Katalonien-Konflikt: Rajoy droht mit Entmachtung der Regionalregierung
Spaniens Ministerpräsident stellt Katalonien zwei Ultimaten: Puigdemont soll sagen, ob er die Unabhängigkeit erklärt hat - und sich dann zur Verfassung bekennen.
Dem katalanischen Regionalregierungschef Carles Puigdemont läuft die Zeit davon: Wenn er nicht bis spätestens Donnerstag kommender Woche die Segel streicht und auf die Unabhängigkeitsforderung für die wirtschaftsstarke Region verzichtet, könnte ihn der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy mit der ganzen Macht des Zentralstaats aus dem Amt entfernen und die Autonomie Kataloniens aussetzen. Das ist die Botschaft, die Rajoy am Mittwoch Richtung Barcelona sandte. Der sozialistische Oppositionsführer Pedro Sánchez sagte Rajoy seine Unterstützung zu.
Am Abend stellte Rajoy der Regionalregierung zwei Ultimaten. Bis Montag solle Puigdemont die von Rajoy bereits zuvor gestellte Frage beantworten, ob er bei seiner Rede am Dienstagabend die Unabhängigkeit der Region erklärt habe, berichtete die Zeitung „El Mundo“ unter Berufung auf Regierungskreise. Ähnliche Informationen hatte auch die Zeitung „La Vanguardia“.
Bis spätestens Donnerstag kommender Woche müsse Puigdemont dann wieder die verfassungsmäßige Ordnung Spaniens respektieren, also das laufende Unabhängigkeitsverfahren faktisch abbrechen. Nur, wenn beide Ultimaten erfüllt würden, könne die Anwendung des Artikels 155 der Verfassung mit einer Entmachtung der Regionalregierung und einer Aussetzung oder Einschränkung der Autonomie noch vermieden werden, schrieb die Zeitung weiter. Es galt als unwahrscheinlich, dass Puigdemont sich diesen Forderungen beugen würde. Er würde dann im eigenen Lager als Verräter dastehen.
Puigdemont hatte am Dienstag die Ausrufung der Unabhängigkeit von Spanien angekündigt. Als Grundlage nannte er das umstrittene und vom Verfassungsgericht für illegal erklärte Referendum vom 1. Oktober. Dabei hatten mehr als 90 Prozent der Teilnehmer für die Trennung gestimmt - bei einer geringen Wahlbeteiligung von nur 43 Prozent. Allerdings legte Puigdemont den Abspaltungsprozess „für einige Wochen“ auf Eis, um einen Dialog mit der Zentralregierung zu ermöglichen. Die Regierung Rajoy hatte zwar wiederholt ihre Gesprächsbereitschaft betont, aber nur innerhalb der Gesetze. Und die sehen keine Abspaltung vor.
Spaniens Ministerpräsident nennt Referendum "eine Farce"
Rajoy forderte den katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont auf, er solle genau erklären, ob er mit seinen missverständlichen Aussagen am Dienstagabend vor dem Regionalparlament die einseitige Unabhängigkeit ausgerufen habe oder nicht. „Von der Antwort des Chefs der Regionalregierung wird abhängen, welche Entscheidungen die Regierung (in Madrid) in den nächsten Tagen treffen wird“, warnte Rajoy. Er wolle den Bürgern des Landes „Klarheit und Sicherheit“ verschaffen. Puigdemont habe die Chance, „zur Legalität zurückzukehren“ und halte jetzt „die Zukunft Kataloniens“ in den Händen, sagte der konservative Regierungschef.
Die von der Justiz verbotene Volksbefragung nannte Rajoy „eine Farce“. Das „illegale Referendum“ könne „keine Grundlage für irgendwelche politischen Entscheidungen sein, und schon gar nicht für die Ausrufung der Unabhängigkeit“, sagte er. Es seien weder Transparenz noch Neutralität gewährleistet gewesen.
Puigdemont machte im Nachrichtensender CNN erneut deutlich, dass er auf den Abspaltungsplänen beharren will: „Die Beziehungen zwischen Katalonien und Spanien funktionieren nicht. Und die meisten Katalanen wollen Katalonien als einen unabhängigen Staat.“ Ob tatsächlich eine Mehrheit der katalanischen Wahlberechtigten dies will, ist unklar.
Auch EU-Kommissar Günther Oettinger kritisierte die Unabhängigkeits-Bestrebungen. „Ich halte viel von starken Regionen und wenig von Separatismus“, sagte er dem Nachrichtenmagazin „Focus“. Der CDU-Politiker deutete zugleich an, wie der Konflikt seiner Meinung nach zu entschärfen wäre: „Man kann über eine Ausweitung von Selbstständigkeit und Autonomie reden, dann behält eine Region auch mehr von den Vorteilen, die sie sich wirtschaftlich erarbeitet“, sagte er. (dpa)