Steuerfall: Uli Hoeneß und seine wundersame Geldvermehrung
Bayern-Präsident Uli Hoeneß soll laut Prozess 150 Millionen Euro Gewinn aus Finanzgeschäften gemacht haben. Wie schafft man an der Börse solche extremen Profite? Und wie kann ein einfaches Handelssystem aussehen, das auch Kleinanleger anwenden können?
Uli Hoeneß, Präsident des FC Bayern München, hat laut Prozessakten sein spekulatives Anfangskapital von 20 Millionen Euro in den Jahren 2001 bis 2005 auf 150 Millionen Euro erhöht. Zwischen 2005 und 2010 verlor er mehr als 90 Prozent davon wieder. Das klingt nach Glücksspiel, ist es aber nicht. Wer unkontrolliert an der Börse zockt, kann zwar in kurzer Zeit sagenhafte Gewinne aufhäufen, verliert sie aber sehr schnell wieder, wenn die ersten Verlustgeschäfte auftreten. Wer aber über einen langen Zeitraum von vier Jahren erfolgreich an der Börse gehandelt hat, dem reichten keine Glückstreffer, er musste kontinuierlich sein Geld vermehren und dabei – das ist das Wichtigste – seine Verluste unter Kontrolle halten.
Uli Hoeneß hat wie ein Profi gehandelt, sonst wäre er nicht vier Jahre lang erfolgreich gewesen
Das gilt umso mehr, als Hoeneß in zehn Jahren offenbar 50.000 Trades getätigt hat. Wer so oft handelt, muss damit rechnen, mehrmals Serien von zehn oder 20 Verlusten hintereinander zu erleiden. Wer das ohne rechnerische Systematik versucht, ist schnell pleite. Wer zehn Prozent seines Kapitals pro Trade riskiert, ist nach zehn Verlusten am Ende. Wer dagegen nur ein Prozent seines Kapitals pro Trade riskiert, ist nach zehn Verlusten immer noch gut im Rennen.
Zocker haben nicht die eiserne Disziplin, wie Uli Hoeneß sie gehabt haben muss
Das erfordert eiserne Disziplin, die Zocker nicht haben. Experten sind sich daher sicher, dass Uli Hoeneß kein Zocker und kein Glücksspielsüchtiger war, sondern professionell ans Werk ging. „Er muss ein gutes Handelssystem gehabt haben, um vier Jahre erfolgreich durchzuhalten“, sagt der Finanzpsychologe Christoph Wahlen. Der Schlüssel dabei ist die mentale Fähigkeit, mit Verlusten umzugehen. „Ein gutes Handelssystem ist auch dann erfolgreich, wenn sieben von zehn Trades Verlusttrades sind. Wenn die Verluste systematisch begrenzt werden und der einzelne Gewinn im Durchschnitt drei Mal so hoch ist wie jeder einzelne Verlust, erzielt der Trader einen kontinuierlichen systematischen Gewinn“, sagt Wahlen. Dieser systematische Gewinn, der ständig von vielen – kleinen – Verlusten begleitet ist, kann über mehrere Jahre hinweg zu sehr hohen Gewinnen führen.
Uli Hoeneß hat sein Börsenhandelssystem nicht verraten, trotzdem lassen sich Schlüsse auf sein System ziehen
Uli Hoeneß hat vor allem Devisentrades getätigt. Er hat sein System nicht verraten, aber die Information „Devisen“ sowie die Information, dass er von 2001 bis 2005 gewonnen und danach verloren hat, lässt Schlüsse auf sein System zu. Der Euro befand sich zum Dollar exakt zwischen 2001 und 2005 in einem stabilen Aufwärtstrend. Das spricht dafür, dass er ein sogenanntes Trendfolgesystem verwendet hat. Trendfolgesysteme sind eine Gruppe von Handelssystemen, die darauf gründen, dass der Trader in einem Moment einsteigt, in dem das System ihm die Existenz eines Trends bestätigt hat. Eines der ältesten Trendfolgesysteme stammt von Richard Donchian aus den 30er Jahren. Immer wenn ein Kurs ein neues Hoch erreicht, wird ein Einstiegssignal generiert. Donchian verwendete unter anderem 20-Tage-Hochs. Trader heute wenden oft andere Varianten an, 52-Wochen-Hochs beispielsweise. Verkauft wird, wenn ein entsprechendes neues Tief erreicht wird.
