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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj teilte das Verbot prorussischer Parteien in einer Videobotschaft mit.
© Uncredited/Ukrainian Presidential Press Office/AP/dpa

Schlag auf politischer Ebene: Ukraine verbietet prorussische Parteien vorerst – das ist in der Nacht passiert

Der ukrainische Sicherheitsrat verbannt die Parteien für die Dauer des Krieges. In Belarus wird offenbar eine wichtige Zugverbindung gekappt. Ein Überblick.

Die Kämpfe an den Frontabschnitten in der Ukraine sind auch in der Nacht zum Sonntag fortgesetzt worden. Auf politischer Ebene holte die Regierung in Kiew unterdessen zum Schlag gegen prorussische Parteien im Land aus und ließ deren Arbeit bis auf Weiteres verbieten. Präsident Wolodymyr Selenskyj wandte sich erneut mit drastischen Worten an die Bevölkerung in Russland.

Arbeit prorussischer Parteien in der Ukraine vorerst verboten

Der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine hat die Arbeit einer Reihe von prorussischen Parteien für die Dauer des Kriegs im Land verboten. Das teilte Selenskyj in der Nacht zum Sonntag per Videobotschaft mit.

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„Die Aktivitäten von deren Politikern, die auf Spaltung oder Kollaboration abzielen, werden keinen Erfolg haben, dafür aber eine harte Antwort erhalten“, wurde Selenskyj von der „Ukrajinska Prawda“ zitiert.

Zu den betroffenen Parteien gehören unter anderem die „Oppositionsplattform für das Leben“ und der „Oppositionsblock“, die auch im Parlament vertreten sind. Sie gelten ebenso wie die übrigen neun nunmehr verbotenen außerparlamentarischen Parteien als euroskeptisch, antiliberal oder als prorussisch.

Selenskyj: Berge von Leichen russischer Soldaten

Mit martialischen Worten über schwere russische Kriegsverluste richtete sich Selenskyj in seiner Videobotschaft an die Bevölkerung Russlands. „An den Brennpunkten besonders schwerer Kämpfe sind unsere vordersten Abwehrlinien mit Leichen russischer Soldaten praktisch überhäuft. (...) Und diese Leichen, diese Körper werden von niemandem geborgen“, fuhr er fort. „Und über sie jagen sie neue Einheiten hinweg, irgendwelche Reserven, die die russischen Befehlshaber irgendwo sammeln.“

Er könne verstehen, das Russland über schier endlose Reserven an Soldaten und Militärgerät verfüge. „Aber ich möchte von den Bürgern Russlands wissen: Was hat man mit Ihnen in diesen Jahren getan, dass Sie Ihre Verluste nicht bemerkt haben?“.

Schon jetzt seien mehr als 14.000 russische Soldaten getötet worden. „Das sind 14.000 Mütter, 14.000 Väter, Ehefrauen, Kinder, Verwandte, Freunde - und Ihnen fällt das nicht auf?“

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Die ukrainische Darstellung zu den getöteten russischen Soldaten lässt sich nicht unabhängig überprüfen - ebenso wenig wie jene zu den eigenen militärischen Verlusten, die die Staatsführung vor rund einer Woche auf etwa 1300 Soldaten bezifferte. Die russische Seite hat bislang offiziell nur knapp 500 eigene Gefallene bestätigt.

Ukrainische Behörden: Mehr als 260 Zivilisten in Charkiw getötet

Auch in der Zivilbevölkerung steigen die Totenzahlen weiter. Seit dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine vor über drei Wochen kamen allein infolge der Kämpfen um die Stadt Charkiw nach Angaben lokaler Behörden 266 Zivilisten ums Leben. Darunter seien 14 Kinder, teilten die Justizbehörden der zweitgrößten Stadt des Landes am Samstagabend mit.

Die von russischen Truppen belagerte Stadt, in der vor Kriegsbeginn 1,5 Millionen Menschen lebten, werde weiterhin mit Artillerie beschossen, berichtete die Agentur Unian. Auch diese Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

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Hohe Opferzahl in zerstörter Kaserne in Mykolajiw

Nach einem Raketenangriff russischer Truppen auf eine Kaserne in Mykolajiw im Süden der Ukraine sollen Helfer am Samstag mindestens 50 Tote aus den Trümmern geborgen haben.

Insgesamt hätten rund 200 Soldaten in dem Gebäude geschlafen, als die Raketen einschlugen, berichtete die „Ukrajinska Prawda“ am Samstag. Knapp 60 Verletzte seien in umliegende Krankenhäuser gebracht worden. Von unabhängiger Seite bestätigt sind diese Informationen nicht.

Bürgermeister von Tschernihiw berichtet von katastrophaler Lage

Der Bürgermeister von Tschernihiw wies in einem dramatischen Appell auf die prekäre Lage in der von russischen Truppen eingekesselten nordukrainischen Stadt hin. „Der wahllose Artilleriebeschuss der Wohngebiete dauert an, dabei sterben friedliche Menschen“, sagte Wladislaw Atraschenko laut der Agentur Unian.

Die Stadt erlebe eine humanitäre Katastrophe. „Es gibt keine Stromversorgung, kein Wasser, keine Heizung, die Infrastruktur der Stadt ist vollständig zerstört.“

Bahnverbindungen zwischen Ukraine und Belarus wohl unterbrochen

Belarussische Bahnarbeiter sollen indes alle Schienenverbindungen zwischen Belarus und der Ukraine unterbrochen haben. Der Vorsitzende der ukrainischen Eisenbahnen, Olexander Kamyschin, dankte am Samstag den Kollegen in Belarus für die nicht näher beschriebene Aktion.

„Mit dem heutigen Tag kann ich sagen, dass es keinen Bahnverkehr zwischen Belarus und der Ukraine gibt“, wurde er von der Agentur Unian zitiert. Das würde bedeuten, dass russische Truppen in der Ukraine über diese Strecken weder Verstärkungen noch Nachschub erhalten.

Auch ein Berater der belarussischen Oppositions-Ikone Swetlana Tichanowskaja hatte auf Twitter von der angeblichen Aktion berichtet.

„Helden! Belarussische Bahnarbeiter haben die Bahnverbindung mit der Ukraine unterbrochen, so dass Züge mit russischer Ausrüstung nicht in die Ukraine fahren können“, schrieb Franak Viatschorka. Auch hier fehlte jedoch eine unabhängige Bestätigung der angeblichen Aktion.

Obwohl russische Truppen aus Belarus in die Ukraine eingefallen sind, hat der autoritäre belarussische Präsident Alexander Lukaschenko, der als Protegé des Kremlchefs Wladimir Putin gilt, bisher eine direkte Beteiligung seiner Truppen am Krieg im Nachbarland abgelehnt. (dpa)

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