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In Diyarbakir ging die Polizei mit Wasserwerfern gegen Menschen vor, die gegen die Absetzung des Bürgermeisters protestierten.
© Reuters/Sertac Kayar

Mit Wasserwerfern und Schlagstöcken: Türkische Regierung verhindert Proteste gegen Bürgermeister-Entlassung

Am Montag waren die pro-kurdischen Bürgermeister dreier Städte des Amtes enthoben worden. In Diyarbakir und Istanbul wurden Menschen nun am Protest gehindert.

Türkische Sicherheitskräfte haben mit Wasserwerfern und Schlagstöcken Proteste gegen die Amtsenthebung von drei pro-kurdischen Bürgermeistern im Südosten des Landes verhindert.

In der kurdisch dominierten Großstadt Dyarbakir versuchten am Dienstag trotz eines Demonstrationsverbotes viele Menschen nahe der Stadtverwaltung zusammenzukommen, wie aus Augenzeugenberichten hervorgeht und in Videos im Internet zu sehen war. Die Polizei habe alle Straßen abgesperrt, die Demonstranten eingekesselt und Schlagstöcke eingesetzt, sagte Feleknas Uca, eine in Deutschland geborene Abgeordnete der großen pro-kurdischen Oppositionspartei HDP. Dabei wurde Uca nach eigenen Angaben verletzt. In Istanbul berichteten Medien wie die Nachrichtenplattform Arti Gercek über die Verhinderung einer Kundgebung von Anwälten.

Das Innenministerium hatte am Montag im kurdisch dominierten Südosten des Landes die Bürgermeister der Provinzhauptstädte Diyarbakir, Mardin und Van ihres Amtes enthoben. Alle drei sind Mitglieder der HDP, die bei der Kommunalwahl im März gewählt worden waren. Der Staat wirft ihnen Verbindungen zu Terroristen vor. Die Provinzgouverneure sollen die Geschäfte weiterführen. Gouverneure werden nicht demokratisch gewählt, sondern vom Präsidenten ernannt.

Präsident Recep Tayyip Erdogan sieht die HDP als verlängerten Arm der kurdischen Arbeiterpartei PKK, die in der Türkei und der EU als Terrororganisation eingestuft ist. Ab Oktober 2018 hatte er mehrfach damit gedroht, nach den Kommunalwahlen gegebenenfalls wieder HDP-Bürgermeister absetzen zu lassen. Schon nach dem Putschversuch von 2016 waren HDP-Bürgermeister wegen angeblicher Verbindungen zur PKK abgesetzt worden. Laut HDP stand vor den Kommunalwahlen im März ein Großteil der HDP-geführten Gemeinden unter Zwangsverwaltung.

418 Menschen wurden wegen angeblicher Verbindungen zur PKK festgenommen

Gleichzeitig waren am Montag einem Tweet des Innenministeriums zufolge in diesen drei und in 26 weiteren Provinzen bei Razzien 418 Menschen wegen angeblicher Verbindungen zur PKK festgenommen worden. Der HDP-Vorstand hatte verlauten lassen, dass auch HDP-Gemeinderatsmitglieder und Angestellte betroffen seien.

Bei einer Pressekonferenz in Istanbul am Dienstag sagte die Co-Vorsitzende der Partei, Pervin Buldan, das Volk sei mit den Amtsenthebungen „seines Willens beraubt“ worden. „Das ist schlichtweg Diebstahl.“ Die AKP-Regierung versuche, von ihren Problemen in der Außenpolitik, Wirtschaft und im sozialen Bereich abzulenken. Buldan kündigte Widerstand auf jede „demokratische“ Weise an: „Wir werden nie zulassen, dass die AKP-Regierung so hemmungslos unser Volk, das kurdische Volk, seinen Willen und seinen Stolz attackiert.“

Die Maßnahme hatte auch im Ausland Kritik ausgelöst, unter anderem von Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth, EU und Europarat. Am Dienstag forderte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) die sofortige Wiedereinsetzung der Bürgermeister. Die Entlassungen verletzten eklatant die Rechte von Wählern und setzten vor Ort die Demokratie außer Kraft, hieß es in einer Stellungnahme.

„Präsident Erdogan hat die Resultate der Kommunalwahl vom März in den drei wichtigsten Städten des kurdischen Südostens und Ostens gewissermaßen annulliert, indem er die von Wählern ausgesuchten Bürgermeister (...) beseitigt und die Gemeinden übernommen hat“, sagte der HRW-Direktor für Europa und Zentralasien, Hugh Williamson. Er kritisierte auch, dass die Betroffenen mit vage gehaltenen Terrorvorwürfen verleumdet würden.

Innenminister Süleyman Soylu sagte am Dienstagmorgen: „Die, die behaupten, gewählt worden zu sein bringt Straflosigkeit für terroristische Verbrechen, die liegen falsch.“ (dpa)

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