Das Handelssystem von Uli Hoeneß muss ein Trendfolgesystem gewesen sein
Dafür, dass Uli Hoeneß ein Trendfolgesystem verwendete, spricht auch, dass ihn das Jahr 2005 völlig durcheinanderbrachte, als der Euro-Kurs ein für Trendfolger grundlegendes Fehlsignal auslöste, weil der Kurs eine wichtige Marke unterschritt. Danach machte Uli Hoeneß Verluste, wie viele andere Trendfolger damals, die trotz ihrer Professionalität plötzlich die Nerven verloren. Selbst Profis wollen in solchen Situationen dann plötzlich recht behalten und fangen an, an Verlustpositionen festzuhalten, obwohl sie aussteigen müssten. „Am Ende haben sie es oft nicht mehr unter Kontrolle“, sagt Manfred Hübner, Experte für Bahavioral Finance und Chef der Firma Sentix, die Stimmungen an der Börse untersucht. „Wenn der Verlust zu groß wird, versuchen sie sich mit höheren Positionen zu retten, was die Verluste weiter erhöht.“ Erfolgreich seien am Ende „diejenigen, die diszipliniert und systematisch vorgehen, nur kleine Positionen eingehen und die Nerven behalten“.
Pech für Hoeneß, dass er zuerst Gewinne gemacht hat und dann Verluste. Die Gewinne hat er nicht versteuert, dann verloren und muss jetzt Steuern nachzahlen und zusätzlich büßen. Hätte er zuerst Verluste gemacht, hätte er sie beim Finanzamt eintragen lassen können, dann wären sie mit späteren Gewinnen verrechnet worden.
Wie könnten einfache Handelssysteme für Kleinanleger aussehen?
Sparer und Anleger können einen Vorteil haben, wenn sie sich systematisch verhalten und sich nicht von Nachrichten oder Stimmungen zu panischen oder gierigen Reaktionen leiten lassen. Ein Handelssystem kann dabei helfen, die Gefühle zu kontrollieren, wenn man sich diszipliniert an eine Systematik hält. Was ist ein Handelssystem? Es ist ein Konzept, in dem genau und eindeutig festgelegt ist, wann man in einen Markt ein- und wieder aussteigt. Das ist alles. Der Anleger kann einfache Regeln dafür festlegen oder komplizierte. Letztlich kommt es darauf an, dass der Anleger sein eigenes Handelssystem entwirft, das zu ihm passt und das ihm einleuchtet. Bleiben wir bei einfachen Regeln.
Der Dax selbst ist schon ein Handelssystem, das sich mit einem ETF erwerben lässt
Es gibt potentiell unendlich viele verschiedene Handelssysteme, hier nur ein Beispiel: Es ist bereits ein Handelssystem, wenn der Anleger mit einem Teil seines Handelskontos einen Indexfonds auf den Dax kauft. ETF nennt man einen solchen passiven Fonds, der die Aktien des Dax nach der Gewichtung des Dax enthält und den Verlauf des Index ziemlich genau nachvollzieht. Der Dax selber ist ein Handelssystem, bei dem Aktien, die schlecht laufen, aussortiert, und Aktien die gut laufen, aufgenommen werden. Auch andere Indizes der Dax-Familie wie der MDax werden nach diesem Prinzip gebildet. Mit einem ETF auf den Dax entwickelt sich der Aktienanteil des Handelskontos entsprechend dem Verhalten des Index, der selber immer wieder nach seinen eigenen Gewichtungs-, Dividendenwiederanlage- und Zusammensetzungsregeln Aktien kauft oder verkauft.
Einstieg und Ausstieg festlegen
Wann einsteigen, wann aussteigen? Es ist bereits ein einfaches systematisches Prinzip, jeden Monat einen bestimmten Betrag zu sparen und jedes mal, wenn 3000 Euro beisammen sind, damit den Dax-ETF zu kaufen, egal, wie der Kurs gerade steht. Ein etwas komplizierteres Einstiegssystem wäre es, wenn der Anleger wartet, bis ein neues 52-Wochen-Hoch erreicht ist. Dieses Trendfolgeprinzip wurde bereits oben erwähnt. Wer sich mit solchen, etwas komplizierteren Handelssystemen beschäftigen will, sollte vorher das eine oder andere Buch dazu lesen, um die verschiedenen Konzepte zu verstehen. Ihm werden dann Gleitende Durchschnitte erklärt oder einige andere Methoden, mit denen er Einstiegssignale generieren kann.
