EU-Gipfel: Tusk vor zweiter Amtszeit
Vor dem EU-Gipfel wird in Berlin und Brüssel eine Wiederwahl von EU-Ratspräsident Donald Tusk erwartet - trotz des Widerstands aus Warschau.
Es wäre schon eine riesige Überraschung, wenn der Pole Donald Tusk an diesem Donnerstag von den Staats- und Regierungschefs nicht erneut zum EU-Ratschef gewählt würde. Seit gut zwei Jahren leitet der liberalkonservative Ex-Regierungschef zur allgemeinen Zufriedenheit die EU-Gipfeltreffen, und eigentlich gilt seine Wiederwahl beim Spitzentreffen an diesem Donnerstag in Brüssel als Formsache – würde es nicht ausgerechnet in Tusks Heimat Widerstand geben. Da aber Polen kein Vetorecht hat und der EU-Ratschef mit qualifizierter Mehrheit bestimmt wird, gibt es weder in Berlin noch in Brüssel Zweifel an der Wahl Tusks. „Das Ergebnis wird eine sehr klare Sprache sprechen“, hieß es am Mittwoch aus EU-Kommissionskreisen.
Persönliches Zerwürfnis zwischen Kaczynski und Tusk
Dass die nationalkonservative Regierung in Warschau Tusk verhindern will, liegt nach Einschätzung der EU-Kommission in erster Linie an einem persönlichen Zerwürfnis zwischen Tusk und dem Vorsitzenden der Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), Jaroslaw Kaczynski. Der PiS-Chef macht Tusk für den Flugzeugabsturz im Jahr 2010 verantwortlich, bei dem sein Zwillingsbruder und damalige Staatschef Lech Kaczynski ums Leben gekommen war. Vor dem Brüsseler EU-Gipfel sagte Kaczynski nun in einem Zeitschrifteninterview, aus dem die staatliche polnische Nachrichtenagentur PAP vorab zitierte, Tusk trete in Brüssel als ein Repräsentant der wirtschaftlichen Dominanz Deutschlands auf.
Als Gegenkandidat zu Tusk hat die Regierung in Warschau den polnischen EU-Abgeordneten Jacek Saryusz-Wolski nominiert. Aus Regierungskreisen in Berlin hieß es jedoch am Mittwoch, dass man gut mit dem amtierenden EU-Ratspräsidenten Tusk zusammengearbeitet habe und dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) seine Arbeit schätze.
Jubiläumsgipfel in Rom wird vorbereitet
Am zweiten Tag des Spitzentreffens in Brüssel werden sich die 27 EU-Staaten ohne Großbritannien am Freitag in informeller Runde mit der Zukunft der EU nach dem Brexit befassen. Das Treffen dient der Vorbereitung eines feierlichen Gipfels im Kreis der 27 EU-Staaten am 25. März in Rom, bei dem an den 60. Jahrestag der Unterzeichnung der Gründungsakte der heutigen Europäischen Union erinnert wird.
Debatte über die Zukunft der EU
In der vergangenen Woche hatte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker fünf mögliche Optionen für die Zukunft der Europäischen Union präsentiert, die von einem losen Verbund rund um den EU-Binnenmarkt bis zu einem weit gehenden Machttransfer der Nationalstaaten an die Europäische Union reichen. Juncker wolle mit seinen Vorschlägen die verantwortlichen Politiker in den EU-Hauptstädten dazu bringen, „Farbe zu bekennen“, hieß es in EU-Kommissionskreisen. Nach der Vorstellung der Brüsseler Behörde soll die Debatte über die Zukunft der EU „keine Elitendiskussion“ werden, sondern auch die Bevölkerung in den Mitgliedstaaten einbeziehen. Eine Klärung der Frage, wie und und welchen Bereichen die EU-Staaten künftig kooperieren wollen, strebe Juncker vor der nächsten Europawahl in zwei Jahren an, hieß es weiter.