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Massenprotest in Frankreich: Gelbwesten-Demonstranten am Samstag in Paris.
© Elyxandro Cegarra/ZUMA Wire/dpa
Update

Streit um Protestbewegung: Ultrarechte bei den Gelbwesten - Linkspartei solidarisiert sich dennoch

Rechtsradikale mischen sich unter die Gelbwesten, in Deutschland wie in Frankreich. Die Linke solidarisiert sich trotzdem mit der Protestbewegung.

Im sächsischen Plauen war es der zweite Versuch von Rechtsextremisten, die Gelbwesten-Proteste in Frankreich für sich zu vereinnahmen. Rund 30 Leute zogen, großteils mit gelben Warnwesten bekleidet, am Samstag bei einer nicht angemeldeten Kundgebung durch die Innenstadt, darunter laut einem Bericht der "Freien Presse" der Anführer der neonazistischen Kleinpartei "Der III. Weg", Tony Gentsch, sowie der Mitgründer der Anti-Asyl-Initiative "Wir sind Deutschland", Michael Oheim. Auf der Treppe des Alten Rathauses wurde ein Transparent "Nein zum UN-Migrationspakt" gehisst.

Eine ähnliche Aktion fand am Samstag in Stuttgart statt. Hier hatte der AfD-Landtagsabgeordnete Stefan Räpple, bevor das Dokument am Montag in Marrakesch verabschiedet wurde, zum Protest aufgerufen: "Migrationspakt stoppen - Demo gegen die Abschaffung Deutschlands". Auf seinem Ankündigungsplakat war die gelbe Warnweste abgebildet. Pegida teilte den Aufruf und berichtete, auf Frankreichs Straßen, etwa in Lyon, seien unter den Gelbwesten-Demonstranten "immer öfter Protestbanner gegen eine Unterzeichnung des Migrationspaktes" zu sehen.

Die inzwischen wegen der Unterstützung eines rechtsextremen Vereins aus der Kieler Landtagsfraktion ausgeschlossene AfD-Chefin aus Schleswig-Holstein, Doris von Sayn-Wittgenstein, posierte im November auf Facebook in gelber Weste. Und die Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Alice Weidel, streute laut einem Bericht der Nachrichtenagentur AFP das Gerücht, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron plane, in seinem Land die "Armee gegen das eigene Volk einzusetzen" - was vom Verteidigungsministerium in Paris dementiert wurde. Am Montag postete Weidel auf Facebook: "Gegen bürgerfeindliche Politik! Wir können von den Gelbwesten lernen!"

Von den Bündnissen deutscher Rechtsradikaler mit der französischen "Gilets Jaunes"-Bewegung war nicht die Rede, als der Parteivorstand der Linken am Wochenende eine Solidaritätsadresse beschloss: Der Widerstand gegen den neoliberalen und autoritären Kurs des französischen Präsidenten Macron sei berechtigt. Macrons Regierung diene "allein den Interessen der Superreichen". Und: "Wir sehen in der Breite des sozialen Widerstands auch eine Ermutigung für Deutschland". Nur in einem Halbsatz hieß es, die Unterstützung der Gelbwesten-Bewegung sei auch notwendig, "um Unterwanderungsversuchen des Front National entgegen zu wirken".

Über eine Distanzierung von Gewalt bei den Protesten war im Parteivorstand diskutiert worden, letztlich aber wurde eine entsprechende Anmerkung von dem Gremium verworfen. Der Beschluss des Parteivorstands fiel einstimmig, wie Parteichef Bernd Riexinger auf Twitter mitteilte.

Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht Mitte November bei einer Veranstaltung ihrer Sammlungsbewegung "Aufstehen" in Bochum.
Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht Mitte November bei einer Veranstaltung ihrer Sammlungsbewegung "Aufstehen" in Bochum.
© imago/Bettina Strenske

Zufrieden zeigte sich die Vorsitzende der Linken-Bundestagsfraktion, Sahra Wagenknecht. Ihren am Sonntagabend versandten Newsletter an ihre Anhängerinnen und Anhänger überschrieb sie: "Von den Gelbwesten lernen statt Merkel 2.0". Macron habe mit seiner rabiaten Steuerpolitik zugunsten der Reichen das Fass der Empörung zum Überlaufen gebracht. Zu den Forderungen der Gelbwesten "gehören ein höherer Mindestlohn, Rente ab 60, kleinere Schulklassen, gerechtere Steuern & einheitliche Sozialversicherung, keine Privatisierungen, mehr Sozialwohnungen, mehr direkte Demokratie und vieles mehr". Wagenknecht schwärmte: "Das ist ein sehr vernünftiges Programm."