Nach einer festgelegten Regel Gewinn realisieren
Wann aussteigen? Auch hier gibt es ganz einfache und etwas kompliziertere Konzepte. Ein einfaches Beispiel: Wer einen Aktienstock angespart hat, der so hoch ist, dass dem Anleger eine weitere Erhöhung ein ungutes Gefühl geben würde, der kann anschließend mit diesem Aktienstock arbeiten. Er kann beispielsweise abwarten, bis der Aktienstock um zehn Prozent gestiegen ist und dann diese zehn Prozent verkaufen. Steigt er wieder um zehn Prozent, wiederholt sich der Vorgang. Das ist eine einfache Ausstiegssystematik. Ihr Nachteil ist, dass sie Gewinne begrenzt, der Vorteil ist, dass die Verlusten niedriger sind, die zwischenzeitlich anfallen, wenn der Aktienmarkt wieder einmal um 50 Prozent einknickt. Es ist ein Unterschied, ob sich ein Aktienstock im Wert von 200.000 Euro halbiert, oder ein Aktienstock im Wert von 100.000. Derjenige, der einen Gutteil seiner Gewinne vorher ins Trockene gebracht hat, schläft vielleicht besser. Dies ist nur ein Beispiel, es sind viele andere und völlig verschiedene Systematiken denkbar.
Es geht darum, nicht von Gefühlen hin- und hergerissen zu werden
Der entscheidende Vorteil einer Systematik, wie immer sie aussieht, ist, dass der Anleger tatsächlich zu einem bestimmten Zeitpunkt kauft und zu einem anderen bestimmten Zeitpunkt verkauft - und diese Zeitpunkte vorher nach bestimmten Kriterien festgelegt sind. Der Anleger ist dann nicht hin- und hergerissen von Gefühlen wie Hoffnung, Euphorie, Gier, Angst, Panik, oder Verzweiflung. Er befolgt nur roboterhaft sein System. Das bereitet vielen Menschen Schwierigkeiten, weil sie sich von ihrem Selbstbild her als individualistisch, selbstbewusst und kreativ verstehen. Wer sich nicht sklavisch an Regeln halten kann, weil ihm das nicht liegt, wer gar gerne Recht haben will oder sich tapfer der Welt entgegenstemmt, der könnte nicht nur mit Handelssystemen, sondern mit der Börse selber ein ziemliches Problem bekommen, wenn die Kurse nicht das machen, was er will.
Kompliziertere Ausstiegsregeln
Eine kompliziertere Ausstiegsregel könnte lauten, dass beim Unterschreiten eines 20-Wochen-Tiefs, verkauft wird. Also dann, wenn der Kurs den bisher tiefsten Wert der letzten 20 Wochen unterschreitet. Die Wiederanlage findet statt, wenn ein neues 52-Wochen-Hoch überschritten wird. Auch das ist nur ein Beispiel unter unendlich vielen. Und auch hier gilt: Bei solchen etwas schwierigeren Regeln sollte vorher Literatur dazu gelesen werden, es gibt einiges zu beachten.
Entscheidend ist die Disziplin
Bei allem entscheidend ist die Frage, was der Anleger aushält. Wer in Panik verfällt, wenn sein Aktienstock von 20.000 Euro auf 10.000 Euro fällt, sollte vielleicht weniger Aktien kaufen. Oder gar keine. Alles spricht dafür, dass sich auch in Zukunft irgendwann einmal die Aktienmärkte wieder halbieren werden. Wem das zuviel Schmerzen bereitet, sollte die Finger davon lassen. Es gibt viele Bücher, die sich damit beschäftigen, warum die meisten Menschen, die sich an die Börse wagen, Verluste machen (Brent Penfold, siehe unten). Ihre Gefühle spielen ihnen einen Streich und verhindern, dass sie dauerhaft in die Gewinnzone kommen. Wer es aber doch nicht lassen kann, der sollte sich ein einfaches Handelssystem überlegen, das ihm Halt gibt, wenn die Wellen über ihn hereinbrechen.
Literatur:
Thema mentale Vorraussetzungen für Trading:
Thema Handelssysteme:
Richard L. Weissman, Mechanische Tradingsysteme, Finanzbuchverlag, 39,90 €
Van K. Tharp, Clever traden mit System 2.0, Finanzbuchverlag, 44,90 €
Curtis M. Faith „Die Strategien der Turtle Trader“, Finanzbuchverlag, 24,95 €