Giftgasangriffe in Syrien: UN erhöhen den Druck
Diesmal wird sich Assad vielleicht nicht so einfach aus der Affäre ziehen können. Die Vereinten Nationen dringen auf eine Aufklärung der Giftgasvorwürfe. Die Zeit drängt. Damaskus bezichtigt die Rebellen.
Drei Tage nach den mutmaßlichen Giftgasangriffen in Syrien gerät das Regime in Damaskus massiv unter Druck. In den USA wird über ein Eingreifen diskutiert. Die Flottenpräsenz der US-Marine im östlichen Mittelmeer sei verstärkt worden, berichtete der Nachrichtensender CNN. Ein Zerstörer sei zu den drei dort kreuzenden Schiffen gestoßen. Die Schiffe seien mit Marschflugkörpern bewaffnet.
Die Vereinten Nationen schickten die Hohe Repräsentantin für Abrüstung, Angela Kane nach Damaskus. Sie soll einen Zugang der UN-Chemiewaffeninspekteure zu den angeblich bombardierten Dörfern aushandeln. Das Regime von Präsident Baschar al-Assad hatte den Einsatz von Giftgas am vergangenen Mittwoch zunächst bestritten, nachdem Revolutionäre Videoaufnahmen verbreitet hatten, die Opfer von Giftgasattacken in mehreren Dörfern zeigen sollen. Am Samstag hieß es dann vonseiten des Regimes, die Rebellen hätten offensichtlich im Nordosten der Hauptstadt Giftgas eingesetzt. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete, mehrere Soldaten hätten bei ihrem Vormarsch in das Viertel Dschobar Erstickungsanfälle erlitten.
Der französische Außenminister Laurent Fabius sagte dagegen während eines Aufenthaltes in der palästinensischen Stadt Ramallah: „Alle Informationen, die uns momentan zur Verfügung stehen, deuten darauf hin, dass in Syrien unweit von Damaskus ein Massaker mit chemischen Waffen stattgefunden hat, und dass das Regime von Baschar al-Assad dahinter steckt.“ Derweil traf die deutsche UN-Diplomatin Kane in der syrischen Hauptstadt ein. Bislang wurde den Experten, die sich bereits seit dem vergangenen Sonntag in Syrien aufhalten, mit Hinweis auf die andauernden Kämpfe nicht erlaubt, die betroffenen Bezirke zu besuchen.
Der Allgemeine Rat für die Revolution berichtete am Samstag von neuen Kämpfen und Luftangriffen in mehreren Gebieten im Umland von Damaskus. Die Exil-Opposition hatte zuvor erklärt, sie wolle dafür sorgen, dass die UN-Inspekteure bei einem Besuch der betroffenen Ortschaften im Osten und Süden der Hauptstadt nichts von den Rebellen zu befürchten hätten.
Das UN-Team hatte nach langwierigen Verhandlungen der Vereinten Nationen mit der syrischen Regierung lediglich die Erlaubnis erhalten, drei Orte zu untersuchen, in denen vor Monaten Giftgas eingesetzt worden sein soll: Chan al-Asal in der Provinz Aleppo, Al-Ateibe in der Provinz Damaskus-Land und die Stadt Homs. Die Assad-Regierung und die Rebellen werfen sich seit einigen Monaten immer wieder gegenseitig den Einsatz chemischer Kampfstoffe vor.
Der Schweizer Chemiewaffenexperte Stefan Mogl erklärte im Deutschlandradio Kultur, die UN-Inspekteure hätten nur wenige Tage Zeit, um einen Einsatz von Nervengas im Blut und Urin der Opfer zweifelsfrei nachzuweisen. Im Boden ließen sich Spuren von Kampfstoffen auch noch später finden. Nach Sichtung der Videos gehe er davon aus, dass mit großer Wahrscheinlichkeit Nervengas eingesetzt wurde, sagte der frühere Waffeninspekteur. Die Symptome wiesen auf einen Nervenkampfstoff hin, doch die Bilder ließen keinen Rückschluss auf Ort und Opfer zu.
Das US-Militär geht nach einem Bericht des Nachrichtensenders CNN seine Optionen für ein Eingreifen im syrischen Bürgerkrieg durch. Ein Beamter des Verteidigungsministeriums erklärte dem Sender, die Liste von Zielen für mögliche Luftangriffe sei aktualisiert worden. Die Planungen würden die Verwendung von Marschflugkörpern einschließen.
Auch der US-Sender CBS berichtete von Pentagon-Planungen für einen Cruise-Missile-Angriff auf die Regierungstruppen. Es werde erwartet, dass US-Generalstabschef Martin Dempsey Optionen für einen Angriff vorlegen werde, hieß es bei CBS weiter. Eine Entscheidung von Präsident Barack Obama steht aber noch aus. Obama hatte am Freitag zu den Giftgasvorwürfen erklärt: „Das berührt langsam Kerninteressen der USA.“ Zugleich äußerte er „große Sorge“. (dpa)