US-Präsident verliert Unterstützer: Um Donald Trump wird es jetzt einsam
Medien unterbrechen die Übertragung eines zornigen Auftritts von Trump im Weißen Haus. Republikaner wenden sich vom US-Präsidenten ab.
Man kennt den jähen Schock, wenn bei einem Rockkonzert im Freien plötzlich der Strom ausfällt: Das Scheinwerferlicht erlischt, die Bühne wird dunkel, die Lautsprecher verstummen. Der Sänger bewegt noch seine Lippen, aber seine Stimme wird nicht mehr verstärkt und erreicht nur noch die Hörer in der Nähe der Bühne. Für das weitere Publikum herrscht plötzlich Stille.
So ähnlich ergeht es gerade Präsident Donald Trump. Er nützt die Bühne einer Pressekonferenz im Weißen Haus zur besten abendlichen Sendezeit, den Hauptnachrichten-Formaten, um sich live über angeblichen Wahlbetrug zu beklagen. Der Sieg werde ihm gestohlen, behauptet er. Doch während er redet und zürnt, brechen die drei großen Fernsehsender die Übertragung ab: ABC, CBS, NBC.
„Wir müssen hier unterbrechen, weil der Präsident eine Reihe falscher Vorwürfe erhoben hat“, begründet Moderator Lester Hold im laufenden Programm „NBC Nightly News“ das Vorgehen. Auf ABC sagt „News Anchor“ David Muir: „Da muss man vieles einordnen und auf Faktentreue checken.“
TV-Sender werfen dem Präsidenten Lügen vor
Die Nachrichtenkanäle CNN und Fox News übertragen weiter. Der CNN-Moderator ordnet Trumps Worte danach unmissverständlich ein: Lügen, Lügen, Lügen …
Auf Fox ist das Echo geteilt. Einige Kommentatoren distanzieren sich von Trump, andere wiederholen seine Vorwürfe, der Wahlsieg werde ihm gestohlen. White-House-Korrespondent John Roberts betont, es gebe keine Belege für Trumps Vorwurf der Wahlmanipulation. Moderator Bret Baier bekräftigt diese Einordnung. „Wir haben noch keine Beweise gesehen.“
Die TV-Sender waren eine unverzichtbare Hilfe bei Trumps Aufstieg 2016, erst zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner und dann zum Wahlsieger gegen Hillary Clinton. Im Wahlkampf wurde Trump, wenn er anrief, meist direkt in die Sendungen durchgestellt – in der Erwartung, dass er etwas Knalliges sagen werde. Und das würde der Einschaltquote helfen. Hillary Clinton hatte diese Chance nicht mit ihrer gewohnten Politiker-Sprache. Niemand erwartete von ihr eine Aussage, die Schlagzeilen machen würde.
Verleger Murdoch entzieht Trump die Unterstützung
Nun entziehen die Sender Trump das nationale Mikrofon. Sie machen vom Inhalt abhängig, ob und wie lange sie ihn übertragen. Sie wollen sich nicht länger als willige Helfer einer Propagandamaschine missbrauchen lassen – zumal zu diesem Zeitpunkt noch auf der Kippe steht, wer die Wahl 2020 gewonnen hat, aber die Anzeichen für Joe Biden sprechen und Trump bald das Weiße Haus verlassen könnte.
Und es ist nicht nur das Fernsehen. Auch Zeitungen und soziale Netzwerke gehen kritischer mit Trump um. Der konservative Verleger Rupert Murdoch hatte Trump früher unterstützt. Nun gehen Zeitungen seines Medien-Imperiums wie das Boulevardblatt „New York Post“ auf Distanz zum Präsidenten.
Der Nachrichtendienst Twitter kennzeichnet Tweets mit offenkundigen Falschaussagen Trumps mit einem Warnzeichen. Auch andere Netzwerke wie Facebook lassen sich nicht mehr automatisch und ungefiltert für Trump-Propaganda benutzen.
Republikanische Gouverneure verurteilen den Präsidenten
Neben den Medien setzen sich Republikaner in wachsender Zahl von Trump ab. Sein ältester Sohn Eric beklagt sich über mangelnde Unterstützung der Partei im Kampf um den Wahlsieg. „Wo sind die Republikaner? Zeigt Rückgrat im Kampf gegen Wahlbetrug“, twitterte er. Und: „Die Wähler werden es nie vergessen, wenn ihr euch wie Schafe verhaltet.“
Derzeit bleiben die meisten republikanischen Amtsträger im Kongress und den Bundesstaaten passiv. Eine kleine, aber wachsende Gruppe stellt sich ausdrücklich gegen Trump. Eine andere kleine Gruppe bekräftigt seine falschen Betrugsvorwürfe.
Larry Hogan, der Gouverneur von Maryland, verurteilt Trumps Vorgehen scharf. „Es gibt keine Entschuldigung für die Kommentare, mit denen der Präsident unseren demokratischen Prozess unterminiert. Amerika zählt die Stimmen, und wir werden das Ergebnis akzeptieren, wie wir das immer getan haben.“
Doug Ducey, Gouverneur von Arizona, geht auf Distanz zu Trump, indem er die Bürger, die Medien und seine Parteifreunde zu Geduld aufruft: „Bitte widersteht der Versuchung, einen Sieger zu erklären, bevor die für die Auszählung Verantwortlichen ihre Arbeit getan haben.“
Tom Ridge, der Ex-Gouverneur von Pennsylvania und Heimatschutzminister unter Präsident George W. Bush, greift Trump wegen der Behauptung an, Briefwahlstimmen stellten Betrug dar. „Mit seiner Ansprache aus dem Weißen Haus verweigert der Präsident jedem einzelnen Bürger den Respekt, der inmitten einer Pandemie, die 235.000 (Amerikaner) das Leben gekostet hat, einen Weg gefunden hat, um auf sichere Weise die Stimme abzugeben.“ Das sei „schändlich“.
Wenige Trump-Loyalisten bekräftigen Vorwurf des Wahlbetrugs
Im Kontrast dazu verbreiteten Trump-Loyalisten dessen Behauptung, durch Wahlbetrug solle dem Präsidenten der Sieg genommen werden. Zu diesem Chor gehörten Lindsey Graham, der wiedergewählte Senator von South Carolina, Senator Ted Cruz aus Texas, Tommy Tuberville, der neu gewählte Senator von Alabama, und einige Abgeordnete.
Trumps nationale Lautsprecher haben noch nicht, wie bei einem Stromausfall, ihre ganze Leistungskraft verloren. Aber sie werden spürbar leiser.