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Jens Söring auf einem Archivbild im Gefängnis "Buckingham Correctional Center" in Dillwyn, Virginia.
© dpa

Der Fall Jens Söring: Über 30 Jahre unschuldig im Gefängnis

Seit über 30 Jahren sitzt der deutsche Diplomatensohn in US-Haft für einen Doppelmord, von dem er sagt, dass er ihn nicht begangen hat. Die DNA-Spuren sprechen für ihn. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Unvergesslich nach einem Gespräch mit Jens Söring ist, wie er über sich und seinen Fall redet: nüchtern und kühl, als säße er nicht seit mehr als 30 Jahren im Gefängnis für einen Doppelmord, von dem er sagt, dass er ihn nicht begangen hat. Akribisch korrigiert er Details, selbst wenn der Irrtum zu seinen Gunsten ausfällt. Er wirkt wie das Studienobjekt und der beste Experte in einer Person. Peinlich achtet er auf Objektivität. „Unschuldig bin ich nicht“, sagt er zum Beispiel. Aber „nicht schuldig an den Morden, für die ich verurteilt wurde“. Seine Vergehen waren ein falsches Geständnis und die Flucht vor der US-Justiz.

Ein grausames Verbrechen, vermutlich unter Drogen

Seine Freundin Elizabeth Haysom habe ihre Eltern 1985 in deren Wochenendhaus in Virginia umgebracht, sagt Söring, mutmaßlich mit einem männlichen Helfer. Die Spuren belegen einen grausamen Ablauf. Auf den Vater stachen die Täter 27 Mal ein, nur eine dünne Muskelfaser verband den Kopf danach noch mit dem Körper. Auch den Kopf der Mutter trennten die Täter nahezu ab. Vermutlich waren Drogen im Spiel.

Söring war damals 19 und erstmals verliebt. Er sagt, er nahm die Tat auf sich, um Elizabeth vor der Todesstrafe zu retten. Er hoffte, als jugendlicher Ausländer und Diplomatensohn mit wenigen Jahren Gefängnis davon zu kommen. Später widerrief Söring, floh nach England, was auf die US-Justiz wie ein weiteres Geständnis wirkte, wurde in London wegen Scheckbetrug festgenommen und an die USA ausgeliefert. Zuvor hatte der Europäische Gerichtshof zur Bedingung gemacht, dass kein Todesurteil verhängt werden darf. Er bekam „zwei Mal lebenslänglich“.

DNA-Tests zeigen, dass er nicht der Täter war

50 Jahre und 25 Tage ist er nun alt. 30 Jahre, drei Monate und 26 Tage davon hat er im Gefängnis gesessen. Er hat Hoffnungen und Enttäuschungen kommen und gehen sehen. Die Nachricht, die jetzt in deutschen Medien verbreitet wird – die DNA-Spuren vom Tatort beweisen, dass er nicht der Täter war – kennt er seit Jahren. Von 42 Proben eigneten sich elf für DNA- Tests: „Man weiß nicht, von wem sie stammen. Aber sicher ist: Sie stammen nicht von mir", erläuterte er 2012 im Tagesspiegel-Interview.

Er ist zum Experten für das US-Recht geworden und weiß, wie gering die Chancen auf Wiederaufnahme seines Falls in Virginia sind. An eine Begnadigung glaubt er nicht – „politisch zu riskant für den Gouverneur“. Das „Parole Board“, den Bewährungsausschuss, hält er für seine beste Option. Das hieße Abschiebung nach Deutschland. Vor allem aber dürfe der öffentliche Druck nicht nachlassen.

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