Rechtsradikale Gelbwesten: Kundgebung der AfD am Samstag in Stuttgart.
Rechtsradikale Gelbwesten: Kundgebung der AfD am Samstag in Stuttgart.
© imago/Arnulf Hettrich

Zuvor hatte bereits der Linken-Bundestagsabgeordnete und frühere Parteichef Klaus Ernst erklärt, Gelbwesten-Proteste wie in Frankreich seien auch in Deutschland wünschenswert. Im Deutschlandfunk sagte Ernst: "Es ist aus meiner Sicht keinesfalls eine rechte Bewegung, die wir da in Frankreich sehen."

Lederer hält "gar nichts" von der Solidaritätsadresse

Nur vereinzelt gab es in der Linken Kritik an der weitgehend vorbehaltlosen Solidaritätsadresse der Parteiführung: Der Berliner Kultursenator Klaus Lederer antwortete auf Twitter auf die Frage, was Leute wie er davon halten: "Nichts. Gar nichts."

Die stellvertretende Linken-Vorsitzende Janine Wissler verteidigte die Erklärung des Parteivorstandes: "Es ist ein Problem, dass sich Rechte wie der Front National unter die Gelbwesten mischen und Le Pen versucht, sich an die Spitze der Bewegung zu setzen", schrieb die hessische Politikerin auf Twitter. "Das darf nicht ignoriert werden, aber es darf auch nicht zum Anlass genommen werden, sich nicht zu solidarisieren."

Auch in der Umwelt- und Akw-Bewegung habe es immer wieder völkische und rechte Kräfte gegeben, die unter dem Motto "Umweltschutz ist Heimatschutz" mobilisiert hätten, erklärte sie. "Hätten sich linke Kräfte deshalb aus der Anti-Akw-Bewegung zurückziehen sollen?"

Wissler verwies auch auf die Hartz-IV-Proteste 2004: "An einigen Orten waren NPDler anfangs bei Demos. Linke haben sich nicht zurückgezogen und den Rechten das Feld überlassen, sie haben die Auseinandersetzung geführt. Mit der Zeit beschlossen viele lokale Bündnisse, dass Nazis dort keinen Platz haben." Wissler meint: "Hätten Linke die Präsenz von einigen Rechten in Bewegungen immer zum Anlass genommen, sich aus ihnen zurückzuziehen statt um die Ausrichtung und eine klare Abgrenzung nach rechts zu kämpfen, wären viele Bewegungen wohl anders verlaufen."

Zunächst hatte auch Linken-Chef Riexinger auf Probleme mit Ultrarechten in der französischen Gelbwesten-Bewegung hingewiesen: "Das Potenzial Ultrarechter in den Reihen der Bewegung ist besorgniserregend", sagte er vergangene Woche dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): "In Deutschland wäre eine solche Verbrüderung linker und rechter Gesinnung nicht denkbar." Er betonte allerdings, dass die Anliegen der Demonstranten ihre Berechtigung hätten. "In Frankreich wehren sich Menschen gegen die Verachtung ihrer Klasse, sie fordern soziale Gerechtigkeit und Aufmerksamkeit für ihre Interessen."

"Der rechten Unterwanderung entgegen treten"

Einen Konflikt beispielsweise mit Wagenknecht bestritt Riexinger. Im Parteivorstand sagte er Teilnehmern zufolge, seine Äußerung zu den Ultrarechten in der Gelbwesten-Bewegung sei aus dem Zusammenhang gerissen worden. Auch Parteichefin Katja Kipping sah keinen Widerspruch zu den Interview-Äußerungen ihres Ko-Vorsitzenden und der Solidaritätsadresse des Parteivorstandes: "Wir sehen die Gelbwesten als soziale Proteste, die aus der Mitte der Gesellschaft kommen. Es ist gut, dass fortschrittliche Kräfte teilnehmen und die Versuche der Vereinnahmung durch das Rassemblement National verhindern", erklärte sie dem RND. Riexinger selbst sagte am Montag vor der Presse, die Solidaritätsadresse sei "für eine linke Partei selbstverständlich". Linke müssten sich in der Gelbwesten-Bewegung engagieren, "um der rechten Unterwanderung entgegen zu treten".

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