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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan.
© AFP

Vor G20-Treffen in Antalya: Türkei droht mit Intervention in Syrien

Beim G20-Gipfel beraten Spitzenpolitiker über die Syrien-Krise. Gastgeber Recep Tayyip Erdogan macht seine Position schon vorher klar - und droht mit einem Einmarsch seiner Armee nach Syrien.

Rund 12.000 Polizisten, Kampfflugzeuge in Alarmbereitschaft, Festnahmen mutmaßlicher Islamisten: Die Türkei will als Ausrichterin des G20-Gipfels in Antalya am kommenden Wochenende kein Risiko eingehen. Spitzenpolitiker wie US-Präsident Barack Obama, Russlands Staatsschef Wladimir Putin und Bundeskanzlerin Angela Merkel werden in einem hermetisch abgeschirmten Hotelviertel am Ufer des Mittelmeers vor allem über die Syrien-Krise beraten. Die türkischen Behörden gehen davon aus, dass Extremisten versuchen könnten, einen Anschlag auf das Treffen zu verüben. So nahm die Polizei 20 mutmaßliche Anhänger des "Islamischen States" (IS) in Antalya fest. 

Der syrische Krieg, der weniger als eine Flugstunde von Antalya entfernt tobt, und die von ihm losgetretene Flüchtlingskrise in Europa sind die beherrschenden Themen des Gipfels. Obwohl alle Gipfelteilnehmer das Doppelziel verfolgen, den Konflikt möglichst bald zu beenden und die Terrormiliz IS zu bekämpfen, sind in Antalya keine Durchbrüche bei der Suche nach Frieden zu erwarten: zu verschieden sind die Positionen der Akteure. Während die USA, die Europäer und die Türkei auf eine Entmachtung von Präsident Baschar al Assad dringen, unterstützt Russland die Regierung in Damaskus politisch und militärisch. Gipfel-Gastgeber Recep Tayyip Erdogan wurde vor dem Gipfel schon einmal deutlich. So drohte der türkische Präsident mit einem Einmarsch seiner Armee nach Syrien.

11.000 Soldaten sollen bereitstehen

„Die G20-Länder werden so zerstritten bleiben, wie sie es bisher auch waren“, schrieb der Kolumnist Emre Gönen in der Erdogan-freundlichen Tageszeitung „Daily Sabah“. Das hindert die Gipfelteilnehmer aber nicht daran, schon vor dem Treffen deutliche Signale an alle Seiten zu schicken. So warnte Erdogan die Kurden in Syrien davor, ihr Einflussgebiet entlang der türkischen Grenze weiter in Richtung Westen auszuweiten. „Es wird niemandem erlaubt, zum Westufer des Euphrat vorzustoßen“, sagte Erdogan. Nach Presseberichten hält Ankara an der Grenze rund 11.000 Soldaten bereit, die in den kommenden Woche nach Syrien geschickt werden könnten.

Die Türkei befürchtet dass die mit den türkisch-kurdischen PKK-Rebellen verbündete syrische Kurdenpartei PYD versuchen könnte, einen eigenen Kurdenstaat aufzubauen. Militärische Unterstützung der USA für die PYD, ein besonders wirksamer Gegner des "Islamischen Staates" in Nord-Syrien, hatte deshalb in den vergangenen Wochen zu Spannungen zwischen Ankara und Washington geführt. Inzwischen haben US-Regierungsvertreter versichert, dass die syrischen Kurden vorerst keine Waffen mehr erhalten.

Nach dem Sieg seiner Partei AKP bei der Parlamentswahl am 1. November will Erdogan in der Syrien-Politik ab sofort offensiver auftreten. Der Wahlausgang erlaube seinem Land „stärkere Schritte“ in der Nahost-Region, sagte er. Viel Kritik von Obama oder Merkel an rechtsstaatlichen Mängeln oder am Druck auf die Medien in der Türkei muss Erdogan in Antalya nicht befürchten: Sein Land ist für den Westen in der Syrien-Krise ein unentbehrlicher Partner.

Erdogan will Schutzzonen

So wie Erdogan in Antalya die türkischen Interessen in Syrien in den Mittelpunkt stellen will, so dringen Merkel und andere EU-Vertreter auf eine gemeinsame Reaktion in der Flüchtlingskrise. Hier erwartet die EU von der Türkei intensivere Bemühungen, Syrer an der illegalen Überfahrt nach Griechenland zu hindern – erst am Mittwoch starben wieder 14 Flüchtlinge, als ihr Boot in der Nord-Ägäis auf der Fahrt von der türkischen Küste zur griechischen Insel Lesbos kenterte. 

Erdogan kennt die Sorgen der Europäer sehr genau und versucht vor dem Gipfel, der EU mit Hinweis auf die Flüchtlinge den türkischen Plan für die Einrichtung militärisch gesicherter Schutzzonen schmackhaft zu machen. Solche Zonen könnten zur Eindämmung des Flüchtlingsstroms beitragen: „Wir sagen: ‚Lasst uns Gebiete einrichten, die vom Terror gesäubert sind und in denen ein Flugverbot gilt‘“, sagte Erdogan an die EU gerichtet. „Dann gehen die Leute auch nicht mehr nach Europa.“

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