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Der griechische Oppositionschef Alexis Tsipras.
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Update

Neuwahlen in Griechenland: Tsipras: Ende der Sparpolitik in Sicht

Die Wahl eines neuen griechischen Staatspräsidenten ist auch im dritten Anlauf gescheitert. Die Neuwahlen sollen nun am 25. Januar stattfinden.

In Griechenland ist die Wahl eines neuen Präsidenten auch im dritten Durchgang gescheitert. Der von der Regierung unterstützte frühere EU-Kommissar Stavros Dimas erreichte bei der Abstimmung im Parlament am Montag 168 Stimmen und verpasste damit die erforderliche Mehrheit von 180 Stimmen. Premierminister Antonis Samaras kündigte an, dass am 25. Januar vorgezogene Neuwahlen stattfinden sollen.

In Umfragen liegt die linkspopulistische Oppositionspartei Syriza in Führung, die den von der EU verordneten Sparkurs aufkündigen will. Athen droht damit die Zahlungsunfähigkeit, sollten die ausstehenden Notkredite von sieben Milliarden Euro zurückgehalten werden. Die Kurse an der Athener Börse brachen nach der gescheiterten Wahl um elf Prozent ein.

Die Regierung des konservativen Ministerpräsidenten Samaras hatte Dimas als Nachfolger von Amtsinhaber Karolos Papoulias ins Rennen geschickt. Im zweiten Wahldurchgang hatte der Kandidat am vergangenen Dienstag 168 von 300 Stimmen erhalten, nötig gewesen wären 200. Die Regierungskoalition verfügt über 155 Abgeordnete.

Sichtlich zufrieden erschien Oppositionschef Alexis Tsipras im Fernsehen: „Heute ist ein historischer Tag für die Hellenische Republik“, sagte Tsipras. Die Entscheidung des Parlaments signalisiere das Ende der Sparpolitik, die zur „Plünderung des Volkes“ durch die Sparvorgaben der Regierung geführt habe. Diese Wende werde das griechische Volk auch bald bei den Wahlen besiegeln, gab sich Tsipras zuversichtlich.

CSU-Finanzpolitiker Michelbach: Griechenland kann keinen Rabatt erwarten

Der CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach kritisierte derweil die fehlende Unterstützung für Dimas im Parlament scharf. "In Athen hat leider wieder einmal die Selbstsucht über das Verantwortungsbewusstsein gesiegt", sagte Michelbach dem Tagesspiegel. "Mit ihrem Verhalten drohen die Parlamentarier das Land gegen die Wand zu fahren", sagte der Bundestagsabgeordnete weiter. Die Mehrheit der Abgeordneten im griechischen Parlament schaffe "Verunsicherung in einem Moment, in dem alle Kräfte darauf gerichtet sein müssten, Griechenland aus dem Tal der Dauerkrise herauszuführen". Nach den Worten des Vorsitzenden der Mittelstands-Union zeigten die für das Scheitern von Dimas verantwortlichen Parteien "leider einmal mehr, dass es ihnen eher um die Sicherung der eigenen Pfründe als um eine erfolgreiche Zukunft des Landes geht". In Athen herrsche offenbar "weiter der Irrglaube, man müsse sich nur lange genug notwendigen Reformen verweigern, dann würden die Partner schon zahlen". Michelbach sprach sich aber gegen ein Entgegenkommen der Euro-Partner aus. "Griechenland kann keinen weiteren Rabatt erwarten", sagte der CSU-Politiker. "Der Gedanke an eine Staatspleite in Griechenland hat für die Partner und die Finanzmärkte längst ihren Schrecken verloren. Deshalb sind auch keine negativen Rückwirkungen auf die gesamte Euro-Zone zu erwarten", sagte Michelbach. "Leidtragende eines Staatsbankrotts werden die Menschen in Griechenland sein", sagte er.

SPD-Fraktionsvize Schneider: Bevölkerung in Hellas hat ihr Schicksal selbst in der Hand

Der SPD-Fraktionsvize Carsten Schneider sagte dem Tagesspiegel, die griechische Bevölkerung habe „nun ihr Schicksal selbst in der Hand“ und werde „souverän über den künftigen Kurs des Landes entscheiden“. Allerdings müsse sich auch jede neue Regierung der Realität stellen. Ohne Hilfe von außen sei Hellas angesichts des Schuldenstandes „nicht handlungsfähig“, fügte der SPD-Politiker hinzu. „Die Verhandlungen mit der Troika werden deshalb weitergehen, andernfalls wäre das Land bald zahlungsunfähig.“ Zwar sei bei der Umsetzung der Reformen schon viel erreicht worden, aber beispielsweise im Steuervollzug oder bei der Modernisierung der Verwaltung bestünden weiterhin große Aufgaben.

Experte hält Risiko eines Austritts aus dem Euro für gering

Nach der Ansicht von Grégory Claeys vom Brüsseler Thinktank Bruegel ist die Wahrscheinlichkeit, dass Griechenland im Zuge einer möglichen Regierungsbildung durch die Syriza wieder zur Drachme zurückkehrt, „ziemlich gering“. „Die Syriza will, dass Griechenland in der Euro-Zone bleibt, aber nicht um jeden Preis“, beschreibt Claeys den europapolitischen Standpunkt der griechischen Linkspartei. Sollte es tatsächlich dazu kommen, dass der Syriza-Chef Tsipras im Falle eines Staatsbankrotts Drachmen drucken lässt, wäre nach der Einschätzung von Claeys eine neuerliche Spekulation an den Finanzmärkten gegen andere Krisenländer nicht auszuschließen. Als Wackelkandidat würde in diesem Krisenszenario vor allem Italien gelten, dessen Gesamtverschuldung inzwischen auf 133 Prozent der Wirtschaftsleistung angewachsen ist. Auch Frankreich gilt mit einer bis 2015 von der EU-Kommission prognostizierten Gesamtverschuldung von 96,6 Prozent nicht gerade als europäischer Musterknabe, dürfte mögliche Spekulationsangriffe angesichts der niedrigen Zinsen für seine Staatsanleihen aber leichter abwehren können als die italienischen Nachbarn.

Dass ein absoluter Reformstillstand in Griechenland auch für die Gegner des Sparkurses in Frankreich und Italien politische Munition liefern könnte, hält der Experte Claeys für kein sehr wahrscheinliches Szenario. „In Italien und Frankreich werden Reformen nicht den EU-Partnern zuliebe durchgeführt, sondern im eigenen Interesse“, sagt Claeys. Dass ein Umschwenken für ihn nicht infrage kommt, machte Frankreichs Premierminister Manuel Valls derweil am Montag in einem Interview mit der spanischen Zeitung „El Mundo“ deutlich. Die Franzosen würden wohl noch auf Jahre hinaus Einbußen hinnehmen müssen, erklärte Valls. Im Lager der regierenden Sozialisten würde diese Linie von der Mehrheit der Anhänger sowie den Vertretern in den Regionen, den Rathäusern und in der Nationalversammlung geteilt, sagte Valls. (mit AFP/dpa)

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