation fördern, um Fehleinschätzungen und Missverständnisse zu vermeiden“.

Doch die Guterres-Offerte könnte zu spät kommen. Die Fronten zwischen den Schlüsselspielern des Konflikts, dem Regime in Nordkorea auf der einen Seite und den USA auf der anderen Seite, scheinen sich zunehmend zu verhärten.

Bislang spielten die Vereinten Nationen bei einer diplomatischen Lösung des Konflikts nicht die Rolle, die sie laut Generalsekretär Guterres spielen sollten. Einzig der UN-Sicherheitsrat trat sichtbar in Erscheinung. Das mächtigste UN-Gremium zog in den vergangenen Jahren Schritt für Schritt die Sanktionsschraube gegen Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un und sein Regime an. Schon in den nächsten Tagen könnten weitere harte wirtschaftliche Strafen folgen, auf Drängen der USA. Doch der steigende Druck hat den jungen nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un bislang nicht an den Verhandlungstisch oder gar zum Einlenken gebracht.

Zudem nutzen die Protagonisten die UN-Bühne, um sich verbal zu attackieren. So ätzte die US-amerikanische Botschafterin bei den Vereinten Nationen in New York, Nikki Haley, Nordkorea „bettele um Krieg“. Kurz darauf schlug der diplomatische Vertreter Pjöngjangs bei der Abrüstungskonferenz der UN in Genf zurück: Die Atomwaffen und Raketen seines Landes seien ein „Geschenkpaket“ an die Adresse der USA. Weitere Geschenke könnten folgen, sagte der nordkoreanische Diplomat. Falls Guterres als Vermittler zum Zuge kommen sollte, muss er viel Überzeugungsarbeit leisten.

Pjöngjang will auf Sanktionen mit einer "Gegenoffensive" antworten

Zumal Nordkorea für den Fall neuer Sanktionen bereits mit Gegenmaßnahmen droht. Das Außenministerium in Pjöngjang unterstellte den USA, eine feindselige Politik und dazu eine „hektische Sanktionskampagne“ zu betreiben. „Wir werden auf die verabscheuungswürdigen Sanktionen und den Druck der USA mit unserer eigenen Art der Gegenoffensive antworten“, wurde ein Sprecher des nordkoreanischen Außenministeriums am Dienstagabend von den Staatsmedien zitiert. Welche Art von Maßnahmen ergriffen werden sollen, blieb unklar.

Russlands Präsident Wladimir Putin warnte bei einem Treffen mit dem südkoreanischen Präsidenten Moon Jae In davor, Nordkorea „in die Ecke zu drängen“ und forderte einen Dialog mit Pjöngjang. Sanktionen hätten den Konflikt bislang nicht gelöst.

Die USA werfen Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un vor, einen Krieg provozieren zu wollen und dringen im UN-Sicherheitsrat auf „größtmögliche Sanktionen“. Südkorea und die USA befürchten, dass Nordkorea nach dem Atomversuch, zwei ICBM-Tests im Juli und dem Start einer neuen Mittelstreckenrakete in der vergangenen Woche, schon bald neue Raketenversuche unternehmen wird.

Die USA sollten keinen Moment vergessen, dass Nordkorea eine „voll entwickelte Atommacht ist, die im Besitz von ICBM wie auch einer Atom- und Wasserstoffbombe“ sei, sagte der Sprecher in Pjöngjang. Er antwortete dabei auf eine Frage bezüglich neuer Sanktionen. Seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump habe Nordkorea seine Anstrengungen „verdoppelt, um die staatlichen Atomstreitkräfte zu stärken“.

In Japan hat der Atomtest Nordkoreas sogar eine Debatte über die Stationierung von US-Atomwaffen ausgelöst. Verteidigungsexperten warfen am Mittwoch die Frage auf, ob es nicht an der Zeit sei, das Verbot der Stationierung von Nuklearwaffen in dem Land zu überdenken, das bislang als Einziges Atombombenangriffen ausgesetzt war.

Japan, das im Zweiten Weltkrieg als bislang einziges Land mit Atombomben angegriffen wurde, hatte sich danach verpflichtet, Atomwaffen weder zu besitzen noch zu bauen oder deren Stationierung auf seinem Staatsgebiet zu erlauben. „Vielleicht ist es an der Zeit, aus den drei Prinzipien zwei zu machen“, sagte ein japanischer Verteidigungsexperte, der wegen der Brisanz des Themas in seinem Land anonym bleiben wollte.

Wenn Japan die USA einladen würde, Atomwaffen zu stationieren, könnte es damit China als den einzigen verbündeten Nordkoreas dazu bringen, seinen Nachbarn in die Schranken zu weisen. Japan könnte etwa erlauben, dass die USA ein atomar bewaffnetes U-Boot von einem ihrer Stützpunkte in Japan aus operieren lassen. Das würde Druck auf die Volksrepublik China ausüben. Takashi Kawakami von der Universität Takushoku sagte, allein mit der Debatte über die Atom-Prinzipien werde Japan die USA und China zum Handeln bewegen. „Das ist die Medizin, die China braucht, damit es gegen Nordkorea aktiv wird“, sagte der Verteidigungsexperte. mit dpa/rtr

Jan Dirk Herbermann

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