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Der ukrainische Botschafter in Berlin, Andrij Melnyk, sagte seinen Besuch beim Solidaritätskonzert des Bundespräsidenten ab.
© Imago/Christian Spicker
Update

Es traten nur russische Solisten auf: Ukraine-Botschafter sagt Teilnahme an Steinmeier-Konzert aus Protest ab

Der Bundespräsident lud am Sonntag zu einem Solidaritätskonzert mit der Ukraine. Für Botschafter Melnyk war die Wahl der Künstler „ein Affront“.

Der ukrainische Botschafter in Deutschland hat seine Teilnahme an einem vom Bundespräsidenten veranstalteten Solidaritätskonzert mit den Berliner Philharmonikern im Schloss Bellevue abgesagt. „Nur russische Solisten, keine Ukrainerinnen“, twitterte Botschafter Andrij Melnyk am Sonntag. „Ein Affront. Sorry, ich bleibe fern.“

Die Sprecherin des Bundespräsidenten, Cerstin Gammelin, bedauerte die Absage Melnyks auf Twitter. Das Konzert biete die Möglichkeit eines gemeinsamen Zeichens für die Ukraine. „Es ist schade, dass wir dieses Zeichen nicht gemeinsam senden können.“

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Gammelin wies darauf hin, dass im Zentrum des Programms der bedeutende ukrainische Komponist Valentin Silvestrov stehe, der im hohen Alter von 84 Jahren soeben selbst aus seiner Heimat geflohen sei. Silvestrov spielte im Anschluss an das offizielle Konzert auf dem Flügel eine aktuelle Komposition, in der er die Eindrücke seiner Flucht verarbeitet hat.

Auf Gammelins Äußerung reagiert Melnyk wiederum mit einer Frage: „Wieso fällt es dem Bundespräsidenten so schwer zu erkennen, dass solange russische Bomben auf Städte fallen und Tausende Zivilisten Tag und Nacht ermordet werden, wir Ukrainer keinen Bock auf "große russische Kultur" haben?“

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und die Berliner Philharmoniker hatten für Sonntag um 11 Uhr zu einem Solidaritätskonzert mit der Ukraine eingeladen. Steinmeier konnte aufgrund seiner Corona-Infektion nicht beiwohnen und war per Video zugeschaltet.

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Unter der Leitung der Dirigentin Nodoka Okisawai spielten zuvor Musikerinnen und Musiker unter anderem aus der Ukraine, aus Russland, Belarus und Deutschland gemeinsam Stücke ukrainischer, russischer und polnischer Komponisten. Chefdirigent Kirill Petrenko musste krankheitsbedingt kurzfristig absagen.

Melnyk und die deutsche Politik: Eine Serie von Verstimmungen

Melnyks Verzicht auf eine Teilnahme steht in einer Reihe von Verstimmungen zwischen der Ukraine und der deutschen Politik. Jüngst war davon in einem Porträt des Botschafters in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ zu lesen. Darin wird von einem Gespräch Melnyks mit Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) berichtet, die hauptsächlich über ihr öffentliches Bild besorgt gewesen sein soll. „Euch bleiben nur wenige Stunden“, soll Finanzminister Christian Lindner (FDP) kurz nach dem russischen Angriff zu Melnyk gesagt haben und Waffenlieferungen oder einen Swift-Ausschluss Russlands für sinnlos erklärt haben. „Das war das schlimmste Gespräch in meinem Leben“, wurde Melnyk von der Zeitung zitiert.

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Bevor der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sich in einer Videoansprache an den Bundestag wandte, warb Melnyk bei Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) vergeblich darum, mit einer Regierungserklärung direkt auf den Präsidenten zu reagieren. Und auch mit Steinmeier legte sich der Botschafter schon an - im vergangenen Jahr. Da schlug er eine Einladung des Bundespräsidenten zu einer Ausstellung über sowjetische Kriegsgefangene im Deutsch-Russischen Museum Karlshorst aus, nachdem Steinmeier sich öffentlich für die Gaspipeline Nord Stream 2 starkgemacht hatte. Im Auswärtigen Amt und im Kanzleramt habe Melnyk wegen seiner offensiven Art, hieß es in der "FAS", schon seit Jahren eine Art Hausverbot.

Bei einer Rede im Berliner Abgeordnetenhaus am 10. März dieses Jahres attestierte Melnyk der deutschen Politik ein „kollektives Versagen“. Das Appeasement gegenüber dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sei gescheitert.

Steinmeier bereitet Deutschland auf schwierige Zeiten vor

Auf die Absage Melnyks für das Konzert im Schloss Bellevue ging Steinmeier selbst am Sonntag nicht ein. In seiner Videoansprache bereitete er die Menschen in Deutschland stattdessen auf schwierigere Zeiten und Einbußen infolge des russischen Angriffskriegs vor. „Es kommen auch auf uns in Deutschland härtere Tage zu“, sagte er.

Die verhängten scharfen Sanktionen brächten diese unvermeidlich. „Wir werden bereit sein müssen, sie zu tragen, wenn unsere Solidarität nicht nur Lippenbekenntnis sein, wenn sie ernst genommen werden soll.“

„Und die ganze Wahrheit ist: Viele Härten liegen erst noch vor uns“, sagte Steinmeier. Trotz aller laufenden diplomatischen Bemühungen um eine Beendigung des Krieges gelte: „Unsere Solidarität und unsere Unterstützung, unsere Standhaftigkeit, auch unsere Bereitschaft zu Einschränkungen werden noch auf lange Zeit gefordert sein.“

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„Es sind furchtbare Tage und Wochen. Wir alle sind erschüttert, wir sind entsetzt über das, was in der Ukraine geschieht“, sagte er. Steinmeier erinnerte daran, dass er in der Rede nach seiner Wahl Mitte Februar den russischen Präsidenten Wladimir Putin davor gewarnt habe, die Stärke der Demokratie zu unterschätzen. „Heute wissen wir: Er hat sie unterschätzt.“ Steinmeier dankte allen Bürgern für ihre Solidarität mit den Ukrainern, die aus ihrem Land fliehen.

Der Bundespräsident zeigte Verständnis für die bei vielen Menschen aufkommenden Ängste. „Bei den Älteren treten tiefe, grauenvolle Erinnerungen hervor, bei den Jüngeren ein nie für möglich gehaltenes Erschrecken: Es herrscht Krieg in Europa.“

Niemand könne diese Ängste einfach wegnehmen. „Aber wir können der Angst etwas entgegensetzen: unsere Wehrhaftigkeit und unsere Mitmenschlichkeit, unseren Willen zum Frieden und den Glauben an Freiheit und Demokratie, die wir niemals preisgeben, die wir immer verteidigen werden.“

Er wisse, dass der Glaube an Freiheit und Demokratie allein keinen Panzer aufhalte. „Aber ich weiß auch dies: Kein Panzer kann diesen Glauben jemals zerstören. Keine Armee, kein Unterdrückungsregime ist stärker als die Strahlkraft von Freiheit und Demokratie in den Köpfen und Herzen der Menschen“, sagte Steinmeier. (Tsp, dpa)

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